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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,2.1919

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Heft 10 (2. Februarheft 1919)
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Walzel, Oskar: Nach Wilhelm Jordans hundertstem Geburtstag
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Gjellerup, Karl: Deutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.14376#0117

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roar es gegeberi, die wissenschaftliche Bürde, mit der er sich belud, künst--
lerisch zu durchdringen. Er hat darum nur selten das schlechtweg Be--
lehrende, das in Iordans Romanen uns heute ganz unerträglich ist.
Zola sah die Dinge mit dem Auge des Künstlers. Bei ihm werden künst-
lerische Erlebnisse zu Worten. Iordan vergaß die Sprachgewalt, die ihm
sonst gelegentlich zu Gebote stand, völlig, wenn er ins belehrende Schildern
geriet. An nordamerikanischL Landschaft, die er mit eigenen Augen ge-
sehen Hatte, wagen die „Sebalds" die Wendungen eines billigen Reise-
führers in die Sächsische Schweiz: „Dann glitten sie, angesichts der präch-
tigen Kaskaden und senkrechten Felskolosse des Posemitetales, im Nachen
über den »Spiegelsee«, der diese entzückend schöne Alpenlandschaft mit
einer Bildschärfe von überraschender Vollkommenheit verdoppelt." An
solchen Stellen läßt sich ermessen, wieviel für eine Höherentwicklung deutscher
Dichtung die Aufgabe bedeutete, die vom Naturalismus gestellt wurde:
nur eine gründliche Erneuerung des Sprachblutes, die für neuartige und
auf feine Unterschiede eingestellte Beobachtungen neue Worte suchte, konnte
solche abgenutzte und nichtssagende Schilderungen den Deutschen abge-
wöhnen.

Iordan wendete seine verblaßten Farben noch an Bilder, die innerhalb
seiner Schöpfungen an wichtigster Stelle stehen. Wie schäbig führt er
Kriemhild ein! Der „tugendreichen", „holden" Kriemhilde wird bei ihrem
ersten Auftreten ein anmutreiches rosiges Antlitz, ein feuriger Blick, blühende
Fülle des lieblichen Leibes und leuchtendes Goldhaar zugebilligt . . .

Klar enthullt sich, was nach Iordan von deutscher Eindruckskunst zu
leisten war. Sie gab die hohe Achtung nicht auf, die vor der Wissenschaft
und vor allem Erforschen Iordan hatte. Aber sie sah ein, daß Wissenschaft
nur dann die Dichtung beherrschen dürfe, wenn die Dichtung jede Be-
rührung mit der Form der Wissenschaft mied. Darum suchte sie nach einer
neuen saft lleren Sprache. Darum verbot sie dem Erzähler, in seinen
Bericht hin.mzureden. Eine ganze Menge von künstlerischen Vorschriften,
die um >900 der Dichtung sich ergaben, wurzeln lsdiglich in dem künst-
lerischen Bedürfnis, Dichtung auch noch dann von der Wissenschaft zu
trennen, wenn sie ihre Stofse im Sinn der Wissenschaft suchte. Was und
wie die Sinne des Menschen erkennen können, war um lLOO die Frage, an
Leren Lösung Kunst wie Wissenschaft arbeiteten. Ietzt setzt auf beiden Ge-
bieten eine andere Fragestellung ein. Die vielen Vorschriften der Ein-
druckskunst aber haben an Wert verloren, weil die Kunst überhaupt mit
Wissenschaft nicht länger wetteifern will. Die Gefahr, der einst Iordan
erlag, Lesteht heute darum nicht mehr. Kein Vertreter jüngster Kunst will
wissenschaftlich belehren, in der Meinung, daß auf solchem Wege Dichtung
erbracht werden könne.

Tresden Oskar Walzel

veutschlanö

jDie folgenben Verse srnö geschrieben in öer Silvesternacht 1918 von «inenr
„Auständer", einem „Nentralen", einem Dänen, von dein Nobelxreisträger
Aarl Gjellerux in deutscher Sxrache.j

as schrecklichste Iahr, das Deutschland gesehn —
ßn Bälöe wird es zur Rüste gehn . . .

M, blick nicht neugierig hin, 0 nirnnr
Aeinen Anteil jetzt, rvenn das neue Iahr
 
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