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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 57.1925-1926

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Bertelsson, Alexander: Popanz Phantasie
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https://doi.org/10.11588/diglit.9180#0272

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PAUI, KI.SAS—M LI XC II F.X

»VENEDIG« PRIV.BES.-ZÜRICH

POPANZ PHANTASIE

VON KUNSTMALER A. BERTELSSON-DRESDEN

Ein Schlagwort ist ungefährlich. Neue Lehren,
die mit Schlagworten einhergehen, sind
auch ungefährlich; sie finden schnell Gegen-
bewegungen und das Zerstörungswerk beginnt.
Schlagworte haben deshalb auch nur sehr kurzes
Leben. Das gilt auch von jedem Kunst-„Ismus".
Aber anders steht es mit Begriffen und Auf-
fassungen, die auf einem auf Überlieferung
ruhenden Grund liegen; sie haben zähe Wider-
standskraft, werden, wenn es darauf ankommt,
von großen Massen verteidigt, gehen über in
gesicherten Besitz, werden immer und immer
wieder den Nachkommen erhalten. Weil sie in
den geistigen Besitz der Menschheit übergehen,
werden sie als Selbstverständlichkeiten hin-
genommen, werden keiner Kritik unterworfen
und dauern Jahrhunderte.

Denken wir da, beispielsweise, an den Begriff
des Schönenin der Kunst, oder an den sogenann-
ten guten Geschmack, oder an das sogenannte
ästhetische Gefühl. Wieviele Jahrhunderte hat

man diese Begriffe als selbstverständliche Meß-
werkzeuge zur Beurteilung von Kunstwerken
benutzt? Faßt man im allgemeinen die An-
sichten über Kunst, von den Philosophen des
Altertums bis Kant zusammen, so ergibt sich
im wesentlichen die Forderung von Schönheit
in der Kunst, wie sie auch heute noch von mehr
als 99 von 100 Menschen verlangt wird.

Auf Grund der garnicht anzuzweifelnden
Gegebenheit und Voraussetzung, daß Kunst
Schönheit hervorbringen müsse, baut man jed-
weden kunstkritischen oder kunsttheoretischen
Satz auf, Jahrhunderte lang, faßt möchte man
sagen Jahrtausende lang.

Eine ähnliche, auf Überlieferung ruhende Auf-
fassung, die selbst in den hellsten Köpfen auch
heute nicht auszurotten ist und uralte Existenz
hat, ist die Forderung der Nachahmung der
Natur im Kunstwerk. Auch dieser Begriff er-
weist sich neben dem Schönheitsbegriff schier
unausrottbar. Kant, der zwar gerade in dieser
 
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