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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,2.1919

DOI Heft:
Heft 11 (1. Märzheft 1919)
DOI Artikel:
Ulbricht, Wilibald: Religionsunterricht in der Volksschule, 1
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Sanssouci als Nationaldenkmal?
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https://doi.org/10.11588/diglit.14376#0140

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mannigfaltige, aber zum mindesten fast allgemeine künstlerische Anlage
in der Menschheit leugnen, weil gerade sein Kind in den ersten Monaten
und Iahren nichts oder wenig davon spüren laßt?

Die Schule, in der im neuen Staate nun doch wohl die Kinder aller
Volkskreise den grundlegenden Unterricht auf allen Gebieten erhalten
sollen, hat alle Seiten des Kulturlebens zu berücksichtigen und alle
Anlagen des Kindes mit gleicher Liebe zu Pflegen. Sie darf auf keinen
Fall die religiöse Anlage unberücksichtigt lassen, die, richtig entwickelt, den
Menscheu innerlich unendlich bereichert, die ihn auch zum Sozialismus
im edelsten Sinne erst reif macht, die aber, falsch gerichtet, den Menschen
zur Gefahr für die Allgemeinheit macht. Der Staat würde sich selbst am
meisten schaden, der die Entwicklung der religiösen Kräfte uiederhalten
wollte. Er würde unbedingt an sich selbst erfahren, was die alte Gesell-
schaft erfahren mußte, als sie eine große Idee mit kleinlichen Mitteln und
unter Ausnutzung ihrer Gewalt erdrücken wollte: die Idee ging über den
Staat hinweg.

Weite Kreise der Lehrerschaft, bisher bedrückt von Gewissens-- und Glau-
bensnot, sehen diese Gefahren. Sie wollen nicht in neue innere Bedrängnis
kommen. Mögen einzelne unter ihnen, denen das Herz nicht brennt, bei--
seitetreten — weitaus die meisten würden nur gezwungen auf die reli-
giöse Führung der Iugend verzichten, durch die nach ihrer Meinung Kräfte
geweckt werden können und sollen, die „fürs Leben" wahrlich nicht weniger
nötig sind als jene, die im Rechnen oder in der Naturlehre lebendig werden.
Freilich: das dürfte wohl klar aus diesen Ausführungen hervorgehen:
eine bessere Form und ein höherer Geist muß es sein, der aus den neuen
Plänen sprechen sollte. Darüber im nächsten Heft.

Dresden Wilibald Nlbricht

SanSsouci als Nationaldenkmal?

Im 2. Ianuarhest von lyl2 schrieb ich zum Gedenktage an Friedrich den
Großen unter anderm im Kunstwart, was folgt:

ine Gravüre in diesem Heft zeigt nach Bernhard Mannfelds feiner
R^^Radierung das Gruftgewölbe der Potsdamer Garnisonkirche, in dem
» ^^neben dem Sarge von Friedrichs Vater sein eigner schlichter und
vornehm-schöner steht. Die Stätte ist nichts weniger als stimmunglos;
alle guten Geister des Altpreußentums summen von halbvergessenen Siegen
durch die alten Fahnen, zumal, wenn die Lebenden unter dieser Orgel in
Waffenröcken beten. Friedrich Wilhelm I. gehört hierher. Und Friedrich
der Große? Nun erinnert man sich daran, daß Friedrich hier gegen seinen
ausdrücklichen Willen beigesetzt ist. Daß er selbst dieses Preußentum, dem
er sein ganzes Leben in einer Pflichterfüllung ohnegleichen opferte, doch
nicht als sein letztes Wesen erschöpfend empfand, doch nicht als seines
»Herzens tzerz«, daß er nicht in Feindschaft gegen die Kirche, aber außer-
halb ihrer Mauern beigesetzt werden wollte. Auf Sanssouci, nuter der
Flora, »wenn ich dort bin, werde ich ohne Sorgen sein«. Mitten unter
den Gestaltungen seines Lebens, nahe seinem Arbeitszimmer nnd all den
Stätten des Verkehrs der ihm befreundeten Geister, nahe seiner Bilder-
galerie, umgeben wie von treuen Wächtern von seinen lieben Windspielen
voin Grün umfächelt, von Vögeln umsungen, über Potsdam und den märki-
schen Seen, und doch für sich, wie er gelebt.
 
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