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Die Gartenkunst — 2.1900

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Marquardt, Kurt: Die strauchartigen Poteutillen
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Wieck, Hans: Gartenkunst als Kunstgattung?
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https://doi.org/10.11588/diglit.22267#0087

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76 DIE GARTENKUNST II, 4

kraut dem vorigen sehr, namentlich auch im Wuchs; die
Unterscheidungsmerkmale sind so gering, dafs beide von
vielen Botanikern garnicht mehr als besondere Arten ange-
sehen werden, vielmehr hält man P. dahurica meist für
eine, allerdings in der freien Natur ohne Zuthun des
Gärtners entstandene Varietät des P. fruticosa L.; P. dahurica
hat nur den Fehler, dafs es lange nicht so reich blüht wie
P. fruticosa. Beide Arten haben sich in Deutschland als
vollständig winterhart erwiesen. Sie eignen sich haupt-
sächlich für kleinere Gärten, da sie zu ihrer Entwickelung
nur geringen Raum beanspruchen. Da sie auch im Schatten
gut gedeihen und den Druck anderer Gehölze ohne Schaden
vertragen, kann man sie vortrefflich als Gruppenrand-
pflanzen verwenden. Sie sind überhaupt äufserst an-
spruchslos; sie wachsen in trockenem und magerem Boden
ebenso freudig und blühen dort ebenso willig wie in an
Nährstoffen sehr reichem und feuchtem Erdreich. Auch
ihre Unempflndlichkeit gegen alle äufseren Einflüsse ist
sehr grofs, namentlich aber behindern Staub und. Rauch
ihre Entwickelung so wenig, dafs die strauchartigen Poten-
tinen zu denjenigen Sträuchern zu zählen sind, die in den
Vorgärten der Grofsstädte ohne jegliches Risiko angepflanzt
werden können. Die Anzucht dieser beiden Gehölze er-
folgt im Frühjahr durch Aussaat in Handkästen, die in
ein kaltes Mistbeet gestellt werden, oder, sobald es die
Witterung einigermafsen gestattet, auf ein Beet in das
freie Land; man kann sie jedoch auch durch Teilung
älterer Pflanzen vermehren. Ihre Weiterkultur macht keine
Schwierigkeiten.

Aesthetik.

dlartenkuiist als Kunstgattimg?

(Aus dem „Versuch einer modernen Ästhetik" von 0. Bie.)
Von Hans Wieck.
In der „Huldigung der Künste" liefs Schiller sieben Genien
der Künste sprechen, den Genius der Architektur, den der
Skulptur, der Malerei, der Poesie, der Musik, des Tanzes und der
Schauspielkunst. In einer Schrift neueren Datums: „Zwischen
den Künsten" von Oskar Bie*), dessen interessante Ausführungen
in kurzer Besprechung mit besonderer Bezugnahme auf die
Gartenkunst in folgendem wiedergegeben werden sollen, finden
wir ebenfalls sieben Kunstgattungen unterschieden, jedoch in
der Weise, dafs Schauspielkunst und Tanz unter dem Ausdruck
„Mimik" vereinigt, und als erste Sprosse der aus der Natur sich
entwickelnden Kunst die „Gartenbaukunst" vorgeschoben ist.
Wir stehen vor dem seltenen Falle, dafs ein aul'serhalb unseres
Berufes Stehender einen Einblick in das Wesen der Gartenkunst
als Kunst gethan hat und sie aus dieser Erkenntnis heraus
bespricht. Die nachfolgenden Mitteilungen können in ihrer
Kürze natürlich nicht den Anspruch auf Vollständigkeit in
irgend welcher Beziehung machen. Sie sind zu dem Zwecke
geschrieben, zur Anschaffung des Buches zu reizen, welches,
trotzdem es bereits vor über 6 Jahren im Buchhandel erschienen
ist, in Gartenkünstlerkreisen meines Wissens noch nicht bekannt
ist. Die Entwickelung einer „Ästhetik von innen" im ersten
Teil des Buches findet im zweiten Teil ihre praktische An-
wendung auf die verschiedenen Kunstgattungen. Aus diesem
zweiten Teil ist das folgende entnommen.

*) Verlag voll S. Fischer, Berlin.

