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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,2.1919

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Heft 12 (2. Märzheft 1919)
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Avenarius, Ferdinand: Und wieder "Kunstwart"!
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Bonus, Arthur: Die andere Seite des Spartakus
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https://doi.org/10.11588/diglit.14376#0162

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Verlarvtem stammt, dann aber mit allen Waffen. Es sind ja nicht nur
Sterbeseufzer und Todeszuckungen um uns, es sind auch Geburtswehen
in der Welt — wundert uns ihre Schmerzhaftigkeit, wundert uns ihre
Gewaltsamkeit, wenn ein neues Menschen-Zeitalter sich gebären will?

Für den Kunstwart ist es ein stolzes Glücksgeschenk, das; er ein Menschen--
alter nach seiner Gründung auf einer Höhe mit so viel weiterem Rund-
blick steht. Wir wollen unsrer alten Gärten warten, und werden das bald
wieder besser können als lange, ihrer, aus denen so manches gekommen
ist, was jetzt auf manchen HLngen rings gedeiht. Aber was bedeuten die
gegen die großen Üuellgebiete des Lebens, aus denen zu ihnen und zu
uns und zu allem das Lebenswasssr fließt? Ein Ganzes ist unsre Kultur,
als einem Ganzen nur läßt sich ihr dienen, als Ganzes lebt sie zusammen-
wirkend in sich und bildet sie sich den Ausdruck, durch den wir ins Herz
der Gegenwart und der Ewigkeit sehn. Ihr werdet mit unsrer Arbeit,
Freunde, zunächst noch viel Nachsicht haben müssen, wie mit aller dsutschen
Arbeit in diesen Zeiten der schweren Not. Seht aber den Kreis von
Männern an, die uns die Hand zum Bunde gereicht haben — wo findet
ihr bessre? Ganz leicht werden sie's euch nicht machen, sie werden euch
nicht mit ihren Gedanken nach dem Munde reden und vortänzeln, daß ihr
vor allem einmal Beifall klatscht. Sie werden Arbeit und Willen von
euch verlangen. Sie werden weder den Widerspruch untereinander noch
den gegen euch, die Leser, scheuen. Denn wie der Einzelne seiner Sache
gewiß sein mag, für ihre Gemeinschaft gibt es keine Wahrheit, die fest-
steht, gibt es nur ein Verlangen und ein Suchen nach ihr und ein Nach-
prüfen vor dem Entschlusse zur Tat. Bauen aber wollen wir doch, schöpfe-
risch, denn wir alle mitsammen sind Deutsche. Bauen an dem Tempel,
in dem man die Wahrheit sucht. Die Wahrheit und die Schönheit, das
Glück und was all diese Wörter erst zu Worten macht: die vom Kultur-
willen beherrschte Einheit von Gehalt und Ausdruck, von Schein und Sein.

Wie lange ich persönlich dabei noch mithelfen kann, das weiß ich ja,
in meinem siebenten Lebensjahrzehnt, erst recht nicht. Aber noch kann
ich's. So biete ich den alten und neuen Freunden die Hand. Ietzt gilt's.
Ietzt in dieser Zeit nicht trotz alledem, sondern gerade deshalb!

Ferd. Avenarius

Die andere Seite des Spartakus

Spartakus macht es einem schwer, ihm gerecht zu werden. Aber ver-
F suchen müssen wir das doch. Nicht seinetwillen, sondern unsretwillen.

Vier Iahre Krieg haben ihn gelehrt, daß unter Nmständen alle Mittel
recht seien. Herstammen tut diese Ansicht freilich nicht erst aus dem Krieg,
sondern, wie der ganze Spartakus, aus Rußland. Dort war sie schon im
Frieden zu Haus — soweit es im zarischen Rußland Frieden gab, wo ein
jeder sich im Kriegszustand gegen eine unterdrückende Regierung fühlte.
Dementsprechend sind die Mittel des Spartakus unedel, gemein, ver-
brecherisch. Sie sind die eine Seite seines Wesens, die Außenseite, die
ins Auge fällt und bekanntNst. Was auf die Edleren wirkt, ist aber die
andere Seite, ist das Ziel, zu dem die Mittel führen sollen; und dies
Ziel ist das alte aller Schwärmer, das tausendjährige Reich, der Himmel
auf Erden. Friede, Glück, Wahrheit und alles Gute. Bellamys kom-
munistischer Tugendstaat.

Alle jene Mittel sind zerstörender Art. Aber das müssen sie nach dem
 
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