Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 11.1866

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13558#0177

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
163

Korrespondenzen.

rag, Anfang Mai. (Kunstvereins-Ausstellung.
Forts.) Die Prager Maler fasse ich in eine beson-
dere Gruppe zusammen, weil sie im Gebiete der Kunst
fast ebenso abgeschlossen dastehen, wie auf dem des Lebens.
Der Mehrzahl nach sind sie, Treibhauspflanzen ähnlich,
in der Prager sogenannten „Akademie" herangewachsen,
wo ihnen gerade nur so viel Licht und Luft zukam, als dem diri-
girenden Machthaber beliebte, nur so viel Entwickelungsraum ge-
stattet war, als sich eben mit den akademischen Maaßregeln vertrug.

Diese Prager Akademie ist eins der kümmerlichsten dieser In-
stitute. Zu Anfang des Jahrhunderts durch kunstsinnige Cavaliere als
Zeichnenschule gegründet und unter die Leitung des ganz tüchtigen
Joseph Bergler aus Salzburg gestellt, wurde sie erst 1837 unter
Direktor Kadlik zur Malerschule mit eingerichtet; er starb jedoch,
bevor er noch die mit ebenso großer Liebe wie Verständniß 'ange-
bahnte Reform durchführen konnte. Ihm folgte 1841 Rüben, der
sie dahin fortsetzte, daß er Maler-Ateliers für gemeinsame Arbeiten
einrichtete und Bestellungen vermittelte. Dieser qua«, Meisterschule
fehlte nun weiter nichts als entweder das nöthige Bildungsmaterial
oder tüchtige, rührig schaffende und dadurch bildende Meister. Für
Ersteres wurde indeß über die „Gliederpuppe", etwas Kostüm- und
Modellstudien hinaus nicht gesorgt; an den Meistern mangelte es
außer Rüben, der außerdem vielfach administrativ beschäftigt war
und sich deshalb meist konsultativ verhielt, gänzlich. So mußten
die jungen Künstler immer und immer wieder auf eigene Faust hin
probiren und auf's Gerathewohl experimentiren: besonders im Fache
der Historienmalerei. Für die Landschaft war unter Rüben
Max Haushofer aus München als Professor berufen worden;
der zwar auch nur wie ein behandelnder Arzt zu seinen Schülern
kam uud Recepte sprach, gleichwohl aber vermöge seiner Produktivi-
tät in Ausstellungsbildern eine bestünmte Richtung für Naturauffaffung
und Malweise gab, deren Eigenthümlichkeit auch fortan die Richtung
in den Bildern dieser Schüler bestimmte.

Einen solchen gemeinsamen Zug nahmen zwar unwillkürlich auch
die Bilder der übrigen Schüler, Historienmaler genannt, an, den der
Empirie nämlich, des Suchens nach Farbe und Vortrag, der müh-
seligen Anstrengung um Beherrschung und Durchgeistigung der Tech-
nik — wofür der leitende Meister eben fehlte.

Dem Nachfolger Ruben's im Directionsamte, Ed. Engerth,
ist wohl nachzusagen, daß er rührig war und mit eigener, bedeu-
tender technischer Fertigkeit Vieles und Allerlei in der Profan- wie
Kirchenmalerei, besonders aber im Portraitfache leistete. Daß er indeß
dadurch auf die Schule auch besonders anregend gewirkt habe, ist aller-
dings nicht zu behaupten. — Sei es, daß ihm die Lehrer-Eigenschaft
abging, oder daß die innern Mängel der Schule überhaupt je länger
je mehr zum Bewußtsein kamen, sein Einfluß blieb fast gleich Null,
ja gerade die talentvollsten Kunstjünger vertauschten Prag mit anderen
Kunstschulen.

Diese Momente gilt es in Mitrcchnung zu bringen bei der
Beurtheilung der in der Ausstellung befindlichen Werke Prager Künst-
ler — von denen die überwiegende Zahl als Schüler der hiesigen
Akademie zu bezeichnen sind. In dieser Rücksicht wird denn auch
das Bild von Franz Cz ermak, das eine „Scene nach der Schlacht
am weißen Berge" gicbt — indem es nämlich darstellt, wie die Fa-
milien der Verurtheilten an die Pforte des Gerichtssaalcs am altstädter
Rathhause herandrängen, um Gnade für sie zu erflehen — weniger
zu tadeln sein, weil das Tadelnswerthe darin zumeist der Schule
angchört. Was der Künstler seinem eigenen guten Willen verdankt,
sind einzelne gut charakterisirte Köpfe und mancherlei vorzüglich ge-

maltes Detail. Im Ganzen vergriffen erscheint aber die Anordnung
der Komposition dadurch, daß die Pforte waagerecht in die Mitte des
Bildes gestellt ist; die sich dahin drängenden Gruppen stehen also
zumeist rücklings abgewendet, oder in die Prosilstellung gezwungen,
wodurch eine vorherrschende Ueberfülle von Gewandung entsteht, die
weder durch interessante Motive noch durch harmonisches Kolorit für
den Mangel an geistiger Charakteristik entschädigt.

