1910/11 angepaßt zur Vierflügelanlage er-
weitert wurde. Der Komplex umschließt ei-
nen weiten Innenhof und ist durch giebel-
ständige Risalite gegliedert. Die Pläne lie-
ferte H. Schaedtler (vgl. Wagenersche Stif-
tung, 02 Calenberger Neustadt). Die im
Zweiten Weltkrieg erlittenen Zerstörungen
führten 1953 zum Abriß eines älteren Ab-
schnitts an der Edenstraße; seit 1966schließt
ein Neubau die Lücke.
Im Vergleich mit dem sechs Jahre älteren
Clementinenhaus erkennt man, wie die
Architektur in Hannover in den neunziger
Jahren langsam vom gotisierenden Verblend-
ziegelbau zur Putzfassade mit Naturstein-
gliederung überging, und der Dekor Formen
z.B. der Weserrenaissance bzw. des Frühba-
rock reflektierte.
Schulen um den Bonifatiusplatz
Diese Entwicklung läßt sich auch am Schul-
bau ablesen. Als man 1893 an der Edenstra-
ße 23 die erste Schule im neu entstandenen
Stadtteil baute, gestaltete der Architekt Ro-
wald die Fassaden noch mit dem an öffentli-
chen Gebäuden vorherrschenden Verblend-
Drostestraße 22, Nikolaistift, 1892 und 1910/11,
Architekt Schaedtler
Edenstraße 23, Schule, 1893, Architekt Rowald
Bonifatiusplatz 15, Ricarda-Huch-Schule, 1907,
Architekten C. Wolff und Rowald
ziegel (rot mit glasierten grünen Steinen) und
mit den Gliederungselementen der Hanno-
verschen Bauschule.
Sechs Jahre später erhielt diese Knabenschu-
le auf dem rückwärtigen Grundstück an der
Kollenrodtstraße 3 in einer Mädchenschule
(heute Comeniusschule) ihr Pendant. Dieser
Bau, ausgeführt mit Putzfassaden und Ar-
chitekturteilen aus Sandstein, wirkt mit sei-
nem renaissancistisch-frühbarocken Dekor
ungleich „moderner''; fortschrittlicher ist
auch die Ausstattung des Gebäudes mit den
innen und an den Geschossen liegenden Toi-
letten, die bei dem älteren Bau in einer ge-
sonderten Abortanlage auf dem Hof unter-
gebracht waren.
Die Comeniusschule bildet die südöstliche
Front des Bonifatiusplatzes, dessen begrün-
te Mittelfläche annähernd die Form eines
Paraboloids besitzt. Die begrenzende „Gera-
de“ bildet die Kollenrodtstraße. Auf diesen
Platz münden drei Straßen, die ihn mit der
Voß- bzw. Jakobistraße verbinden.
Auf der Nordseite des Platzes steht die heu-
tige Ludwig-Windhorst-Schule (Bonifatius-
platz 6), die als katholische Bürgerschule
Bonifatiusplatz 6, Ludwig-Windhorst-Schule,
1900/02, Architekten Rowald und C. Wolff
Kollenrodtstraße 3, Comeniusschule, 1898/1900,
Architekten Rowald und C. Wolff
Voßstraße 46, um 1902
entstand. In dem doppelten Portal zeigt
dieser Bau seine ursprünglich getrennte
Nutzung durch Knaben und Mädchen. Er
hat ebenfalls verputzte Fassaden mit Natur-
steingliederung, deren Formen dem Reper-
toir romanisierender Architektur entstam-
men.
Die Pläne für die Comenius- und die L.-
Windhorst-Schule erarbeiteten die bei der
Stadt angestellten Architekten P. Rowald
und C. Wolff. Gemeinsam sind diesen Bau-
ten die streng symmetrische Fassade, ihre
Gliederung durch giebelständige Risalite, die
Bewegung in die Dachzone bringen, und der
kompakte, annähernd rechteckige Grundriß,
an den sich Anbauten schließen. Die Unter-
schiede finden sich außer im Dekor vor al-
lem in der Organisation des Inneren: Lage
der Treppenhäuser, Flure und Klassenzim-
mer.
