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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,2.1919

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Heft 8 (2. Januarheft 1919)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14376#0076

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Hier und in ein-er ganzen Reihe ähn-
licher Fälle dürfte die Anffassung der
Pausen als motivischer Innenglieder
ein Stein im Wege sein, vor dem
Viele halt machen, weil es nicht jedem
gelingt, sich über das eine große Be-
denken hinwegzusetzen: was hätte
Beethoven selbst zu einer solchen Deu-
tung gesagt? iti.

Das Fürstenhaus werde Volkshaus!

Man schreibt uns:

^>ede Stadt der Zuknnft muß ihr
0„Volkshans" haben. Das Volks-
haus ist das Wahrzeichen der neuen
Zeit, wie es das Schloß, der Nach-
fahre der wohnhaften Burg, für das
Vergangene war. Was ein Volks-
haus sein soll, braucht an dieser Stelle
ja kaum gesagt zu werden, wo Theo-
dor Fischer zuerst um Volkshäuser
warb. Das Volkshaus ist mehr als das
„Klubhaus" des Volkcs. Es hat die
Heimstätte zu sein allen dsn freien
Bestrebungen, die vom Gesamtinteresse
des Volkes getragen wcrden. Eines
der ersten — vorbildlich in seiner Art
— ist in Iena von Professor Abbe
erbaut. Ihm wären schon viele in
anderen Städten gefolgt, hätten die
Mittel zur Verfügung gestanden, denn
ein solches Volkshaus muß ja mitten
in der Stadt gelegen sein; und es kann
nach seiner Bedeutung, wie nach seinem
äußeren Umfang nicht billig sein.
Macht die Stadtschlösser der
Fürsten zu Volkshäusern!

Sie liegen zentral. Sie enthalten
eine Fülle von Räumen jeder Art, von
der großen Wirtschaftsküche bis zum
Bibliotheksaal. Seine Stätte findct hier
zunächst das Volksbildungswe-
sen: Die Volkshochschule mit Hörsälen,
Experimentierräumen, Lesehalle, tzand-
bibliothek, Zeitschriftensaal. Im An-
schluß daran eine Kunstabteilung, die
in geeigneten Räumen allcn Kunstaus-
stellungen kostenloses Ausstellungsrecht
gibt, sowie Atelierräume für unbemit-
telte und fähige Künstler zur Vcrsügung
hält. Stimmungsvolle Säle kleinerer
und mittlerer Größe für künstlerische
Darbietungen jeder Art sind in jedem
größersn Schloß vorhanden. Damit
wird das Volkshaus zur klassischen
Stätte der Volksbildung.

Im Mittelpunkt eines zweiten Auf-

gabenkreises steht nach dem Vorbild
des Ienaer Volkshauses der große
Saalbau. Mit Orgel, großer Lhorbühne
und Nebenräumen ausgestaltet, dient
er ebensowohl der künstlerischen Dar-
bietung großen Stils, wie der politi-
schen Massenversammlung, den Kon-
gressen und den Volksfesten. Der
Saalbau nimmt das öffentliche
Leben des Volkes auf, soweit es
sich in freien Formen zu äußern ver-
mag. tzierher gehört auch noch die
Tätigkeit aller Vereine und Einrich-
tungen, die für die allgemeine Wohl-
fahrtspflege wirken. Sie finden hier
die geeigneten Räume für ihre Schreib-
stuben und für ihre Sprechstunden.

Das Schloß als Volkshaus bringt
endlich noch einer dritten Aufgabe ihre
Erfüllung. Die Körperkultur
wird in der Zukunft von einer Bedeu-
tung sein, wie die Gymnastik im alten
tzellas. Diesem Zweck siird die Schloß-
gärten in großzügiger Weise dienst-
bar zu machen durch Einrichtung von
Sportplätzen für Leibesübungen jeder
Art. Diese Gärten, die zum Teil in
den Städten selbst, zum Teil als Parks
doch in großer Nähs liegen, könnten
jedermann Gelegenheit bieten, gewohn-
heitsmäßig nach der täglichen Arbeit
noch etwas LPort zu treiben. Durch
sie könnte die Körperkultur nationale
Bedeutung bekommen. Auch könnte
man diesen Anlagen eine Naturbühne
mit Festwiese einfügen.

Die Fürsten sind gegangen. Fetzt
tritt das Volk an ihren Platz. Noch-
mals: Baut die Schlösser zu Volks-
HLusern um. Paul Schütz

Nur wollen wir diese Aufgaben
nicht für ganz einfach Halten. Schon
die Rechtsverhältnisse liegen trotz allem
„Rechte der Revolution" nicht überall
einfach, was auch revolutionäre Re-
gierungen anerkennen. Dann: die
Schlösser und ihre Einrichtungen bilden
zu großem Teil künstlerische und kultur-
historische Werte, die den tzeimatschutz,
aber nicht nur den Heimatschutz an-
gehen. Wir erinnern daran nicht etwa,
um dem Verfasser zu widersprechen,
vielmehr: auch unserer Meinung nach
sind die Schlösser die gegebenen Stütz-
punkte der großen Volkshaus-Bewe-
gung, die nun hoffentlich ins Wirken
kommt.

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