Eines der wunderlichsten Produkte der akademischen Gliedermann-
Disciplin bleibt — hoffentlich auf lange Zeit — Zawurek's
„König Lear". Die Darstellung ist der zweiten Scene des dritten
Aktes bei Shakespeare entnommen, in welcher Lear, in Gesellschaft
des Narren, den Donner zur Weltvernichtung anruft. Liegt diese
Scene an sich schon an der äußersten Grenze des bildlich Darstell-
baren, so bleibt es geradezu unbegreiflich, wie sich einer diese Auf-
gabe so ganz ungenirt mittelst des Gliedermannes zurechtlcgen könne
— wie es in diesem Zawurek'scheu Bilde der Fall ist. Diese aller
menschlichen Gliederung entbehrende, die geballten Fäuste nach ab-
wärts, den mit Werg bebarteten Kopf nach aufwärts reckende, die
Füße steifauseinanderspreizende Figur hat ebenso wenig einen Zoll von
einem Könige, wie die kaffeeschwesterlich dreinschauende, zu Boden
gehockte Gestalt irgend Etwas von König Lear's Narren.

Gleich vergriffen in der Auffassung und gleichen Ungeschicks in
der -Technik ist das in großen Dimensionen ausgeführte Bild von
B. Seiburger „Leukothea erscheint dem schiffbrüchigen Odysseus".
Hätte der Maler etwa die Absicht gehabt, den Frommen wie Nicht-
frommen das Nackte zu verleiden? Dies könnte durch das
Bild in der That erreicht werden. Zwei Portraits desselben Künstlers
sind dagegen anerkennenswerthe Studien.— Die von Viktor Schu-
bert, einem in Rom weilenden Präger Akademieschüler ausgestellten
diversen Bilder erscheinen sehr dilettantisch; das bedenklichste davon
ist eine aus allerlei Plagiaten zusammengestoppelte „Walpurgisnacht".

(Schluß folgt.)

^Wien, Mitte Mai. (Maiausstellung des österr. Kunst-
vercins. — Ausstellung des älteren Kunstvereins. Schluß.)
Ehe ich auf die Ausstellung des älteren Kunstvereins übergehe, fühle
ich mich veranlaßt, eine schon mehrmals unterdrückte Bemerkung
in Betreff des monatlichen Ausstellungskatalogs des öster-
reichischen Kunstvereins zu machen, oder vielmehr zwei. Erstens näm-
lich ist der Preis von 10 Kr. für ein gedrucktes Quartblatt ganz
unvcrhältnißmäßig hoch, wenn man bedenkt, daß der Katalog des
pariser Salon, der einen starken Oktavband bildet, 1 Franken, d. h.
etwa nur das Doppelte kostet, während er das Hundertfache an In-
halt liefert. Ich bin, und mit mir sehr Biele, der Ansicht, daß drei
höchstens vier Kreuzer völlig genügten. Zweitens ist die Anordnung
des Katalogs eine ganz regellose und willkürliche. Nicht einmal das
erste Erforderniß, daß die Werke eines und desselben Künstlers hinter
einander angeführt sind, ist erfüllt. So findet sich z. B. Seelos
unter Nr. 3 und 21 (auf der ersten Seite), dann unter Nr. 46 auf
der zweiten Seite und endlich Nr. 65 aus der dritten, ohne daß die
betreffenden Werke verschiedenen Gebieten angehören. Ed. Hilde-
brandt's beide Bilder, die doch gewiß zusammen an den Kunst-
verein kamen, sind das eine unter Nr. 77, das andere unter Nr. 99
verzeichnet. Dieses Durchcinanderwürscln macht den Gebrauch des
Katalogs sehr ermüdend. Warum ordnet man die Namen nicht
nach den Anfangsbuchstaben oder doch wenigstens nach den Knn>t-
gcbicten: a. Historie, b. Genre, c. Landschaft, d. Thiergemälde,
e. Stillleben u. s. f.? Irgend ein Princip muß doch am. Ende
Geltung haben; das beste wäre schon die alphabetische Reihenfolge.
Hoffentlich wird der Vorstand diesem nicht vereinzelten Wunsch, dem
 
Annotationen