Die gestalterische Vielseitigkeit dieser beiden
Baumeister beweist die heutige Ricarda-
Huch-Schule (Bonifatiusplatz 15), die 1907
als Bürgerschule mit Präparandenanstalt auf
der Südseite des Bonifatiusplatzes errichtet
wurde. Die unregelmäßige Form des Eck-
grundstücks mit stumpfem Winkel zwischen
Ulrichstraße und Bonifatiusplatz nutzten die
Architekten für eine zweiflügelige Anlage,
die gleichsam als .Gelenkstelle' einen reprä-
sentativen Eingangsbau mit ovaler Vorhalle
besitzt. Die Treppen liegen in einem rück-
wärtigen Anbau. Die Fassaden sind in freier
Symmetrie gestaltet. Den Flügel am Boni-
fatiusplatz verlängert ein ursprünglich präch-
tig ausgebildeter Risalit, in dem sich Turn-
halle, Aula und die Räume der Präparanden-
anstalt befanden. Von den Zerstörungen im
Zweiten Weltkrieg wurden vor allem der
Risalit und die Dachzone betroffen. Trotz
des reduzierten Wiederaufbaus zeugen die er-
haltenen Teile, besonders der Eingangsvor-
bau mit barockisierendem Jugendstildekor
in Sandstein und die modellierende Behand-
lung der Mauer, von der Qualität dieser Ar-
chitektur.
Bonifatiusplatz und Voßstraße
Auf den übrigen Grundstücken um den Bo-
nifatiusplatz wurden im ersten Jahrzehnt
des 20. Jh. einheitlich viergeschossige Wohn-
häuser errichtet, die z.T. im Zweiten Welt-
krieg beträchtliche Schäden nahmen. Ledig-
lich die Häuser Bonifatiusplatz 10 und 11,
die als symmetrische, durch Erker, Zwerch-
giebel und Ecktürmchen belebte Front zu-
sammen mit der Ricarda-Huch- und Ludwig-
Windhorst-Schule den westlichen Teil des
Platzes prägen, zeugen von der ursprüngli-
chen Bebauung. Sie dürften wie das Nach-
barhaus Bonifatiusplatz 9, das die Verbin-
dung zur Voßstraße herstellt, um 1902 ent-
standen sein.
Die Voßstraße, durch ihre unregelmäßige
Führung in der ansonsten gradlinigen Pla-
nung des Lister Stadtfeldes als historischer
Weg vom Dorf List Richtung Stadt kennt-
lich, war bereits im 3. Viertel des 19. Jh. auf
der Ostseite um die Einmündung Robert-
straße besiedelt. Über diese Erstbebauung
ging bereits um 1900 die Entwicklung zur
großstädtischen Geschäftsstraße hinweg; an-
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weitert wurde. Der Komplex umschließt ei-
nen weiten Innenhof und ist durch giebel-
ständige Risalite gegliedert. Die Pläne lie-
ferte H. Schaedtler (vgl. Wagenersche Stif-
tung, 02 Calenberger Neustadt). Die im
Zweiten Weltkrieg erlittenen Zerstörungen
führten 1953 zum Abriß eines älteren Ab-
schnitts an der Edenstraße; seit 1966schließt
ein Neubau die Lücke.
Im Vergleich mit dem sechs Jahre älteren
Clementinenhaus erkennt man, wie die
Architektur in Hannover in den neunziger
Jahren langsam vom gotisierenden Verblend-
ziegelbau zur Putzfassade mit Naturstein-
gliederung überging, und der Dekor Formen
z.B. der Weserrenaissance bzw. des Frühba-
rock reflektierte.
Schulen um den Bonifatiusplatz
Diese Entwicklung läßt sich auch am Schul-
bau ablesen. Als man 1893 an der Edenstra-
ße 23 die erste Schule im neu entstandenen
Stadtteil baute, gestaltete der Architekt Ro-
wald die Fassaden noch mit dem an öffentli-
chen Gebäuden vorherrschenden Verblend-
Drostestraße 22, Nikolaistift, 1892 und 1910/11,
Architekt Schaedtler
Edenstraße 23, Schule, 1893, Architekt Rowald
Bonifatiusplatz 15, Ricarda-Huch-Schule, 1907,
Architekten C. Wolff und Rowald
ziegel (rot mit glasierten grünen Steinen) und
mit den Gliederungselementen der Hanno-
verschen Bauschule.
Sechs Jahre später erhielt diese Knabenschu-
le auf dem rückwärtigen Grundstück an der
Kollenrodtstraße 3 in einer Mädchenschule
(heute Comeniusschule) ihr Pendant. Dieser
Bau, ausgeführt mit Putzfassaden und Ar-
chitekturteilen aus Sandstein, wirkt mit sei-
nem renaissancistisch-frühbarocken Dekor
ungleich „moderner''; fortschrittlicher ist
auch die Ausstattung des Gebäudes mit den
innen und an den Geschossen liegenden Toi-
letten, die bei dem älteren Bau in einer ge-
sonderten Abortanlage auf dem Hof unter-
gebracht waren.
