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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 29.1911-1912

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Michel, Wilhelm: Neue Gemälde von Walther Püttner
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https://doi.org/10.11588/diglit.7012#0228

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Gemälde von Walther Püttner.

WALTHER PÜTTNER MÜNCHEN. »Soldaten«. Besitz der Kgl. Pinakothek-München.

bige Welt ist ausgesprochen kühl und männlich.
Es scheint, daß das Blau der bayrischen Uni-
formen ihm nicht ein zufälliger Stoff war, son-
dern daß es aus inneren Gründen den Schlüssel
zu seinen farbigen Synthesen bildet. Man be-
merkt bei Püttner nicht das Bestreben, sich
farbig reizvolle Objekte zu stellen, durch bunte
Stoffe und koloristisch gewählte Stilleben-
arrangements schon das Motiv zu einem ge-
schmackvollen Farbenbukett auszugestalten.
Er nimmt die Wirklichkeit so ziemlich, wie sie
sich ihm gibt, und deutet als echter Maler den
koloristischen Reiz freischaffend aus ihr heraus.

Sehr bezeichnend für seine ganze beschei-
dene, tüchtige und männliche Art ist seine Ab-
neigung gegen lebhafte dramatische Kämpfe
zwischen Licht und Schatten. Man begegnet
in seinen Bildern stets dem kühlen, ruhigen
Binnenlichte, das vornehm und gelassen Ton
an Ton reiht. Was an ruhigem Eigenleben der
Farbe im Motiv steckt, das holt Püttner mit
großer Sicherheit der Hand heraus. Man sieht
die Farben bei ihm so klar und edel wie bei
völlig zerstreutem Lichte.

Mit der ganzen Art seiner Begabung ist
Püttner hervorragend dazu geeignet, mensch-
liche Form zu deuten. Vielleicht kommt er als
eigentlicher Porträtist nicht so sehr in Betracht,
weil ihm im ganzen die Geistigkeit und der
Sinn für außersinnliche Werte, wie Seele und
Charakter, abgeht. Aber was am Menschen
reine, gewissermaßen stillebenhafte Form ist,
findet heute in ihm einen im höchsten Grade
berufenen Interpreten. Es geht ihm in dieser
Hinsicht ähnlich wie dem späteren Trübner,
der uns menschliche Form, auch die des Ge-
sichtes, durchaus als etwas Sinnliches, Stilleben-
haftes zu fühlen gibt, gewissermaßen heute
noch unter der Gegenwirkung gegen die depla-
zierte Geistigkeit stehend, vor der sich die
echten Malertemperamente vor etlichen Lustren
einen tiefen Abscheu holten. Es ist keine
Frage, daß Püttner ein Porträtist von hohem
Range wäre, wenn er den Sinn für das Seelische
besäße. Aber da er zwischen Sinnlichem und
Seelischem wählen mußte, hat er gut getan, sich
für das Sinnliche zu entscheiden, das immerhin
die Grundlage für alle Erscheinung bildet, w. m.

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