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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,2.1919

DOI Heft:
Heft 8 (2. Januarheft 1919)
DOI Artikel:
Bonus, Arthur: Tragik
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https://doi.org/10.11588/diglit.14376#0054

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Tragik

ir leben zwrschen Hoffnung und Tragik. Ietzt möchte ich aus--
>> M Hdrücken, was ich als die dunkelste Tragik dieser Zeit empfinde.

Eine Reihe von Männern hat durch Iahrzehnte eine schwere
ernste Arbeit für das Volk getan. Anter einer volkfernen Obrigkeitregie-
rung, von ihr verfolgt, unter ihrem Linfluß von den herrschenden Schichten
geächtet und verhöhnt, bildeten sie in unermüdlicher Anstrengung die
Massen zum Nachdenken herauf, erzogen sie zu politischer Arbeit, ge-
wöhnten sie an Selbstzucht, organisierten sie. Kurzum: machten, daß im
Augenblick des Zusammenbruchs eine wohldurchorganisierte regierungs-
fähige besonnene Macht dastand, die die fallenden Zügel in voller Ruhe
ergreifen konnte.

Ein wundervoller Anstieg. Kaum etwas in der Geschichte, das sich
diesem sicheren sesten Schritt, diesem geschlossenen Anmarsch der Arbeiter-
bataillone zur Macht vergleichen könnte!

Von wo aus man es sieht, dies ist bewundernswert. And nun sind sie
am Ziele. Nichts trennt sie im Grunde mehr von ihrem Sieg. Dieser
selbe ruhige Schritt noch eine kurze Weile — das Bürgertum ist von der
Notwendigkeit der Sozialisierung überzeugt, selbst der Konservatismus
sindet seine sozialismusfreundliche Vergangenheit aus der Zeit um sSYO
zurück — ob die kommende Nationalversammlung eine sozialistische Mehr-
heit bekommt oder nicht: der Geist ist sozialisiert — da rollt eine Kleinig-
keit dazwischen, etwas vollkommen Nnwichtiges, aber mit Explosionsstoff
gefüllt — und alles steht in Frage. Was für eine Schöpfung, was für
eine Zukunft würde an ihrer Pforte gesprengt!

Worum handelt es sich?

Sowohl der Tscheche Masaryk als der Deutsche Nötzel stimmen in ihren
von gleich großer Liebe zum russischen Volk eingegebenen Schilderungen
russischer Verhältnisse vor der Revolution* darin überein, daß dieses geknech-
tete Volk eben um der Härte der Knechtung willen wohl fähig sei zu einer
Explosion, aber bis in seine intelligentesten Schichten hinein völlig unfähig
zu einem positiven Aufbau. Masaryk vergleicht insbesondere den russischen
Demokratismus und Sozialismus mit seinem deutschen Lehrer. Er kommt

* Masaryk, Soziologische Skizzen, Iena WZ; Nötzel, Die Grundlagen
des geistigcn Rußlands, ebenda Gib ^ das letztere Werk das schönere!

2. Fanuarheft IIIS (XXXII, 8)

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