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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 57.1925-1926

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R., K. H.: Bildinhalt und Bildmaterie
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https://doi.org/10.11588/diglit.9180#0155

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NI KLAUS STÖCKI.I N—BASEL

BES: DR. H. BL'RCKHARDT—HASEL

9 RHEIN GASSE IN KASEL«

BILDINHALT UND BILDMATERIE

Man bestimmt die Werke der Malerei ge-
wöhnlich nach den beiden Kategorien
Inhalt und Form. Inhalt ist, ganz summarisch
gesagt, das Gegenständliche, Vorwurf oder Vor-
gang, Form ist die Art ihrer Objektivation. Man
sollte sich klar sein, daß es noch etwas Drittes
gibt, das unter Umständen zur Begriffsbildung
herangeführt werden muß, die Bildmaterie.
Darunter ist nicht das Malmaterial, die Farbe,
als ein technisches Produkt verstanden; unter
Bildmaterie hat man vielmehr ein dem Künst-
lerischen des Bildes (im Gegensatz zum Tech-
nischen) immanentes Element zu verstehen, das
die innerste Substanz seines Wesens ausmacht.
Rembrandts Bildmaterie z. B. ist das Licht —
nicht das physikalisch meßbare, „reale" Licht,
sondern ein gleichsam metaphysisches Licht als
Ausgeburt des Rembrandtschen Dunkels, das
gleichfalls nicht im physikalischen Sinne als
Abwesenheit des Lichtes (also als eine Nega-
tion) zu gelten hat, sondern als eine positiv
wesende und wirkende Gewalt, eben als Bild-
materie. Watteaus Bildmaterie ist seine Far-
bigkeit, die überdingliche, transparente Bunt-

heit, das Ensemble von Farben und Farbwerten,
das keineswegs nur den schimmernden Reiz der
Oberfläche seiner Bilder ausmacht, sondern —
und das ist das Entscheidende — ihre Struktur
bestimmt. Bei Cezanne endlich, um ein drittes
Beispiel zu nennen, muß man den Raum als
Bildmaterie ansprechen, nicht die perspekti-
vische Wiedergabe des realen Raumes (sonst
hätte jedes mittelmäßige Gemälde, das diese
technische Forderung erfüllt, seine Materie, und
es ist gerade das Signum der höchsten Meister-
werke, sie zu haben), sondern den von gehei-
men dynamischen Kräften durchströmten Bild-
raum, die eigentliche Begebenheit seiner Bilder.
Das hat, wie gesagt, weder mit Bildinhalt noch
mit Bildform etwas gemein; die Bildmaterie ist
real, aber ihre Realität ist magisch. Sie ist nicht
mit Händen greifbar, sondern eine Erlebnisqua-
lität und zwar die höchste und sublimste, die der
Künstler zu gestalten vermag. Es ist das eigent-
liche „dritte Reich" der Malerei, das nicht er-
obert werden kann, weder durch Fleiß noch
durch Anstrengung; nur der erfährt es, nur der
hat es, der ihm eingeboren ist: das Genie k. ii. r.
 
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