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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,2.1919

DOI Heft:
Heft 8 (2. Januarheft 1919)
DOI Artikel:
Bohnstedt, Herbert: Karl Christian Planck: zu seinem 100. Geburtstage am 17. Januar 1919
DOI Artikel:
Krukenberg, Elsbeth: Wahlrecht und Wahlpflicht der Frau
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https://doi.org/10.11588/diglit.14376#0062

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bei ersiorbener Geistigkeit, in einer Veräußerlichung des menschlichen Stre-
bens vahinlebt, wo statt einer steigernden, lebendigen Gemeinsamkeit der
Geister Zurückhaltung und Scheu Platz gegriffen hat. „Nicht bloße Wissen-
schaft, sondern Leben in seinem höchsten, alle Gebiete menschlicher Bildung
umfassenden Sinne" soll in den Adern des Volkskörpers pulsen und die
sozialen Fragen ihrer glücklichsten Lösung entgegenführen. Gerade hierzu
hat Planck eine Fülle von fruchtbaren Anregungen gegeben, denn von
der Philosophie fordert er die tätigste Mitarbeit an einer „befriedigenden
Gestaltung der realen menschlichen Dinge".

Wenn wir zum Schlusse noch einmal das einheitlich geformte Weltbild
überfchauen, so muß es uns als ein eindringlicher Mahnruf zu einer
geistig-sittlichen Lebensgestaltung erscheinen. Wenn es uns die Kraft dazu
geben soll, so werden wir sie schöpfen müssen aus den Worten Plancks,
daß eigentlich die Liebe der schaffende Grund der Welt
ist, da ja die ursprüngliche ineinanderwirkende Gesamteinheit der Teile
das reine Vorbild der in freier Selbstheit sittlichen Liebe be-
deutet. Herbert Bohnstedt

Wahlrecht und Wahlpflicht der Frau

^^ber Nacht haben wir Frauen, nichts ahnend, das Wahlrecht be-
^ Rkommen. Mögen wir dazu gestanden haben, wie wir wollten: der
^B'Pflicht, es zu nutzen, können wir uns nicht mehr entziehen.

Verschiedenartige Gründe zwingen uns nun zur Wahlurne. Gleiche
Not, gleiche Sehnsucht, gleicher Glauben an eine durch sie selbst zu schaf-
fende bessere Zukunft verbindet Mann und Frau in den arbei-
tenden Klassen. Sie haben beide gespürt, was es heißt, Minder-
heit oder gar vollständig rechtlos zu sein im politischen Leben, ohne —
als Ausgleich — in ein annehmbares, mit Standesvorrechten geschmücktes
Milieu Hineingeboren zu sein, wie es den Frauen der wohlhabenden
Klassen das Fehlen politischer Rechte weit weniger empfindbar machte,
als der Arbeiterfrau. Einige Schlagworte mögen genügen, um das Ge-
meinschaftsinteresse des Arbeiters und der Arbeiterin der öffentlichen
Gesetzgebung gegenüber zu kennzeichnen: Erwerbslosenfürsorge, Schutz
gegen Unterkonkurrenz der Frauen, Reichswochenhilfe, Wohnungsreform,
gleiche Bildung, gleiche Entwicklungsmöglichkeit für alle Klassen des Vol-
kes, Regelung der Arbeitszeit, ausreichende Entlohnung des Mannes,
hauswirtschaftliche Schulung der Mädchen, Kampf gegen Alkoholelend und
Unsittlichkeit. Eine ganze Liste für beide Geschlechter gleich wichtiger
Fragen lsißt sich mühelos aufstellen. And die Arbeiterfrau steht auch
sonst dem öffentlichen Leben anders gegenüber, als die Frau der wohl-
habenden Kreise. Gewiß: auch sie ist politisch noch ungeschult. Aber der
harte Konkurrenzkampf wurde ihr nicht gespart. Sie hat es lernen müssen,
sich durchzusetzen, hat die Augen aufmachen und Fäuste und Ellenbogen
brauchen müssen, oft genau wie der Mann. So wird sie auch im politischen
Leben ihren Mann stehen, wird ihren männlichen Arbeitsgenossen treue
Gefolgschaft leisten. Die Frau des Proletariers wird der Wahlurne am
19- Ianuar sicher nicht fern geblieben sein.

Ebensowenig die berufstätige Frau. Sie weiß, daß sie als
Frau Sonderinteressen zu vertreten, weiß aber auch, daß sie mit ihrem
Berufsgenossen zusammen Gemeinschaftsfragen zu regeln haben wird. In
 
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