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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 29.1911-1912

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Brinckmann, A. E.: Raumbildung in der Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7012#0072

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Raumbildung in der Baukunst.

professor emaimuel von sei dl.

Landhaus Tappeiner in Murnau.

im Grunde bekannt, doch beherrschen diese
Kunst unter unseren Architekten nicht gerade
viele, und der Nichtarchitekt ahnt nur selten
die Bewertung eines Grundrisses nach diesem
Gesichtspunkt. Die höhere Art des architek-
tonischen Gestaltens rechnete stets auf die
Fähigkeit, eine Folge räumlicher Eindrücke ver-
binden und aus der Gesamtwirkung heraus die
Einzelheiten beurteilen zu können.

Die Beurteilung der architektonischen Lei-
stung als Raumdarstellung, wobei alle plastische
Durchgliederung der raumumschließenden Ma-
terie nur die Aufgabe hat, diese Darstellung zu
verdeutlichen und ihre Aufnahme zu erleichtern,
gilt auch für die letzte Einheit allen architek-
tonischen Gestaltens: den Stadtbau. So können
wir z. B. einen Baublock, d. h. das mit Häusern
bebaute und von Straßen umgebene Grundstück
plastisch durchgliedern und werden dann zu
einer lockeren, malerischen Gruppierungsart
der einzelnen Häuser, zu Versetzungen der
Fluchtlinie, zur Auflockerung der Dachsilhouette
kommen, die das stärkste Mittel sind, die Auf-
merksamkeit auf die Plastik des Blocks zu
konzentrieren. Wir können aber auch Straßen
und Plätze einer Stadt als Raumgebilde, nicht
als nur unbebaute Stellen betrachten, mit denen

wechselreiche Raumeindrücke zu gestalten sind.
Die Blockfront wird dann ein raumbildendes
Element im Stadtbau, und aus dieser Bestim-
mung resultiert ihre Formgebung. Nur neben-
bei — Verfasser hat dies in einem kürzlich
erschienenen Buch „Deutsche Stadtbaukunst
in der Vergangenheit" nachgewiesen — sei
erwähnt, daß man von der mittelalterlichen
Stadt bis zu der des 18. Jahrhunderts ein kon-
sequentes Bestreben verfolgen kann, die Plastik
des Haus- und Baublockkubus zu Gunsten der
Straßen und Plätze als räumlich wirksame Ge-
bilde zu beschränken. Und es dürfte wohl die
höhere Form stadtbaulichen Gestaltens sein,
Straßen und Plätze als positive Gebilde aufzu-
fassen, sie als bestimmt begrenzte Luftvolumina,
statt als formlose Reste zwischen einzelnen
Baublöcken zu geben, sie in gute Größenver-
hältnisse zueinander zu setzen, endlich sogar
rhythmische Funktionen in ihrer Raummasse
zum Ausdruck zu bringen. Damit wirkt die
Stadtbaukunst am unmittelbarsten auf den Be-
wohner einer Stadt, denn dessen eigene Kör-
perlichkeit, die Basis jeglichen räumlichen Emp-
findens, wird, sich selbst bewegend, in diese
rhythmische Bewegung hineingezogen; Fröhlich-
keit und Stolz und Kraft erfüllen sie. a. e. b.

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