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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,2.1919

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Heft 9 (1. Februarheft 1919)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: An die Mitglieder der Nationalversammlung
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Fuchs, Emil: Das freie Volk und die Kirche
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https://doi.org/10.11588/diglit.14376#0082

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Es kann ja nicht sein, daß nnser altes deutsches Volk tot ist. Was
sich mit fünfzig Millionen Körpern und Seelen vier Iahre lang im
Kampfs und im Darben gegen die halbe Erds hielt, das lebt noch. Ich
für mein Teil fand, wenn mir's verloren schien, in Männer-, Frauen^
und Kinderaugen, fand in manchem Wort von „großen" und in manchem
von „kleinen" Leuten noch immer irgend ein Stückchen davon. Sehn Sie
nicht nur die Fehler, die heute geschehn, achten Sie darauf, ob nicht hinter
den Unwerten auch wieder Werte stehn. Auch die Werte dürfen uns
nirgendwo abhalten sogar vom vernichtenden Kampf, wo man etwa Sie
und dadurch uns alle am Auerläßlichsten behindern will, an der Aufbau-
Arbeit. Aber fie helfen uns, unser Volk wiederzufinden. Meine Herren
und Frauen, suchen Sie unter Ihnen, suchen Sie in jedem von sich das
deutsche Dolk. Was Sie da finden, wird Ihr Verbündeter, es wird bereit
und es wird fähig sein, zu schützen und endlich von innen her zu
baun. A

Das freie Volk und die Kirche*

i

ultusminister Adolf Hoffmann beabsichtigt, vom s. April sZjd ab dis
^2^Zahlung der Kultusgelder einzustellen, was natürlich zur Folge HLtte,
^^daß die Geistlichkeit, soweit sie in staatlichen Gebäuden wohnt, auch
diese verlassen müßte. Im Preußischen Kultusministerium wird ferner
der Gedanke erwogen, das Besitztum der Klöster zu säkularisieren. So
berichten die Zeitungen. Adolf tzoffmann auf den Bahnen Bismarcks
und die Belastung der Zukunft der dentschen Volksrepublik mit einem
Kulturkampf allerschwerster Art? Sollte das kommen? — Merkwürdig:
Adolf Hoffmann hat doch jenen alten verhängnisvollen Kulturkampf mit»
erlebt, hat erlebt, welche Stärkung der Kirche und welche Schwächung des
Staates daraus wurde, hat erlebt, wie der Liberalismus sich eine schwere
Wunde zuzog, da er versuchte, deutschen Menschenmassen etwas aus dem
tzerzen zu reißen, was noch lebendig in ihnen war. Glaubt der neue
preußische Kultusminister, daß Bismarck nur scheiterte, weil er die Sache
' nicht gründlich genug anfaßte, glaubt er ernstlich, daß man die Kirchen um
ihre Widerstandskraft bringen könne, wenn man ihnen die Geldmittel
entzieht? Glaubt er immer noch, daß alle Menschen zur Religion stün-
den, wie er, und daß man deshalb mit ihr umgehen könne, wie mit einer
Sache, die niemand liebt?

Trennung von Staat und Kirche wird kommen und muß
fein. Gut. Aber muß sie s o kommen, daß die Volkskreise, die dsn Kir-
chen anhängen, sich vergewaltigt fühlen? Was wäre die Folge? — Die
ganzs Kraft der kirchlichen Gemeinschaftsgefühle würde einen Bund mit
all dem Wünschen und Hoffen schließen, das sich in den alten monarchischen
und bürgerlichen Staat zurücksehnt. Bis in die Reihen der wärmsten An°
hänger des neuen Staates hinein würden die Seelen zwiespältig gemacht,
denn bis in die Reihen der begeisterten Republikaner und Sozialdemo-
kraten hinein haben die Kirchen Anhänger, die eine Vergewaltigung der
Kirchen als eine Vergewaltigung ihrer innern Werte empfinden würden. —
Dazu stünde mit einem Schlag das ganze Zentrum in scharfer Spposition
gegen die Regenten der Republik.

Während man so Staat und Staatsgesinnung schwächte, würde man

^ Abdruck infolge eines technischen Versehcns leider verspätet. K.-L.
 
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