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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,2.1919

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Heft 12 (2. Märzheft 1919)
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Bonus, Arthur: Die andere Seite des Spartakus
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https://doi.org/10.11588/diglit.14376#0164

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erstirbt jenes Beginnen von selbst und die eigentliche echte persönliche Tat
beherrscht alles. Das Zukunftbild wird Leitgedanke. Die Propaganda der
Tat des eignen Lebens und des sie erläuternden Worts tritt in den Mittel--
punkt. „Gebt doch dem Kaiser, was des Kaisers ist/ heißt es, „diese Dinge
sind ja gleichgültiges kommt aus anderes an: gebt Gott, was Gottes ist,
widmet euch der Arbeit an den persönlichen Kräften, die in euch sind."
Dies ist der ursprüngliche Sinn der berühmten Bibelstelle. Eben wenn
die innere Stellung der Menschen in Ordnung ist, wird die äußere folgen
können. Diese Lösung verzichtet sachlich nicht auf die Anderung der Ver--
hältnisse. Aber sie erwartet sie „von Gott" — eben aus dem Reich der
inneren Kräfte. Persönlich pflegen ihre Verkündiger dann „aus der Aot
eine Tugend zu machen", — welches eine sehr positive Arbeit ist: die
innere Äberwindung der äußeren Hindernisse. Sie erklären die ihnen
hinderlichen äußeren Verhältnisse für gleichgültig und bedenken sie mit
stiller, aber herzlicher Verachtung: „Ihr wisset, daß die Herrscher der Völker
sie vergewaltigen, und ihre Machthaber lassen sich »gnädige Herren« nennen.
Ihr aber nicht also! sondern, so jemand unter euch will gewaltig sein, der
sei euer Diener. Ilnd wer da will der Vornehmste sein, der sei euer
Knecht." (Lukas 22, 25, Matthäus 20, 26.) Luthers Schrift gegen den
„Hanswurst" von Braunschweig und sein Brief an seinen Kurfürsten: „Ich
acht', ich wollt Euer kurfürstliche Gnaden mehr schützen, denn sie mich
schützen könnte!" Die Welt überhaupt der äußeren Verhältnisse ist vom
Teufel beherrscht, von Luthers „Fürsten dieser Welt". Man muß sie
dulden und verachten.

So die Stellung der neuen Religionen zu der Ordnung der äußeren
Verhältnisse, die sie antreffen. Obwohl sie, wie man sieht, eine sehr
kritische ist, so verzichtet sie doch auf direkte Bekämpfung. Notgedrungen
und zugleich aus einem sehr weisen Instinkt: bei umgekehrtem Verhalten
würde die Idee selbst untergehen und es zu der Ausbildung der Kräste
nicht erst kommen, deren sie für ihre Amordnung der Verhältnisse bedarf.
Aber sie hat darin, daß sie „aus der Not eine Tugend" machte, doch auch
einen Keim des Verderbens in sich aufgenommen. Ilnter dem Anhauch
dieser „Tugend" wird bei den entfernteren Nachfolgern die ganze Stel-
lungnahme umgefühlt. Aus der verächtlichen Zulassung, die am Anfang
steht — sofern die rechtliche Ordnung des Staates immerhin eine Gehilfin
zum Guten ist —, entspinnt sich im Lauf der Zeit eine bejahende Ehrfurcht,
die anwächst bis zur Ausbildung einer neuen Staatsvergötterung, bis zur
Entstehung der Religion der „Gutgesinntheit" und der Kaisergeburtstags-
predigten. Außerordentlich charakteristisch für diese Wandlung ist der ver-
änderte Tonfall, mit dem die in ihrem ursprünglichen Sinne ja völlig klar--
liegenden Aussprüche der Bibel gelesen werden. Das verächtlichs: „Gebt
dem Manne doch das Teufelsgeld, das in seiner Wertlosigkeit gleichen
Wesens ist mit seiner ganzen Herrlichkeit!" wird zu einem begeisterten:
„Gebt unserm geliebten Herren die Ehre, die ihm als Beauftragten von
Gottes Gnaden und somit beinah Stellvertreter Gottes gebührt!" Und
die Worte von den Herrschern, die ihre Völker vergewaltigen, werden ver-
steckt oder müssen Ausnahmen betreffen.

Die ursprüngliche Stellung der Religiösen zu der Unbrüderlichkeit der
weltlichen Herrschaftsverhältnisse wandelt sich also in ihr Gegenteil. Die,
welche der ursprünglichen Losung näher geblieben sind, werdsn nun Ketzer
und Nnchristen. Sie sind es auch tatsächlich geworden. Die Religion ist
 
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