Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 57.1925-1926

DOI Artikel:
Weiser, Armand: Schweden auf der Pariser Ausstellung
DOI Artikel:
O. R.: Farbige Architektur
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9180#0228

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Schweden auf der Pariser Ausstellung

wie die so edel geformten und dennoch schlich-
ten Gebrauchsgläser der täglichen Verwendung.
Sie sind Geschenke der Stadt Stockholm an die
Stadt Paris, eine Hochzeitsgabe an das Kron-
prinzenpaar oder zu Ehren Sir Erich Drummonts,
desGeneralsekretärs des Völkerbundes verfertigt
worden, Stücke also, deren besondere Bestim-
mung auch eine besonders reiche Ausgestaltung
bedingt. Sven Gate und Edward Haid, die ent-
werfenden und leitenden Künstler der Glashütte,
verwenden ihre Einfälle und die überkommene

Geschicklichkeit ihrer Arbeiter mit gleichem
Ernste auf einfache wie dekorierte Gläser. Die
Gebrauchsgläser lassen sie durch tiefes Meer-
grün, Rauchfarbe oder ein zartes Kobalt beson-
deres Leben gewinnen, ohne dabei anspruchsvoll
oder gar im Preise höher zu werden. Bei aller
Pflege des barocken Glasschnittes und des Reich-
tums der Ätzung bleibt sich Orref ors der sozialen
Aufgabe bewußt. Und so wie Orrefors arbeitet
das ganze Kunstgewerbe Schwedens zum gleich-
mäßigen Vorteile des Landes, dr. armand weiser.

FARBIGE ARCHITEKTUR

An verschiedenen Punkten Deutschlands be-
. ginnt die Farbe im Außenbau platzzugrei-
fen. Schon liegt eine Reihe von Erfahrungen
vor, die fortan berücksichtigt werden müssen.

Die Lage ist heute wohl so, daß man den Ge-
danken einer farbigen Belebung der Architektur
nicht mehr ohne weiteres zurückweisen kann.
Die Gründe sind verschiedener Art. Fürs Erste
ist die Freude an der Farbe durchaus gerecht-
fertigt. Farbe und Freude gehören zusammen.
Das Auge jubelt auf, wenn ihm eine gute Farbe
oder ein guter Farbenakkord geboten wird.
Fürs Zweite liegt in der Farbe ein ausgezeich-
netes Mittel, schlechte Architekturen erträglich
zu machen und schwache zu steigern. Es gibt
rasch aufgeschossene Städte, die schwer be-
lastet sind mit wertlosen Reihenhäusern aus
jenen schlimmen Zeiten des 19. Jahrhunderts,
die jeden städtebaulichen Überblick verloren
hatten. Schauerliche Backsteinstraßen schieben
sich sinnlos durch die Stadtpläne und beleidigen
das Auge. Da kann die Farbe bei vorsichtiger
Anwendung viel Segen stiften.

Schwieriger liegt der Fall da, wo architek-
tonisch wertvolle, gut erhaltene Straßenwände
oder Einzelbauten farbig behandelt werden sol-
len. Es wird da die Frage der farbigen Archi-
tektur erst in ihrer Schärfe gestellt. Ich denke
z. B. an die zahlreichen Stadtviertel in weißem
Putzbau, die sich seit Beginn des 20. Jahrhun-
derts allerwärts gebildet haben. Ich denke an
die Stadtviertel aus früherer, z. B. klassizisti-
scher Zeit (Darmstadt, Karlsruhe, Mannheim
usw.), die ganz in den Tönen des Elfenbeins
oder eines kälteren oder wärmeren Grau liegen
und die dem Beschauer sehr wohl die Frage
nahelegen können, ob diese vielleicht vorneh-
men, aber etwas blassen und ermüdenden Stra-
ßenbilder nicht durch vorsichtige farbige Ab-
wandlung freudig belebt werden können. Ich
denke ferner an die kurvenreichen Straßenzüge
im Kern alter Städte, die sich mit ihren schönen

Wandungen für den Aufbau guter farbiger Mo-
dulationen förmlich anzubieten scheinen.

Es heißt hierbei zunächst die Bedenken gegen
die Farbe ins Auge zu fassen. Man wird sich
klar sein müssen, daß es ein sehr gewagtes, ein
sehr gefährliches Unternehmen ist, in solche
alterprobten architektonischen Zusammenhänge
mit der Farbe einzugreifen. Man wird vor allem
zu erwägen haben, daß die Architektur in sol-
chen Fällen eine vornehme Zurückhaltung be-
wahrt, die bei aller Gleichförmigkeit doch den
Vorteil bietet, daß sie das Auge nicht ausdrück-
lich beschäftigt, wohingegen die farbige Behand-
lung zwar einen bestimmten Reiz gewährt, doch
unter der Gefahr, daß man sich an diesem Reiz
bald satt sieht und schließlich an ihm Ärgernis
nimmt. Die alte, blasse Harmonie ist bald zer-
stört, aber zu einer neuen Harmonie zu ge-
langen, dürfte in vielen Fällen schwerer sein,
als es zunächst scheint. Noch viel mehr als bei
der rein plastischen Gestaltung des Baukörpers
kommt es bei der farbigen Behandlung der
Bauten auf den Zusammenhang an. In der
farbigen Baubehandlung steht nicht der Einzelne
auf dem Plan, weil Farbe von Farbe viel strenger
abhängig ist als Form von Form. Die Anarchie
ist hier eine besonders schwere Gefahr. Zu
nahe liegt die Befürchtung, daß, wenn einmal
die Farbe entfesselt ist, der Wettbewerb mit
seinem wechselseitigen Überschreien beginnt
und ein tolles, lärmendes Durcheinander schafft,
wo bis dahin im schlechtesten Falle die Ruhe
der Reizlosigkeit herrschte. Daraus wird sich
als Resultat ergeben: Wo sich nicht Garantien
für einen neuen, sinnvollen Zusammenhang
schaffen lassen, bleibt die Farbe am besten aus
dem Spiel. Wo diese Garantien aber gegeben
sind, wird die Schaffung neuer farbiger Zusam-
menhänge, wenn auch mit äußerster Vorsicht,
gewagt werden können. Im ganzen dürfte es
sich dabei nach den vorliegenden Erfahrungen
nur um schonende Abwandlungen der „natür-
 
Annotationen