Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 57.1925-1926

DOI Artikel:
Koch, Alexander: Wie kann wirksame staatliche Kunstpflege betrieben werden?
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9180#0113

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
der Hauptstadt und des Landes genau kennen,
und zwar sowohl ihre künstlerische Leistung
wie ihre persönlichen Verhältnisse. Er müßte
menschlich genug emplinden, um an Nöten
innerer und äußerer Art teilzunehmen, aber
auch künstlerisch genug, um bei seinen Maß-
nahmen nicht ins bloß Caritative abzuirren. Er
müßte sich als ein Freund und Berater zu den
Künstlern zu stellen wissen, und zwar in dem
Sinne, daß er das tatsächliche staatliche
Interesse an der Kunst als eine echte, mensch-
liche Teilnahme den Künstlern gegenüber zu
bewähren verstünde. Er müßte den Künstlern
für ihre Vorschläge und Anträge zugänglich
sein, mit der vollen Freiheit, dem Mißbrauch
dieser Zugänglichkeit energisch zu wehren,
aber sich als echter Staats Vertreter im duld-
samsten, freiesten Sinne nach allen Lagern hm
zu betätigen. Er müßte gute Beamtenschulung
haben, um stets mit den Nerven der Allgemein-
heit denken und mit dem Takt des Erfahrenen
handeln zu können. Kurz: er müßte ein
qualifizierter und charakterfester Mensch sein.

Was könnte ein solcher Beamter tun?

Er könnte die Staatsaufträge für
Kunst verwalten. Der Staat hat Betriebe, Ge-
bäude, Bureauräume. Zu ihrem Bau, zu ihrem
Schmuck zieht er entsprechende Künstler heran,
unter sorgfältiger Abwägung ihrer Leistungs-
fähigkeit und ihrer wirtschaftlichen Lage. Er
kauft einem Künstler, der in Not ist, e i n
Bild ab zur Schmückung einer leeren
Bureauwand, eines Schulsaales, eines öffent-
lichen Raumes. Oder er erwirbt wenig-
stens eine Zeichnung, eine graphische Arbeit,
und erreicht so, daß dem Künstler die Hilfe ge-
rade in dem Augenblick zuteil wird, in dem er
sie am dringendsten braucht. Die Beträge brau-
chen nicht hoch zu sein, das Wesentliche ist,
daß sie im rechten Augenblick verfügbar sind.

Er nimmt wesentlichen Anteil an den Staats-
ankäufen für öffentliche Sammlun-
gen (Museen, Galerien), wie sie meist in Aus-
stellungen getätigt werden. Auch hier verfährt er
unter genauester Abwägung der künstlerischen
Qualität wie jener persönlichen Faktoren, zu
denen nicht nur die wirtschaftliche, sondern
auch die geistige und gemüthafte Lage des
Künstlers gehört. Es gibt Fälle, wo einer wert-
vollen Begabung eine Ermutigung, eine auf-
munternde Anerkennung geboten werden muß,
auch ohne daß wirtschaftliche Not vorliegt. Das
innere Weiterkommen der Künstler ist ebenso
wichtig wie das ökonomische Gedeihen.

Selbstverständlich kann die Betätigung un-
seres Dezernenten bei Staatsaufträgen und

beim Ankauf für öffentliche Sammlungen auch
an die Zustimmung einer Kommission
gebunden werden, in der z. B. die politischen
Parteien, aber auch die Museums- und Galerie-
direktionen vertreten sind; auch an die Mit-
wirkung namhafter privater Kunstkenner
könnte dabei gedacht werden.

Der Dezernent gewährt ferner Reisest!-
p e n d i e n für Italien, für Holland, für Paris,
besonders in Fällen, wo der Lernende zu för
dern oder der „Versessene" neu anzuregen ist.
Auch hier handelt es sich um geringfügige
Beträge, die in keinem Verhältnis zu dem
Segen stehen, der mit ihnen zu stiften ist.
Eine Kunstpflege, wie wir sie im Auge
haben, müßte überhaupt mit geringen Einzel-
summen, aber mit richtigsterEinsicht
in den Fall und in die Stunde arbeiten
lernen. Es kann sogar vorkommen, daß dieser
Beamte einen, zwei, drei jungen Menschen,
denen niemand über die schweren Lehrjahre
hinaushelfen kann, für einige Monate in eine
fremde Kunststadt, an eine namhafte Lehrstelle
schickt, damit sie wenigstens für einige Zeit
vom Elend des Werkstudententums befreit wer-
den. Ferner kann einzelnen besonders Be-
dürftigen von Zeit zu Zeit ein kleiner Kredit
für den Bezug von Handwerkszeug (Farben,
Leinwand etc.) gewährt werden.

Außerdem kann der Referent selbst als Ver-
anstalter von ausgesprochenen Verkaufs-Aus-
stellungen auftreten, mit denen er sowohl den
Künstlern als auch den wenig bemittelten
Kunstfreunden einen Dienst erweist. Er wird
gute Dinge, aber meist kleine Dinge aus den
Ateliers anfordern, die zu niedrigen Preisen und
ohne Abzug verkauft werden. Mancher Kunst-
freund wird sich da als Käufer einstellen, der
es sich versagen muß, in großen Ausstellungen
Erwerbungen zu machen. Und es ist gerade
der Fehler der von Künstlerverbänden veran-
stalteten Verkaufs-Austeilungen, daß sie diese
Rücksicht auf den Geldbeutel des Käufers nicht
nehmen — und dazu noch die auch hier uner-
läßliche qualitative Auswahl verabsäumen.

Unberührt bleiben durch diese Vorschläge
die bisher geläufigen Maßnahmen der Kunst-
pflege, wie Unterstützung von Ausstellungs-
unternehmungen der einzelnen Verbände usw.
Das Besondere unserer Vorschläge läuft ledig-
lich darauf hinaus, daß persönliche,
menschliche Arbeit in die staatliche
Kunstpflege hineingesteckt wird. Denn da-
durch wird bei völliger Gleichheit der Etat-
posten die lebendige Wirksamkeit der Aus-
gaben außerordentlich gesteigert. Berücksichti-
 
Annotationen