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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,2.1919

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Heft 7 (1. Januarheft 1919)
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Marsop, Paul: Friedrich Klose
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Hoffmann, Paul Theodor: Der deutsche Geist nach 1806
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https://doi.org/10.11588/diglit.14376#0027

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das Mißverstehen heraus wie Pfitzners „Armer Heinrich", „Rose" und „Pale-
strina", wie Richard Straußens „Elektra"; wann werden wir nns im Lande
Schillers, Kleists nnd Webers zur Errichtung deutscher Bühnenhäuser auf-
raffen?). Da ist ferner die unbegreifliche Vernachlässigung der Tondichtung:
„Das Leben ein Traum" zu sühnen. Ihr mittlerer Teil, ein beseelter,
leidenschaftlicher Liebeshhmnus, gemahnt mit seinen weitgeschwungenen melo-
dischen Bögen an Bruckner, an das sehnsüchtig schwärmerische Sichaussingen im
zweiten Satz von Schumanns O-äur-Symphonie — kraftvolle Lcksätze, flotte
Scherzi geraten auch begabten Weltkindern, inhaltgesättigte Adagios nur den
Romantikern von Gottes Gnaden. Mit der Linführung der Sprechstimme
und des Melodramas gegen den Schluß hin hat man sich abzufinden wie mit
einer der genialen Frrungen des Hektor Berlioz. — Verstaubt liegt Kloses
„Messe" im Winkel, eine liebenswerte Frühschöpfung, wie die Messen Liszts
mehr „gebetet" als komponiert, von überquellender Erfindungsfrische, schier
epigrammatisch kurz in der Fassung ihrer tzauptabschnitte. Mit beiden HLnden
solltet Ihr darnach greifen, verehrte Taktstockschwinger! — Im Weiteren: wes-
halb gebt Ihr vor, Kloses „Wallfahrt nach Kevelaer", seinen „Fest-
gesang Neros" nicht zu kennen? Weil darin, neben hohen Eingebungen,
Problematisches aufklingt und befrerndet? Seht zu, wie Ihr es schmeidigt, flüssig
macht! Der rechte Dirigent muß mit zauberstarker Hand binden und lösen
können. Der mittelmäßige drückt sich auch am Problematischen in Bach, in
Beethoven — nur Mozart ist unproblematisch — gemütsruhig vorbei.

Endlich unseres Meisters jüngst ausgereifte Partitur: „Der Sonne-
Geist". Die Dichtung von Mombert im wesentlichen marklos, shmbolistisch
verschwommen, Bild an Bild stückelnd — hier verwässerter Franz von Assisi,
dort schwächlicher Nietzsche-Aufguß. Doch die Musik! Fraglos nicht im ver-
schwenderischen Künstlerlenz geschaffen, allein ein Wunüer der Architektur.
Durch diese Architektur das Vernebelte, Weichliche der Vorlage zusammenballend.
Ein schlagender Beweis dafür, daß dic leitmotivische, sich shmphonisch-dranratisch
auswirkende Technik Wagners und Liszts noch mannigfacher Weiterbildung
fähig ist, ja ein konstruktives Ergebnis von «bensolcher Formvollendung zu
zeitigen vermag wie nur je eine als klassisch abgestempelte Kompositionsweise.
Das Ganze: ein Landschaftsgemälde, in riesigen Abmessungen gehalten, wun-
derwürdig einheitlich stilisiert. Dabei von unsagbarem Reiz fülliger, vermit-
telnder, hingehauchter Farben, ineinandergestimmt durch Phantasie und Hand
eines, der, nur scheinbar raffiniert, in der Natur die zartesten Abergänge sieht.
Der ihr Kleinleben so hingebungfreudig in sich anfnimmt wie er ihr Toben
und Rasen als tragische Lrschütterung erlebt. Nichts Oberflächlicheres als die
Redensart, heutigestags instrumentiere jeder gut. Schön orchestrieren heißt
für Instrumente dichten. Der Musiker, denen wir dies nachzurühmen haben,
gibt es gegenwärtig drei oder vier. Alles andere ist Ausübung lleinkrämerischer
Geschicklichkeit, wenn nicht stammelnde Äbertragung aus dem Klavieristischen.

Führt Klose auf, macht ihn Euch zu eigen: Euer geistiger Besitz wird dann
um ein Ansehnliches gemehrt sein. Allerdings gilt für den Schüler Bruckners
Ahnliches wie für dcn großcn, aus dem edelsten Katholizismus hervorgewachsenen
Organisten. Wer nicht in Süddeutschland, in Ssterreich geboren wurde oder
sich dort nicht festwurzelte, wird sich nie ganz in ihn einfühlen. Mit essigsanrer
Logik kommt man ihm nicht bei. Mit stumpfem Anhimmeln cbensowenig.
Meisterkunst will cifervoll umworben sein. Von suchender Seele, von treu
dienendem Fleiß. Paul Marsop

Der deutsche Geist nach Mb

^^n diesen Tagen einer schicksalsschweren Wende ist oft an s806 erinnert
^t worden; meist mit dem bitteren Vergleich, daß uns durch W8 eiu
^Fähnliches Iahr beschert sei wie das von Iena und Auerstedt. Wer
jedoch dem Geiste von s806 nachgeht, sieht, daß der Vergleich auch seiu
 
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