Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,2.1919

DOI Heft:
Heft 7 (1. Januarheft 1919)
DOI Artikel:
Bonus, Arthur: Die rückflutende Welle
DOI Artikel:
Schumann, Wolfgang: Freie Kulturarbeit nach dem Kriege, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14376#0022

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
der rücklaufenden rnternatronalistischen Welle tverden zu wollen, die an
einzelnen Stellen bereits bis zur feigen Nichtswürdigkeit, ja bis zum
Volksverrat gedeihen zu wollen scheint.

Hier rnüssen alle Politiker einmütig zusammenstehen, um die polttische
Leidenschaft von der elenden Personenhetze einerseits, der törichten Radi°
kalitätssucht anderseits abzuziehen und auf die Dinge, Zustände, Möglich--
keiten hinzulenken. Vor allem auf die großen Grundvoraussetzungen alles
andern, die Reichseinheit und die Anfrechterhaltung unsrer Produktions--
fähigkeit, ob ste nun vorläufig bleiben muß, wie sie war, oder — was wir
begrüßen würden — weitgehend bereits jetzt sozialisiert werden kann.

Bonus

Freie Kulturarbeit nach dem Kriege

(Schlnß)

(^ie Voraussetzung des folg-enden ist also die: das „Volk" ist von der freien
-^Knlturarbeit bisher nicht ergriffen worden. Warnm nicht? Einmal, weil
die unentbehrliche Voraussetzung aller Knlturarbeit fehlte, das Vertrauen zu
den Führern. Das hatte natürlich politische Ursachen. Die Masse ist
mißtrauisch gegen alle und jede Ünternehmung solcher, welche trotz größtem
Wohlwollen und größter Geschicklichkeit sich doch grundsätzlich weigern, die poli-
tischen Forderungen der Masse so oder so anznnehmen und dies durch Taten
zu beweisen. Ausschlaggebend ist aber wohl das andre: das Volk war weder
„gebildet" genug, um nach den Früchten der Kulturarbeit allgemein und nach-
drücklich zu begehren, noch kaufkräftig genug, um mehr als einen Bruchtetl davon
sich aneignen zu können. Und endlich kommt hinzu, daß das „Angebot", wie
schon oben gesagt, an die Massen in keiner Weise „heran" kam. Was besagt
das für die Zukunft? Hier werden sich die Meinungen scharf scheiden. Die
einen werden sagen: also müssen wir unsre Arbeit für Volksbildung verzehn-
fachen, unser Ringen um Vertrauen verdoppeln, unser Angebot steigern. Was
dem, besonders dem dritten, entgegensteht, habe ich vorhin gesagt. Die andern
werden einsehen: ein bißchen „Neuorientierung" kann hier ebensowenig Wandel
schaffen wie die bestgemeinte Verzehnfachung aller Mühe. Es handelt sich
nm Neubau, nicht um Umbau, sofern wir nicht ein für allemal uns zu einer
mehr oder minder reinen „Bourgeosie"-Bewegung bekennen wollen.

Wie aber hat der solchermaßen grnndlegende Neubau der Kulturpolitik aus-
zusehen, wenn er Erfolg versprechen soll? Wir müssen einen Umweg einschlagen,
um hier eine Antwort zu finden. Was bisher dargelegt wurde, bedeutet soviel:
die Hauptmenge aller freien Kultnrarbeit war mit tausend unsichtbaren Fäden
verknotet mit dem Shstem der freien Willkürwirtschaft, wenn man
will: mit dem Kapitalismus; sie war ihr Kind so gut wie unsre Bücherproduk-
tion, unsre Theater, Eisenbahnen, Handels- und Verkehrsgewohnheiten. Damit
war sie aber auch ebenso tief verankert in den politischen Znständen der
letzten Iahrzehnte, denn diese „freie" Wirtschaft war ja nicht nach jeder Richtuug
hin frei; sie war frei nur so weit, wie lachende Erben alten Besitzes nnd eine
kleine Schar von Willensmächtigen, die um den Preis ihrer kultürlichen Höher-
bildung aus dem Strudel der Güter heraus sich Produktionsmittel zu erraffen
verstanden, mit diesen Mitteln innerhalb kaum fühlbarer Grenzen machen
konnten, was ihnen beliebte. Anfrei, eisenhart, folgerichtig nnd mit allen er-
denklichen Mitteln zu einem starren Shstem durchgebildet war sie jcdoch in ihrer
Gesamtstruktur. Ohne grundlegende Änderungen des Gesamtsystems steht eine
zwar ihren Trägern nach dnrch Erbgang und Aufstieg langsam wechselnde, der
Prozentzahl nach jedoch kaum veränderte Schicht von Besitzenden, gegenüber
einer gewaltigen, von Besitz und Kultur abgeschnittenen Masse. In der Klust
selbst „hing" sozusagen der „Mittelstand", den wir wegen seiner zahlenmäßigen
Geringfügigkest hier übergehen können und der den vorhin gezeichneten Gegen-
satz keineswegs zu „vermitteln", der ihn nur ein ganz klein wenig, an den extrem-
 
Annotationen