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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 57.1925-1926

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Corwegh, Robert: Jan Mankes: 15. August 1889 bis 1923. April 1920
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R., K. H.: Vom Alter des Genies
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https://doi.org/10.11588/diglit.9180#0058

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Jan Alankes.

ihm, wenn er sie nur so, wie er wünschte, dar-
zustellen vermöchte. Das folgende Jahr brachte
mit einer Ausstellung in dem Larenschen Kunst-
handel zu Amsterdam einen vollen Erfolg. Alle
ausgestellten Werke wurden verkauft. So kam
Mankes in die Lage sich eine Presse anzuschaf-
fen. 1913 stellte er in München im Glaspalast
aus, und das eingesandte Werk wurde einer Ab-
bildung im Katalog gewürdigt. Im gleichen Jahr
begann er, nachdem er die Radierung in Ätz-
technik geübt hatte, mit Holzschneiden. Trotz
der Erfolge hat sich in seiner bescheidenen
Lebensführung nichts geändert. In seinem Atelier
diente ein alter Waschtisch als Schreibpult. Nur
das Getier hatte sich um seltene Gäste, wie eine
Eule und weiße Mäuse vermehrt. Wenn man
ihn auf die Dürftigkeit seiner Umgebung hinwies,
erhielt man zur Antwort: Die Schönheit muß in
den Gemälden sitzen, nicht im Atelier.

Damals las er die Briefe von Vincent van Gogh
mit stets steigender Begeisterung. Er schrieb
darüber: „Vincent nachfolgen und von Geist
kein Vincent sein, ist unsinnig." oder „Das
Geistige ist die Hauptsache in Vincents Werk
und diesem ist das Malerische unterstellt. Das
geht nicht anders. Niemand kann zwei Herren
dienen." Der Weltkrieg schlug nun in sein Leben
ein. Auch Holland mußte ihm Rechnung tragen
und vollzog die große Mobilisation. Mankes war
Kriegsgegner aus tiefster sittlicher Überzeugung.
Er war fest entschlossen, im Fall der Einziehung,
jeden Waffendienst zu verweigern. Damals schuf

er, um sein Denken zu beruhigen, unter schweren
inneren Qualen an seinem im Format größten
Gemälde, dem alten Gärtner. Das Modell war
ein alter Mann des Dorfes. Im Oktober 1914
verlobte er sich. Seine Braut war Geistliche des
Ortes. Der Tod seines Freundes, des Kunst-
händlers Schüller traf ihn schwer. Nach der
Verheiratung (1915) beginnt das Leiden Schat-
ten auf sein Glück zu werfen. Dennoch sind die
Jahre in Eerbeck, das Leben in den Dünen von
Kootwijk für ihn erfüllt von Glück und neuen
Schaffensplänen. Freilich leidet er nicht nur
seelisch an dem nicht endenwollendenWeltkrieg,
auch die materielle Not tritt an ihn heran. Vor
Kohlenmangel kann er im Winter 1917 kaum
schaffen. Als sein Sohn im März 1918 geboren
wurde, meldeten sich die Vorzeichen seines
Siechtums stärker. Eine schwere Grippe warf
ihn Ende 1918 ganz danieder. Er hat bis zu
seinem Tod das Bett nicht mehr verlassen. Auf
der Kante der Bettstatt saß eine lahme Krähe
neben ihm, die er oft zeichnete. Langsam ver-
losch seine Lebenskraft. Er hat ohne Klagen
gelitten und ist still aus dem Leben gegangen.

Das ist der äußere Rahmen von Jan Mankes
Sein, das er mit wundervollen Zeugen seiner
Kunst erfüllt hat. Ein Vollendeter konnte er
freilich weder nach seinem Studiengang noch in
der Kürze seines Schaffens werden. Dennoch
spiegelt sich in seiner Kunst die zarte, doch so
tiefe Seele eines Mannes, der zu Großem be-
rufen War............ DR. ROBERT CORWEGH.

VOM ALTER DES GENIES.

Anatole France sagt einmal in der „Blütezeit
L des Lebens": „Während das Alter den ge-
wöhnlichen Sterblichen zur Last wird, umgibt
es die Genies mit einem Strahlenkranze". In
der Tat ist es eines der unbegreiflichsten Wun-
der der Kunst, welche Gipfelwerke von den
großen Meistern im höchsten Alter geschaffen
worden sind. Man denke bei den Musikern
an den alten Verdi, bei den Dichtern an den
alten Goethe, Hamsun oder France, bei den
Malern an den alten Tizian, Rembrandt, Renoir,
Corinth. Es ist ein durchgängiges Phänomen,
was man dabei beobachten kann: die Mittel
werden immer knapper, die Form immer klarer
und ruhiger, der Ausdruck immer schärfer, die
Phantasie immer reicher. Altwerden bedeutet
für den großen schaffenden Künstler — freilich
sind es nur die Großen, denen diese Gnade
widerfährt — nicht Nachlassen, nicht Abstieg,
sondern Sammlung, tiefste Ruhe zum Schaffen,
äußerste Klarheit des Weltbildes. Es ist ein

später, abendlicher Zauber, der über den Künst-
ler fällt, wie die kühle, helle Weite nach der
Dämmerung, der frühe Glanz der Nacht, deren
Sternenlicht noch nicht von Nebeln verhängt ist.
In diesen späten Lebensstunden, in denen der
Künstler schon entrückt ist, in der ihm das ganze
Leben, in gleicher Distanz, geordnet, erfahren,
überwunden, überschaubar wird, in diesen Stun-
den ist die Sprache der Dinge und Geschöpfe am
reinsten, am ungetrübtesten vernehmbar. Den
alten Renoir und Corinth offenbarte die Welt
ihre seligsten Geheimnisse und holdesten Wun-
der ; eine neue Liebe ward ihnen geschenkt, nicht
die stürmische der Jugend, sondern die stille,
wissende des Alters. Eine neue Sinnlichkeit
dazu, eine höchst sublime, vergeistigte, deren
Orgien sanft und deren Ekstasen heiter sind.
Das Erlebnis bleibt nicht mehr an denselben
Modus gebunden wie in der Jugend; die Seele
ist grenzenlos aufgeschlossen, bereit, die fern-
sten Weiten in sich einströmen zu lassen, k. h. r.
 
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