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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 57.1925-1926

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Cremers, Paul Joseph: Neue Tiroler Kunst: zu den Ausstellungen in Gelsenkirchen und Düsseldorf
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https://doi.org/10.11588/diglit.9180#0319

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C. H. W. KUHN—INNSBRUCK

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NEUE TIROLER KUNST

ZU DEN AUSSTELLUNGEN IN GELSENKIRCHEN UND DÜSSELDORF
VON DR. PAUL JOSEPH CREMERS

Politisch ein schmerzvoll umhegter und um-
kämpfter Begriff, hat dieses Wort Tirol im
kunstpolitischen Dasein der deutschen Gegen-
wart mit einer kühnen und starken Geste uner-
wartet seine Befreiung erkämpft. Nie ist es
bisher möglich gewesen, Tiroler Kunst als land-
schaftliche und formal künstlerische Selbständig-
keit draußen fixieren zu können, —■ eine Tat-
sache, die kaum glaublich dünkt. Und die doch
all jenen bekannt ist, die in den Sammelbecken
Wiener und Münchener Ausstellungen hier und
da einmal Tiroler Meister „entdecken" mußten.
Von nördlicher gelegenen Städten mag hier-
bei ganz abgesehen sein.

Der Umstand dieser erstmaligen Unabhängig-
keitserklärung der neuen Tiroler Kunst ist so
bemerkenswert ob seiner bisher unbekannten
Art, Fragen künstlerischer Ausstellungen auf
eine derart soziologisch wertvolle Weise
zu lösen, daß er hier festgehalten werden muß.

In den Tagen bitterster Nachkriegsnot sandte
die Industriestadt Gelsenkirchen durch die Ini-
tiative des Oberbürgermeisters von Wedel-
staedt seine kleinen, schwachen Kinder in die
Berg weit Tirols. Gelsenkirchen bittet, den Dank
jetzt abstatten zu dürfen — und lädt in Zeiten
österreichischer Armut die Künstler Tirols zu
Gast ins Ruhrgebiet. Ein herrlicher Austausch
von Leib und Geist! Austausch kindhafter,
junger und bedrohter Menschenhoffnung gegen
das im Kampf mit verarmter Wirtschaft und
bedrohter Nationalität sich jung aufreckende
künstlerische Gesicht des deutschen Tirol.

So brachte eine Einladung an die Künstler
Tirols zum ersten Mal auch einen Appell an
den künstlerischen Begriff: Tirol. Man schloß
sich zusammen, der Künstlerbund „Heimat" und
die Innsbrucker „Wage" und erlebte in Gelsen-
kirchen Triumph und Überraschung eines Echos,
das von der Heimat selbst aus zu wecken, man

XXIX. Februar 1926. 2
 
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