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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,2.1919

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Heft 11 (1. Märzheft 1919)
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Spranger, Eduard: Treue gegen Wahrheiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.14376#0131

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hert. In der unsäglichen Qnal langer Tage haben wir diesen StandPunkL
immer wieder durchkämpfen und gegen uns selbst verteidigen müssen.
In unserm Innern ist dieser Krieg etwas wie ein Glaubenskrieg gewesen.
Wir haben ihm Opfer gebracht, wie man sie nur für Göttliches zu bringen
vermag.

Aud nun? „Der Krieg ist verloren, also war der Krieg Irrtum", so
sagen viele. And manche sagen: „Also war er Schuld." Ganz wenige
aber ringen noch schweigend, weil sie den inneren Zusammenhang nicht
finden können zwischen dem, was sie geglaubt haben, und dem, was sie
nun glauben sollen. Vielleicht haben sie auch einen Menschen dahin--
geben müssen, der sich mit jugendlichem Entzücken sür sein Ideal geopfert
hat. War die Schar der singenden Freiwilligen von einem Wahn be-
tört, vder von einer Schau begeistert?

Ich schäme mich der Frage, indem ich sie hinschreibe. Ich schäme mich
für das deutsche Volk. Ist es noch dasselbe, das so unvergleichlichen
Heroismus aufgebracht hat? Wie konnte es so zusammenbrechen? Sollte
Kleist in seinem Prinzen von Homburg einen verborgenen Zug der deut-
schen Seele ahnungsvoll geschaut haben?

^,Doch so zerinalmt, so fassungslos, so ganz
Anheldenmütig träfe mich der Tod
In eines scheußlichen Leun Gestalt nicht an."

Hier liegt eine Antreue am eignen Wefen, ein Verleugnen alter Wahr-
heit vor, und fchon an diesem inneren Bruch müßten wir zugrunde gehen,
wenn er unheilbar wäre.

Zwei Wege gibt es, die aus diesem Wirrsal führen. Der eine führt ganz
in die schweigende Tiefe. Gewiß, das Schicksal hat unserm Kriege nicht
recht gegeben. Aber Gottes Gerichte liegen nicht so im äußeren Verlauf.
SHon die Weltgefchichte mißt nicht nach fünf Iahren, wenn sie große Ge-
gensätze miteinander in Kampf geraten läßt. Aber Gott kann auch mit
dem Besiegten sein. Er ist es, wenn der Äberwundene in seinem Innern
unbezwungen bleibt, wenn er den Glauben an sich selbst behält und seine
Sache. Denn so ist es nicht einmal in der kleinen Welt des Einzellebens,
daß der Gerechte äußerlich triumphiert. Die Weltgeschichte in ihrer
Lußeren Verknüpfung ist nicht das Weltgerichte. Wie man
noch in der Vernichtung jubeln kann, so gibt es einen Glauben, der im
Zusammenbruch den Stolz bewahrt. Ein solches Leid gebietet Ehrfurcht
auch dem Gegner. Die Vergötterung der äußeren Tatsachen ist in Wahr-
heit tiefste Irreligiosität.

Die Mehrheit unsres Bolkes hat diesen Glauben und diese Größe nicht
aufbringen können. Es wäre uns ein zweiter Weg geblieben.

Der Mensch hat das Recht, durch Kämpfe zu neuen Wahrheiten empor-
zusteigen. Er hat es doppelt, wenn die Welt ringsum sich wandelt. Viel--
leicht ist unter diesen Stürmen eine Weltepoche abgelaufen. Vielleicht
kommt der sozialistische Staat nach innen, der alle zu friedlicher Arbeit
unter gleichen Rechten bindet, und vielleicht erwächst aus diesem Meer
von Blut ein Bund der Völker, in dem der Rechtsgedanke auch nach
außen siegreich wird. Aus dem Schoß des Krieges blühte dann ein Neues,
Angeahntes auf. And wir alle müßten in diese veränderte Welt mit
unsern geistigen Energien Hineinwachsen. Aber kein Gott kann von uns
fordern, daß wir unsre Vergangenheit verleugnen. Auch hier sind Götterl
Der Krieg, den wir geführt haben, war seiner inneren Wurzel nach ein

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