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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,2.1919

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Heft 10 (2. Februarheft 1919)
DOI Artikel:
Meinecke, Friedrich: Der nationale Gedanke: im alten und neuen Deutschland, [2]
DOI Artikel:
Walzel, Oskar: Nach Wilhelm Jordans hundertstem Geburtstag
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https://doi.org/10.11588/diglit.14376#0114

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Und das Deutscheste in unsrer Kunst und Dichtung ist ja nichts anderes
als der Widerschein unsrer Landschaft im Auge des Künstlers, — jene
ganz eigene Verbindung idyllischer Herzlichkeit mit aufstsigenden, über-
mächtigen Unendlichkeitsempfindungen, jenes wunderlich-gotifche Ineinan-
der von Engem und Weitem, Wurzelhaftem und Himmelstrebendem, tzei-
matsliebe und Weltbürgersinn, das uns auf den Kuppen unsrer Mittel-
gebirge mit ihren bescheidenen Höhen und weiten, ruhigen Blicken anf
Wälder und Stromtäler und friedliche Ebenen so verständlich wird, So
manchen von uns packt heute in unserm Elend eine Sehnsucht nach diesem
deutschesten Deutschland in Natur nnd Getst. Es geht eine regenerative
Kraft von ihm aus, es kann auch unserm nationalen Gedanken eine wär-
mere und tiefere Farbe wieder geben. Die Gefahr, daß wir darüber
wieder in träumerische Beschaulichkeit und politische Gleichgültigkeit ver-
sinken könnten, besteht wahrlich nicht, wo uns der Aufbau der Wirtschaft
und der Demokratie genug in Atem halten wird. Wenn es aber eine
deutsche, nationale Demokratie werden soll, muß sie auch diese Gemüts-
werte mit achten und pflegen und mtndestens auf diesem Gebiete den ein-
heitlichen Zusammenhang mit nnsrer Vergangenheit suchen. Hier wird
dann der Schule eine große Aufgabe erstehen, wie mir kürzlich der aus
Straßburg vertriebene Leiter des elsässischen Volksschulwesens entwickelte.
Wir verkennen dabei nicht die enormen Schwierigkeiten, die gerade dem
geschichtlichen und vaterländischen Teile des Schulunterrichts durch den
revolutionären Bruch mit unsrer politischen Vergangenheit erwachsen wer-
den. Und doch wäre es möglich, Liebe und Achtung für unsre Vergangen-
heit mit Vertrauen auf unsre demokratische Zukunft zu verbinden. Schon
Rhland zeigte einmal einen Weg von der nationalen Romantik zur Demo-
kratie.

Aber der revolutionäre Bruch in unsrer nationalpolitischen Entwicklnng
bleibt bestehen, — als schwerste der Wunden^ die unser nationaler Ge-
danke erlitten hat. Ich empfinde sie täglich und stündlich mit heißein
Schmerze und verstehe die Gefühle derer, die sie überhaupt für nnheilbar
halten. And so sehr es Pflicht ist, alles Wollen und Handeln jetzt den
neuen, uns so ganz ungewohnten nationalen Lebensformen zu widmen,
so wird doch kein bewußtes Wollen und Handeln den inneren Riß in uns
Lebenden je schließen. Aber das ist das Schicksal von Revolutionsgeschlech-
tern überhaupt. Sie müfsen es sich gefallen lassen, vom Weltenschicksal
zerspalten und zerrieben zu werden, um Raum nnd Stoff für den Aufbau
einer nenen Welt zu gewinnen. Wir haben so oft vom sicheren Parkett
aus Tragödien der Menschheit uns vorspielen lassen. Seien wir tapfer,
nun es uns zuteil wurde, an den tzaaren ergrisfen und auf die Bühne
geholt zu werden!

Berlin Friedrich Meinecke

Nach Wilhelm Iordans hundertstem Geburtstag

^^öllig vergangen ist die Zeit, in der, einem Sieger gleich, Wilhelm
^V HIordan als Rhapsode die Welt durchzog und seine „Nibelunge"
^^vortrug. Bis nach Nordamerika setzte er den Wanderstab, Fast
möchte uns Wehmut beschleichen, daß es so ganz anders geworden ist und
heute kein deutscher Dichter, und wäre er auch hundertmal ein echterer
Künstler, als Bringer deutscher Geistigkeit sich nach Amerika wagen dars.
Dabei war Iordan (das ist sein dauernder und unzerstörbarer Ruhmes-

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