Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 57.1925-1926

DOI Artikel:
Bredt, Ernst Wilhelm: Künstler die früh gestorben
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9180#0446

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KÜNSTLER DIE FRÜH GESTORBEN

von dr. e. \v. bredt

Das Werk eines Künstlers, das uns volle
Freude schenkt, halten wir immer für die
Gabe eines Vollendeten.

Wer wird da fragen, wie alt war der Künstler
als er es geschaffen, wie alt er geworden?

Das geht uns so bei Alten wie Neueren.
Und das ist Glück für den Genießenden.

Aber die gelegentliche Erinnerung an den
gar frühen Tod unsterblicher Meister mag doch
eine tröstliche Gewißheit geben, wenn uns wie-
der einmal ein Künstler unserer Tage, von des-
sen Schaffen wir Größtes hielten, schon in den
zwanziger oder dreißiger Jahren vom unerbitt-
lichen Tode geraubt wird.

Wer dies Jahr die verheißungsvollen Werke
Konrad Westermayrs, der mit vierunddreißig
Jahren in Flandern gefallen, betrachtet, wer an
Lehmbrucks tragischen Tod, an Paula Moder-
sohn, an Egon Schiele, an Weisgerber, an Beeh,
an Rudolf Wilke, den genialen Zeichner, denkt,
die in den zwanziger und dreißiger Jahren ge-
storben sind, soll sich sagen, daß sehr bald jedes
glückliche Werk ihrer Hand und Seele gerade das
vergessen machen wird, worum wir jetzt trauern.

Die echt griechische Anschauung, daß jung
stirbt, wen die Götter lieb haben, hat sich an
nur zu vielen schöpferischen Geistern bewährt.

Haben allergewaltigste, wie Michelangelo,
Tizian, Bernini, Goya; haben sehr viele große
Künstler des letzten Jahrhunderts wie Menzel,
Thoma, Rodin, Böcklin, Gebhardt und der noch
lebende Monet, ein wahrhaft patriarchalisches
Alter erreicht, so haben doch viele, die jung
dahin gerafft wurden, einen Ruhm erlangt,
wie nur wenige Greise.............

Wir denken alle Tage schier an Mozart und
Schubert, an Kleist und Puschkin, sollten auch
an Schiller denken, der freilich bei dem Ruhm
seines großen Werkes, die nur fünfundvierzig
Jahre seines Leben vergessen macht.

Doch hier ists an uns: bildender Künstler zu
gedenken, die, obwohl sie kaum die Mitte der
dreißiger Jahre erlangten, zu Einzigartigen, oder
zu Bahnbrechern, zu Höhepunkten einer ganzen
Entwicklung oder gar zu unsterblichen Größen
in aller Welt sich emporgereckt. —

Raffael der Unsterbliche, Watteau, der lei-
dende und doch unerhört reiche Anführer seines
ganzen Jahrhunderts, Van Gogh, der intensivste
aller neueren Maler, Toulouse-Lautrec, der
geistreiche Erfasser einer flüchtigen Welt, alle
wurden nur siebenunddreißig Jahre alt.

Aber der Bahnbrecher der ganzen neueren
Malerei: Massaccio wurde gar nur achtund-
zwanzig, und der meistbewunderte Tiermaler
Paul Potter, der geniale Architekt Gilly erreichten
nur ein Jahr mehr. Giorgione, der große Träumer,
Brouwer, der unsterbliche Trunkenboldmaler,
Elsheimer, der deutsche Vorläufer Rembrandts,
mußten mit zweiunddreißig Jahren aus der von
ihnen verherrlichten Umwelt für immer scheiden.
Und doch, wer denkt vor den Werken all dieser
Großen und Starken wie jung sie gestorben?

Doch wozu daran erinnern?

Wir wollen nicht dann erst anfangen, einen
Eigenen zu ehren, wenn er alt.

Wir wollen zugreifen nach seinen Schöpfun-
gen, wenn er noch jung, wollen nicht Angst
haben, er könne in späteren Jahren doch nicht
halten was er verspricht.......... e. w. h.
 
Annotationen