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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,1.1918

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Heft 5 (1. Dezemberheft 1918)
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Avenarius, Ferdinand: Unsre nationale Ehre
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https://doi.org/10.11588/diglit.14375#0172

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bedeutungslos die „äußere" Ehre für die sittliche Bewertung ist, darüber
kann ja am allerwenigsten bei Christen ein Zweifel sein, da der Gottmensch
selber den schimpflichsten Tod der äujzerlich Ehrlosen erlitt. Die „äußere
Ehre", die Anerkennung durch die Andern, kann über die Sittlichkeit des
Geehrten oder Nichtgeehrten gar nichts aussagen, denn der Lump kann
Abgott sein, sie kann etwas aussagen nur über den, der sie darbietet,
verweigert oder entzieht. Wenn uns die Feinde beschimpfen, verdächtigen
und verleumden, so sagt das sittlich nur über sie was aus, nicht über
uns. And wenn ein ganzes Volk in die Verwechslung gerät, als Höchstes
nicht sein gutes Gewissen zu erstreben, sondern sein Ansehn bei andern,
sein „prestige", seine „gloire", so zeugt das zunächst nicht von besonderer
Ehrenstärke, sondern von besonderer Eitelkeit. „Nichtswürdig ist die Nation,
die nicht ihr Alles sreudig setzt an ihre Ehre." Können wir bei solchem
Sachverhalt einen Augenblick zweifeln, ob sich's da um die äußere Ehre,
sozusagen um das Klatschen des Parketts handelt, oder um die innere,
um das Bewußtsein: du tust, was der kategorische Imperativ dir befiehlt?
Noch ist es ja nicht aufgegeben, daß Deutschsein heiße: eine Sache um
ihrer selbst willen tun.

Außere National-Ehre und innere National-Ehre! Als es sich um die
Frage unsres letzten Widerstandes, genauer gesagt: des Mordenlassens
unsrer Letzten handelte, da zeigten sich plötzlich dieselben Lntente-Blätter,
die uns zehntausendfach als Auswurf der Menschheit bespuckt haben,
besorgt um unsre Ehre. Die fordere Kampf bis aufs letzte. Ansre Ehre,
nämlich unser Ansehn bei ihnen. Ach, treffliche Herren von Matin,
Figaro S: Co.: unserm Ehrgefühl kommt es in erster Reihe darauf an,
daß wir mit uns selber im reinen sind, in zweiter darauf, daß uns die
achten, die wir achten, und in gar keiner Reihe darauf, ob ihr uns achtet.
Was die anständigen Leute rings in der Welt, auch bei den Feinden betrifft,
so war das Ansehen bei ihnen, unsre „äußere" Ehre, einfach ein praktisches
Gut, wie für den Kaufmann der Kredit — darum habt ihr's uns ja ge-
stohlen. Nnser äußeres Ansehn als unser rechtmäßiges Eigentum Zurück»
zubekommen, ist eine politische Aufgabe, aber nach dem Wie der
besten Lösung werden wir uns doch lieber nicht bei den Dieben erkundigen.

Was also verlangt die deutsche nationale Ehre von uns, was jetzt?

Daß uns nicht unsre Kinder für Narren halten, verlangt sie, die init
Gladiatorengesten Güter vergeuden, deren dauernder Eigentümer kein Leben-
der ist, deren wir nur Verwalter sind, die dem deutschen Volke gehören,
nicht uns. Wofür hätten wir da zu kämpfen gehabt? Gegen den Gewalt-
frieden, der gleich entsetzliche Kriege sür unsre Kinder bedeutet, gegen die
Weltherrschaft der Macht- und Geldgier im Heuchlerrock, gegen die Bru-
talisierung der Welt, dafür, daß das werde, mit dessen Namen sie
sangen. Dafür deutsches Gut, deutsche Gedanken und deutsches Blut!
Dafür, wenn es durch uns werden kann. Fehlt aber die Mög-
lichkeit auf Erfolg jetzt, dann dafür: daß wenigstens die Keimkraft
erhalten bleibt, aus der ueue deutsche Macht wachsen kann. Das ver-
langte unsre innere Ehre, das verlangt die Ehre.

Dafür aber, daß Franzosen, Engländer, Amerikaner und Italiener nach
all ihren Beschimpfungen und Verleumdungen nun sagen sollten: „brav,
sie kapitulieren nicht" und denken sollten: „feinfein, sie geben uns noch
zum Knockout den Vorwand", für diese äußere Ehre haben wir mit
tiefstem sittlichem Rechte den Schlußkampf verweigert. Wenn einst die
Zeit der neuen Auseinandersetzung gekommen sein wird, sei's mit den
 
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