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Ness, Wolfgang [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 10, Teil 1): Stadt Hannover — Braunschweig, 1983

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https://doi.org/10.11588/diglit.44751#0190

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gotisches Formengut und bildete es in cha-
rakteristischer, dem Jugendstil verpflichte-
ter Weise um. Den Kirchenvorplatz begrenzt
im Norden das angeschlossene Gemeinde-
haus, welches in einer Arkadenstellung das
Spitzbogenmotiv der Vorhalle aufnimmt und
räumlich sowie optisch die Verbindung zum
Kirchenbau schafft. Ansonsten ist das Ge-
bäude durch Aufstockung und Veränderung
seines ehemals interessanten Äußeren weit-
gehend beraubt.
DAS GEBIET UM DIE PODBIELSKI-
STRASSE, 1900-1930
Das östliche Gebiet des heutigen Stadtteils
zwischen dem um 1912 in diesem Abschnitt
gegrabenen Mittellandkanal mit mehreren
beachtenswerten Brücken (Lister Damm, Am
Listholz, Eulenkamp, Spannhagenstraße,
Hebbelstraße) besteht aus Industrie- und
Wohngebiet unterschiedlicher Kategorie:
Man kann — vergröbernd — unterscheiden
zwischen Bebauung für anspruchsvolle Be-
völkerungsgruppen zwischen Eilenriede, Ru-
bens- und Podbielskistraße und z.T. qualität-
vollen, jedoch einfacheren Miet- und Genos¬

senschaftshäusern nördlich der Podbielski-
straße.
Podbielskistraße
Der wichtigste Straßenzug in diesem Bereich
ist die Podbielskistraße — ehemals Chaussee
nach Celle — die ihre in der Vergangenheit
gegründete Bedeutung als Ausfall-und Durch-
gangsstraße behalten hat: Sie gehört zu den
verkehrsreichsten und längsten Straßen in
Hannover, ihre beträchtliche Breite erhält
sie an der Einmündung der Waldstraße.
Vor 1900 fanden sich direkt an der Podbiels-
kistraße bis auf den historischen Lister Turm
(s.o.) und vereinzelte Gebäude z.B. in der
Nähe Immengarten (Podbielskistraße 113,
115) keine Häuser. Die heute vorhandene
Zeilenbebauung entwickelte sich nach 1900
ausgehend vom Lister Platz (s.o.) z.T. kon-
tinuierlich, z.T. in Sprüngen bis zum Ersten
Weltkrieg. Von der Podbielskistraße ausge-
hend und mit deren Bebauung meist bruch-
los zusammenhängend (z.B. Immengarten)
wurden Quer- und Verbindungsstraßen zur
Eilenriede (z.B. Hubertus-, Burckhardtstra-
ße) und durch Genossenschaften Quartiere


Podbielskistraße 11, „Bahlsen", 1910/11,
Architekten Brüder Siebrecht

Lister Straße 10, „Bahlsen", 1910, Architekten
Brüder Siebrecht


Lister Straße 10, „Bahlsen", Tor, 1910, Architekten Brüder Siebrecht, Terrakottadekor von
Hertling


(z. B. Spannhagen-/Klaus-Groth-/Podbielski-
straße) angelegt, die sich in ihrem auf die
Bewohnerschicht zielenden Anspruch durch-
aus unterscheiden. Die teilweise weiten
„Lücken" (z.B. Vier Grenzen) füllte man in
den zwanziger Jahren. So prägen heute den
Straßencharakter der kontrastreiche Wechsel
zwischen vor dem Ersten Weltkrieg entstan-
denen Häusern, die in ihrer Schmuckfreude
eine gewisse „Individualität" vortäuschen,
im ganzen jedoch sehr einheitlich wirken,
und der „nüchternen" Architektur der zwan-
ziger Jahre, die im größeren Rahmen Akzen-
te setzt). Dazwischen finden sich — ver-
gleichsweise unscheinbar — Ersatzbauten der
Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg.
Entscheidend für den Beginn und für den
sprunghaften Verlauf der Aufsiedlung ent-
lang der ehemaligen Landstraße scheinen
1897 der Bau der Straßenbahn nach Groß-
Buchholz und die Anbindung des Bereichs
ans elektrische Versorgungsnetz der Stadt
Hannover gewesen zu sein. Damit wurde
auch das weit außerhalb liegende Gebiet für
Bauherren interessant, zumal sich die Grund-
stückspreise hier noch in Grenzen hielten.
Ebenfalls eine wichtige Rolle für die Abfolge
der Besiedlung übernahm die Industrie:
Wohnstätten entstanden in der Nähe der
Arbeitsstätten. Drei dieser Fabriken schufen
sich architektonisch bedeutende Gehäuse,
die — über die Länge der Straße verteilt —
das Gesamtbild und die unmittelbare Umge-
bung entscheidend beeinflussen.
Bahlsen, Podbielskistraße 11 ff. und Lister
Straße 10 ff.

1893 ließ sich die Keks-Fabrik Bahlsen — ge-
gründet in der Friesenstraße — nahe dem
Lister Platz an der Lister Straße nieder und
vergrößerte sich in den folgenden 20 Jahren
bis an die Podbielskistraße. Die älteren Bau-
ten stammen von der Baufirma Riesle &
Rühling; für die Erweiterung von 1910/11
zog man zusätzlich die Brüder Siebrecht her-
an, auf die die Planung des Verwaltungsge-
bäudes und der Feuerwache an der Podbiels-
kistraße und des Fabrikationsgebäudes an
der Lister Straße zurückgeht.
Die stadtbildprägende Gruppe an der Pod-
bielskistraße beherrscht — den leichten Stra-
ßenknick ausnützend — der vortretende, vier-
geschossige, 15 Achsen umfassende Haupt-
bau mit flankierenden, im oberen Teil ver-
kupferten „Türmen" (Wasserturm). Den An-
schluß zur Flucht der westlich benachbarten
Häusern aus dem frühen 20. Jh. (vgl. Um den
Lister Platz) stellt ein Seitenflügel her. Die
etwas später entstandene östliche Begren-
zung der Gruppe bildet die durch Gliede-
rung, Putzfassade und Dachform deutlich ab-
gesetzte, an der Straßenflucht liegende Feuer-
wache, die über einen dreigeschossigen, zu-
rückgesetzten Trakt mit dem östlichen Was-
serturm verbunden ist; hier befindet sich
ein kleiner begrünter Vorhof.
Die Architektur gehört zu den besten des
späten Jugendstils in Hannover. Der durch
„Fensterbänder" betonten Horizontalen am
Seitenflügel setzt der großdimensionierte
Hauptflügel in der Bogenstellung, der über-

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