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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 57.1925-1926

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H. R.: Die Kunst geht nach Brot
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https://doi.org/10.11588/diglit.9180#0430

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PROF, B. FAHRENKAMP— DÜSSELDORF

»KAMINECKE EINES PRIVATB1

DIE KUNST GEHT NACH BROT

Die allgemeine wirtschaftliche Stockung der
letzten Monate wirkt nicht nur direkt, son-
dern auch indirekt auf den Kunstmarkt ein. Die
direkte Wirkung besteht in der außerordent-
lichen Verknappung der für Kunstkäufe verfüg-
baren Mittel, die indirekte in jener Panik, die
den Einzelnen die Nötigung zum Sparen schwarz-
seherisch übertreiben läßt und die Stimmung
zum Kunstkaufen auch da, wo der reale wirt-
schaftliche Druck gering ist, ungünstig beeinflußt.
In jedem Falle ist unter den obwaltenden Um-
ständen das Sprichwort „Die Kunst geht nach
Brot" eine sehr aktuelle Wahrheit geworden.
Was heißt das: Die Kunst geht nach Brot?
Es fragt sich vor allem, warum man dieses
Nach-Brot-Gehen bloß für die Kunst ausdrück-
lich feststellt? Warum heißt es nicht auch:
Das Handwerk, der Handel geht nach Brot?
Der Grund ist wohl der, daß für diese das Nach-
Brot-Gehen selbstverständlich ist, für die Kunst
aber nicht. Vom Handwerk gibt es ja auch
Sprichwörter; sie sagen dem Handwerk nach:

Es hat einen goldenen Boden; es nährt seinen
Mann. Aber nur von der Kunst wird das Nach-
Brot-Gehen ausdrücklich und mit einer Art von
Staunen oder Nachdenklichkeit festgestellt —
weil es sich dabei nicht von selbst versteht.

Denn die Kunst, soweit sie Kunst ist, also
auf das Werk abzielt, steht unter einem höheren
Gesetz. Sie steht unter geistigem Gesetz. Die
Kunst ist im Wesentlichen frei. Sie bedeutet:
Mitarbeit an einer Wert weit, die mit den Werten
des täglichen Lebens nichts gemein hat. An
sich geht daher die Kunst durchaus nicht nach
Brot, sondern sie geht nach dem Wert, nach
dem Schönen und Wahren. Weil dies so ist,
deshalb stellt das Sprichwort etwas, das für
das tägliche Leben ohne weiteres gilt, für die
Kunst mit einer Art Staunen fest: Auch die
Kunst, selbst die Kunst geht nach Brot — weil
sie ja nicht von seligen Geistern hervorgebracht
wird, sondern von Menschen, die leben und
essen müssen, um arbeiten zu können. Inso-
ferne wäre es richtiger, zu sagen: Nicht die

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