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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,2.1919

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Heft 12 (2. Märzheft 1919)
DOI Artikel:
Bonus, Arthur: Die andere Seite des Spartakus
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https://doi.org/10.11588/diglit.14376#0163

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Gedankengange des Spartakus auch sein: denn es ist alles fanl. Bis in
den Grund hinein faul. Es muß erst alles weg — tabula rasa und das
Nichts. Dann das Neue. In unbefleckter, durch keine alte Unreinlichkeit
mehr besudelter Klarheit und Wahrheit.

Dies ist freilich ein handgreiflicher Denkfehler. Äienn man die Men-
schen durch die angewandten Mittel erst bis in den Grund verderbt, zu
Lügnern, Räubern und Mördern gemacht hat, wie sollen sie der Baustoff
zu etwas Gutem, und gar zu Frieden und Verträglichkeit werden?

Aber Spartakus ist in der Tat kein Denken, sondern ein Glauben. Ein
Denken nur im Dienst eines Glaubens. Eines Glaubens, dem die Aber-
welt genommen ist. Und der deshalb das Unbedingte im Bedingten sucht.
Ich versuche deutlicher zu werden:

Wenn wir in politischen Versammlungen Redner der Unabhängigen
auftreten sehen und darauf achten, von woher der fanatische Beifall
kommt — es sind ja meist nur wenige, die aber Stimmaufwand für hundert
entfalten —, so wird man zweierlei beobachten können: bei den Rednern
die Note der Unbedingtheit, bei den Hörern und meist auch den
Rednern die Iugendlichkeit. Dies beides gehört aber auch zu-
sammen. Die Iugend ist die Zeit des Unbedingten. Und — um es
schlicht und deutlich zu sagen — das ist das Beste an der Iugend. Sie
kann sich noch opfern. Sie kann noch alles hergeben für das, was ihr
Wahrheit ist. Die Ersahrung ist noch nicht groß; aber auch die Verdorben-
heit und Abgestumpstheit noch nicht. Desto größer die Entzündbarkeit.
Es ist nicht von ungefähr, daß man sich sowohl Iohannes, als auch Iesus und
seine Iünger blutjung vorstellt.

Auch der unverhältnismäßige Prozentsatz, den die Iuden dieser Agita-
tion stellen, erklärt sich. Sie sind ja doch das Volk der Prophetie, das Volk,
das zuerst ein Unbedingtes in der Lebensführung anerkannte. Iahrhunderte
der Unterdrückung Haben diesem Unbedingten für sie die Richtung auf
Abstellung der tzerrschaft gegeben, der unterdrückenden und womöglich jeder.

Ursprünglich konnte sich dieser Trieb zum Unbedingten nach zwei Rich-
tungen wenden. Auf die Ausbildung der eigenen persönlichen Kräfte —
Fall der eigentlichen Religion — oder auf die Umbildung der äußeren
Verhältnisse — Fall des Sozialismus im weitesten Sinn. Religion und
Sozialismus können freundlich oder feindlich zueinander stehen. Eine
neu in die Welt tretende Religion wird zunächst alle Wucht ihrer Be-
geisterung nach innen richten und überzeugt sein, daß der innerlich auf
das Reich des Friedens, das Reich Gottes, gerichtete Wille die rechte
Auswirkung von selbst finden werde. Der Glaube allein entscheidet. Wo
er stark genug ist, quillt die Tat von selbst aus ihm (und das erst ist „Tat":
das Zusammensein äußerer Wirkungen mit innerer Äberzeugung). Dies
Umsetzen in die Tat kann auf zweierlei Wegen geschehen. Einmal: durch
Taten, wie eine Gesinnung sie aus dem Innenleben selber hervor-
gehen läßt. Solche Taten stehen dadurch, daß sie die Gesinnung üben,
auf dem Wege zum künftigen Reich. Nnd anderseits durch Taten, die
aus Begeisterung für das Endbild es von außen her ins Leben rufen «
wollen. Auch dies letztere, diese Umbildung von außen, pflegt von jeder
neuen Religion zunächst versucht zu werden. Nicht so oft von den Füh-
rern, die sich klarer sind, als von den Iüngern. Man kennt noch nicht die
Erdenschwere. Aber da alle Glut der Begeisterung nicht dem Bild des
Außeren gehört, sondern der Selbsterkenntnis des eigenen Inneren, so
 
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