Bie definiert den Begriff der „Kunst" als „eine Fortsetzung
des Naturschaffens durch das Medium des Menschen" und
bezeichnet an anderer Stelle als die Logik aller Kunst: die
Stärke der Persönlichkeit. Von diesem Gesichtspunkt aus
löst sich der elementare Kunsttrieb vom Naturschaffen in erster
Linie in der Gartenkunst ab. Der schwere Druck des lebenden
Materials jedoch sträubt sich gegen eine delikate persönliche
Bewältigung und drängt die Individualität des Schaffenden,
des „Gartenbaukünstlers", in den bescheidensten Hintergrund.
Der Gartenkünstler spricht, selbst in seinen ausgeführtesten
Leistungen, weniger durch sich, als durch sein Material; das
letzte kann er niemals sagen, sein Material nimmt ihm dies
letzte Wort vom Munde. Nicht einmal der Begriff „Motiv-
entlehnung" läl'st sich auf ihn anwenden, denn sein Stoff ver-
langt den Charakter der Reminiscenz. Dennoch glaubt Bie
in dem leisen Durchschimmern der Persönlichkeit in den Werken
Reptons und Pücklers eine Entwickelung auch der Gartenkunst
nach dem Subjektiven hin zu erkennen, -r* Der Gartenkunst
schliefst sich die Mimik insofern enger als die Architektur an,
als die beiden ersteren sich des lebenden Materials bedienen.
Da jedoch die Mimik sich nicht mehr die unbewnfste, sondern
die bewulste Natur zum Stoff nimmt, hat sie eine gröfsere
intuitive Fähigkeit und, im Sinne reinerKunst, ästhetische Be-
deutung. Beiden Künsten gemeinsam ist die innere Wieder-
holung des aufsen Beobachteten; ihr Verhältniswert und das
poetische Element steigt mit der Feinheit der Beobachtung.
Gartenkunst und Schauspielkunst können sich nicht zu gleicher
ästhetischer Höhe entwickeln, wie die Architektur. Beide stehen
zu stark unter der Wucht des lebenden Materials. Die schlum-
mernden Werdekräfte der Natur zog die Architektur zu ästhe-
tischer Verselbständigung heraus und soviel als die absolute
Herrschaft des Stoffes abnimmt, vermindert sich auch die Zweck-
natur dieser Kunst und läl'st den Regungen des persönlichen Wil-
lens eine gröfsere Freiheit. Gegenüber dem Gartenkünstler ist der
Architekt die freiere Individualität. Der Druck des Materials
tritt, da es leblos ist, etwas zurück, der stilistische Zusammen-
hang 'der Bauwerke ist ein klein wenig ungebundener — so
grofs wie er auch immer noch ist im Vergleich zu den sub-
jektiveren Kunstübungen. (Zur Erklärung des Wortes Zweck-
natur kurz folgendes: Bie vinterscheidet: Zweckkunst und
Kunst der Persönlichkeit. Die Gartenkunst hat nach der
Art ihres Schaffens das Schwergewicht nach der Zweckkunst
hin. indem sie, immer in der ruhigen Überlegung und Berechnung
stecken bleibt und sich auf bestellte Wirkungen hin darbietet.
Es kann sich also in der Gartenkunst nicht die höchste In-
dividualität und Originalität entwickeln, das ästhetische Ideal,
das Vermögen, höchste „Intuition" oder gröfste individuelle
Tiefe unter persönlicher Ausreifung aufzudecken, ist hier nicht
denkbar.) —

Die Gartenkunst hat das lebende, die Architektur das
leblose Material herangezogen. Die Skulptur sieht in den
Wirkungen der Körperlichkeit im Linienspiel ihr Feld. Das
ästhetische Organ wird weniger durch das Material gereizt.
Die Wirkung beruht mehr auf einer Folge, einer als Eindruck
auftretender Eigenchaft. In der Malerei fällt noch mehr von
der Herrschaft des Stoffes fort. Nicht mehr Körperhaftigkeit,
sondern Flächenhaftigkeit reizt uns; die Materie hat aufgehört
zu reden. Der Eindruck, den wir haben, besiegt den Stoff,
wie ihn die Natur zeugt. Das Zweckliche tritt zurück, die
Macht der Persönlichkeit wächst. Der tönende ästhetische
Gehalt der Dinge läfst in der Musik die Persönlichkeit ganz
durchbrechen, das subjektive Leben erwacht in traumhafter
Intensität, und schliefslich ist in der Poesie die unumschränk-
teste Freiheit der Persönlichkeit erreicht; ganz Schein, ganz
 
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