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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 57.1925-1926

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Blei, Franz: Zu Karl Schenkers Wachsfiguren
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https://doi.org/10.11588/diglit.9180#0275

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KARL SCHENKER

WACHSFIGUR %

ZU KARL SCHENKERS WACHSFIGUREN

VON FRANZ M.F.I

Die fünf weiblichen Figürchen aus Wachs,
die man aus dem alten Mykäne ausge-
graben hat, erfreuten sich nur kurze Zeit ihres
Lebens am Lichte. Im Museum zu Athen hatte
man sie allzunah einem Heizkörper aufgestellt,
und da waren sie bald nicht mehr. Es war ein
Bildnis der nackten Hermenossa darunter, einer
berühmten korinthischen Hetaere, über die ein
schönes Epigramm des Apollodoros auf uns ge-
kommen ist, der sich rühmt, die Vierzehnjährige
am Strande vergewaltigt zu haben. Die fünf
Figürchen vergingen wie Wachs, das sie waren.

Die allzuleichte Vergänglichkeit und klima-
tische Bedrohtheit des Materiales wird wohl den
auf das Schaffen des Unvergänglichen bedachten
Plastiker das Wachs haben meiden lassen. Aber

wie höchst geeignet es in seiner Bildsamkeit, in
seiner Empfindlichkeit für die belebenden Finger
war, dessen ist Beweis der Gebrauch des Wach-
ses für das was man Guß in verlorne Form nennt,
wobei das Wachsmodell, in Gips eingebettet,
vom eingegossnen Erz geschmolzen wurde. In
der Kleinplastik der Renaissance eine beliebte
Art des Erzgusses und auch heute noch geübt.
Aber daß man die Wachsplastik auch als solche
schuf, zeigt die lionardeske Frauen-Büste im
Kaiser-Friedrichmuseum, über deren Echtheit
es so viel Streit gab.

In den letzten fünfzig Jahren hat man in der
Plastik das Wachs sehr mißbraucht. Es gab
die wächsernen Puppenköpfe des Kinderspiel-
zeuges, ganz erstarrt in ein leeres Konvenü des

XXIX. Januar 1926. i'
 
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