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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 57.1925-1926

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Huxdorff, Ernst: Stimmungsgehalt des Bildes
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https://doi.org/10.11588/diglit.9180#0151

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STIMMUNGSGEHALT DES BILDES

VON ERNST HUXDORFF

Mit dem Wiederaufleben klassizistischer und
romantischer Tendenzen in der Malerei war
auch von neuem ein Element deutlicher hervorge-
treten, das scheinbar in den Werken des eigent-
lichen Expressionismus kaum eine Rolle gespielt
hatte: jene eigene Note des Bildes, die man ge-
meinhin mit „Stimmung" bezeichnet. Manchem
Kunstbetrachter wird gerade dieser Gefühlston,
der aus dem Bilde heraus sich ihm mitteilt und so-
fort sein Gemüt in dieselben Schwingungen ver-
setzt, zu einem vermeintlich künstlerischen Erleb-
nis, ja sogar zum Kriterium des künstlerischen
Wertes. Hierbei zeigt sich, daß der Anblick alles
schnell Vorübergehenden und Vergänglichen, etwa
des aufflammenden Abendrots, zarter Blumen-
blüten, jugendlicher Schönheit überhaupt, uns be-
sonders tief bewegt, daß also erst die Beimischung
der Wehmut einem Gemütszustand recht eigent-
lich den Charakter der Stimmung verleiht (wobei
das Wort „Stimmung" in einem engeren Sinne zu
verstehen ist).

Bei Lichte besehen, erweist sich nun diese Art
Wirkungskraft als lediglich im äußeren, novellisti-
schen Inhalt des Bildes begründet, keineswegs aber
als ein Ausdruck der wahren Bild seele. Wer vor
einem Bilde nichts anderes empfindet als eine Ge-
mütsbewegung, der hat seine wirkliche Sprache
noch längst nicht vernommen; er hat nur Eindrücke,
die er zuvor von der Natur empfangen, am Kunst-
werk wieder aufgefrischt.

Das Inhaltliche in der Malerei ist zwar nicht
gleichgültig, wie die Theoretiker der Im- wie der
Expressionisten uns glauben machen wollten, doch
kann es niemals aus seiner untergeordneten Be-
deutung heraustreten, um etwa die Funktionen und
den Sinn des rein Formalen zu übernehmen. Die
Wirkungen, welche die Form auf uns ausübt, sind
die wahrhaft künstlerischen, somit auch wahrhaft
seelischen. Diese Lehre, die uns die absolute Ma-
lerei des vergangenen Jahrzehnts mit ihren symbo-
lischen Linien- und Farbenordnungen gab, sollten
wir nicht vergessen, auch wenn unsere Kunst unter-
dessen zur Gegenständlichkeit zurückgekehrt ist.

Auch das Anschauen der Form, das Erleben des
nur Bildhaften, der Bildmittel an sich, löst in uns
eine Bewegung aus, nunmehr aber eine Stimmung
in höherem Sinne! Um sie zu kennzeichnen, ge-
nügen nicht mehr Worte wie melancholisch oder
heiter, erhoben oder niedergedrückt. Stimmung
[st hier nicht mehr sinnverwandt mit „Laune",
sondern gleichbedeutend mit „atmosphärischer
Spannung": wir erfahren die Seligkeit, empfan-
gend teilzuhaben am ewig Schöpferischen. —
 
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