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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,2.1919

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Heft 12 (2. Märzheft 1919)
DOI Artikel:
Hoffmann, Paul Theodor: Geheimnisse der Gotik
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Ulbricht, Wilibald: Religionsunterricht in der Volksschule, 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.14376#0177

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kunsthistorische Künstlichkeit falsch angepaßt und verbildet hat. Schade, daß
ihn mitunter sein französisches Gefühl ungerecht gegen deutsche Kunst werden
läßt. So urteilt er über die Madonna Grünewalds, sie sei «nur eine biedere,
von Pökelfleisch genährte und vom Biergenuß aufgeschwemmte Deutsche",
und er wird blind gegen künstlerische Werte, die doch gerade bei der Ver--
kündigung von tiefstem Ringen eines Schasfenden zeugen, der Neues fühlt
und Neues erschaut. Im ganzen ist das Buch gerade wegen seines starken
Miterlebens wertvoll — die heutige Kunstbetrachtung kann von ihm lernen.

P. Th. Hoffmann

Religionsunterricht in der Volksschule. II

^vv^ie kann nun die religiöse Anlage des Kindes, die wir als den einen
^/^Hfesten Punkt in unsrer Betrachtung erkannten, zu jenem kraftvollen
religiösen Leben angefacht werden, das als „tiefstes und heiligstes
Lebiet" so wichtig ist?

Eins steht wohl fest: die Beantwortung dieser Frage darf weder mit den
Wünschen der politischen Parteien noch mit den Interessen der Kirche ver--
quickt werden. Wenn doch die Staatsmänner und die Kirchenherren end--
lich erkennen wollten, daß ihnen beiden am besten gedient ist, wenn die
Iugenderziehung auf allen Gebieten, also auch und vor allem auf dem
der religiösen Führung, völlig frei nach den in der Erziehungs-
Wissenschaft und der Erziehungs-Erfahrung selbst gewonnenen Grund--
sätzen aufgebaut wird!

Nns allen sind die Gesetze der material-- und technikgerechten Wertarbeit
bekannt. Sie gelten auch auf dem Gebiete der Bearbeitung des wertvollsten
Materials, das uns ward: der Kindesseele. Auch sie hat ihre Eigenart,
die bei ihrer Ausbildung unbedingt beachtet werden muß, wenn nicht
Stümper-Erziehungswerk entstehen soll. Nnd wenn nun, wie von Nrteils--
fähigen behauptet wird, in Deutschland das religiöse Leben — das Wort
„Leben" natürlich im höchsten Sinne gefaßt — tiefer steht als in sast allen
andern christlichen Ländern, so werden wir eine gewichtige Ursache dafür
darin sehen müssen, daß jene Gesetze bei dsr religiösen Erziehung unsrer
Fugend bisher nicht allenthalben in Geltung wareu. Wir haben gewiß
ebensoviel und mehr Religionsunterricht gehabt als anderswo, unsre Lehrer-
schaft hat es an Eifer und methodischer Bearbeitung dieses Feldes auch
nicht fehlen lassen, aber es konnte kein Erfolg blühen. Denn wie es
schlechterdings unmöglich ist, ein Menschenkind mit anorganischen Stoffen
körperlich zu ernähren, so ist's auch undenkbar, eine Kindesseele mit
Stoffen zum Wachstum zu bringen, die ihr noch wesensfremd sind.

Das Kind ist ein Wesen, dessen geistiges Wachstum auf Anschauung be°
ruht, desseu Willensäußerungen — je jünger das Kind, desto mehr — Aus-
flüsse von Gefühlen sind. Was nicht anschaubar ist, sinnlich oder geistig,
nährt es nicht; was kein Gefühl erweckt, bleibt ihm tot. Mit Gleichgültigkeit,
ja mit Widerwillen wendet sich die Kindesseele daher ab von allem Ab-
strakten, und kaum je werden Willensakte erregt durch nackte Lehre. tzaben
wir das bei der Auswahl der Stoffe des Religionsunterrichts stets be-
achtet? War's nicht schon ein recht bedenkliches Zeichen, daß wir oft
ernstlich grübeln mußten, wie wir diesen oder jenen Stoff „an das Kind
heranbringen" sollten? Nnd mußten nicht selbst die Besten gestehen, daß
es bei so manchem Stoffe trotz ernstesten Suchens unmöglich sei, die reli-
giöse Anlage zu befruchten? Wie schwer verkannten die das kindliche

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