Die Comeniusschule bildet die südöstliche
Front des Bonifatiusplatzes, dessen begrün-
te Mittelfläche annähernd die Form eines
Paraboloids besitzt. Die begrenzende „Gera-
de“ bildet die Kollenrodtstraße. Auf diesen
Platz münden drei Straßen, die ihn mit der
Voß- bzw. Jakobistraße verbinden.
Auf der Nordseite des Platzes steht die heu-
tige Ludwig-Windhorst-Schule (Bonifatius-
platz 6), die als katholische Bürgerschule
Bonifatiusplatz 6, Ludwig-Windhorst-Schule,
1900/02, Architekten Rowald und C. Wolff
Kollenrodtstraße 3, Comeniusschule, 1898/1900,
Architekten Rowald und C. Wolff
Voßstraße 46, um 1902
entstand. In dem doppelten Portal zeigt
dieser Bau seine ursprünglich getrennte
Nutzung durch Knaben und Mädchen. Er
hat ebenfalls verputzte Fassaden mit Natur-
steingliederung, deren Formen dem Reper-
toir romanisierender Architektur entstam-
men.
Die Pläne für die Comenius- und die L.-
Windhorst-Schule erarbeiteten die bei der
Stadt angestellten Architekten P. Rowald
und C. Wolff. Gemeinsam sind diesen Bau-
ten die streng symmetrische Fassade, ihre
Gliederung durch giebelständige Risalite, die
Bewegung in die Dachzone bringen, und der
kompakte, annähernd rechteckige Grundriß,
an den sich Anbauten schließen. Die Unter-
schiede finden sich außer im Dekor vor al-
lem in der Organisation des Inneren: Lage
der Treppenhäuser, Flure und Klassenzim-
mer.
Die gestalterische Vielseitigkeit dieser beiden
Baumeister beweist die heutige Ricarda-
Huch-Schule (Bonifatiusplatz 15), die 1907
als Bürgerschule mit Präparandenanstalt auf
der Südseite des Bonifatiusplatzes errichtet
wurde. Die unregelmäßige Form des Eck-
grundstücks mit stumpfem Winkel zwischen
Ulrichstraße und Bonifatiusplatz nutzten die
Architekten für eine zweiflügelige Anlage,
die gleichsam als .Gelenkstelle' einen reprä-
sentativen Eingangsbau mit ovaler Vorhalle
besitzt. Die Treppen liegen in einem rück-
wärtigen Anbau. Die Fassaden sind in freier
Symmetrie gestaltet. Den Flügel am Boni-
fatiusplatz verlängert ein ursprünglich präch-
tig ausgebildeter Risalit, in dem sich Turn-
halle, Aula und die Räume der Präparanden-
anstalt befanden. Von den Zerstörungen im
Zweiten Weltkrieg wurden vor allem der
Risalit und die Dachzone betroffen. Trotz
des reduzierten Wiederaufbaus zeugen die er-
haltenen Teile, besonders der Eingangsvor-
bau mit barockisierendem Jugendstildekor
in Sandstein und die modellierende Behand-
lung der Mauer, von der Qualität dieser Ar-
chitektur.
Bonifatiusplatz und Voßstraße
Auf den übrigen Grundstücken um den Bo-
nifatiusplatz wurden im ersten Jahrzehnt
des 20. Jh. einheitlich viergeschossige Wohn-
häuser errichtet, die z.T. im Zweiten Welt-
krieg beträchtliche Schäden nahmen. Ledig-
lich die Häuser Bonifatiusplatz 10 und 11,
die als symmetrische, durch Erker, Zwerch-
giebel und Ecktürmchen belebte Front zu-
sammen mit der Ricarda-Huch- und Ludwig-
Windhorst-Schule den westlichen Teil des
Platzes prägen, zeugen von der ursprüngli-
chen Bebauung. Sie dürften wie das Nach-
barhaus Bonifatiusplatz 9, das die Verbin-
dung zur Voßstraße herstellt, um 1902 ent-
standen sein.
Die Voßstraße, durch ihre unregelmäßige
Führung in der ansonsten gradlinigen Pla-
nung des Lister Stadtfeldes als historischer
Weg vom Dorf List Richtung Stadt kennt-
lich, war bereits im 3. Viertel des 19. Jh. auf
der Ostseite um die Einmündung Robert-
straße besiedelt. Über diese Erstbebauung
ging bereits um 1900 die Entwicklung zur
großstädtischen Geschäftsstraße hinweg; an-
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