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Die Gartenkunst — 2.1900

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Hampel, Carl: "Frei bildenende Künstler" "Freie Luft von außerhalb"
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140 DIE GARTENKUNST II, 8

den Wettbewerb zum König Albert-Park für die Garten-
kuust die Parole ausgegeben, „frei bildende Künstler"
heranzuziehen und die Mahnung ausgesprochen: „freie
Luft von aufserhalb her könnte ihre Kunst schon
brauchen."

Wie wenig der Autor des Artikels von der Gartenkunst
und ihrem Schaffen versteht, zeigt er in den wenigen
Worten für die Schaffung des Albert - Parkes: „Diesem
Stück Land soll ein eigenartiges Gepräge gegeben werden.
Es soll teilweise aus Schmuckplätzen, teils aus Parkanlagen
bestehen."

Aber auch eine aufserordentliche Unkenntnis in Bezug
auf den in Deutschland herrschenden Stil verrät der Ar-
tikel in den Worten: „so dafs zu erwarten steht, dafs
die hochentwickelte deutsche Landschaftsgärt-
nerei beweisen wird, selbständig schaffen zu
können, und dafs sie sich längst von den früheren
englischen und französischen Vorbildern losge-
sagt hat." — Gott sei Dank hat die deutsche Garten-
kunst diesen Beweis nicht mehr zu führen, denn sie hat
ihn längst erbracht. Hätte der Verfasser nur einige Kennt-
nis über die einschlägige Litteratur und über die Werke
dieser Kunst, so würde er auch wissen, dafs die Garten-
kunst in Deutschland mit Beginn des vorigen Jahrhunderts
die Fesseln des englischen und französischen Gartenstiles
ganz abgestreift hat. Das Verdienst, den deutschen Garten-
stil in ausgeführten Werken veranschaulicht und in der
Litteratur begründet zu haben, gehört den drei grofsen
Gartenkünstlern jener Zeit: Fürst Pückler Muskau, Lenne
und Gustav Meyer.

Unsere heutige Zeit ist so reich an Schlagworten, dafs
es gar nicht befremden kann, solche auch in dem vor-
liegenden Artikel zu finden. Das Wort „freibildende
Künstler" ist ein solches und hat als die Seele der
ganzen Abhandlung zu gelten. Unter dieser Maske ver-
birgt sich alles, was bei den wahren Künsten abgewiesen
ist, aber im Hochgefühl von dem eigenen Wert und der
eigenen Leistungsfähigkeit, im Vollgenufs einer derben
Unverfrorenheit sich in alles hineinmengt und, dem Glaubens-
satz von der „frei bildenden Kunst" huldigend, die nach-
äffende und urteilslose Menge fängt und bethört.

Wer auch nur etwas Verständnis von der Kunst,
ihrem Wesen, ihrer Formenbildung und dem Material, das
einer jeden besonders zur Verwendung steht, und ihren
Gesetzen hat, dem ist die Schwierigkeit wohl bekannt,
eine Kunst so recht zu verstehen und auszuüben; General-
genies aber kennt die Kunst nicht, also so begnadete
Künstler, die in jeder Kunst als Künstler gelten. Denn
selbst das Genie wird nur da etwas leisten, wo es das
Feld seiner speziellen Begabung beackert und pflegt. Auch
das Genie kann eines besonderen Studiums zur Hebung
des ihm innewohnenden Schatzes nicht entbehren; erst
mit dessen Hilfe wird es das angeborene Talent zur Voll-
endung bringen. Wird schon von diesem eine Unsumme
von Kenntnissen, Erfahrungen und ausführender Thätigkeit
verlangt, bevor es in der ausübenden Kunst das Form-
vollendete zu geben vermag, wie viel mehr von dem
grofsen Heere der Künstler, die weniger begnadet sind.

Es ist doch wirklich nicht möglich, von einem Ton-
künstler zu verlangen, dafs er daneben auch ein tüchtiger
Architekt sei; oder von einem Maler, dafs er zugleich ein
Bildhauer sei; der Architekt wird nicht deshalb zugleich
Maler, weil er Künstler wie dieser ist, ebenso der Bild-
hauer nicht befähigt, ein Gemälde zu malen; alle drei: der
Maler, Architekt und Bildhauer sind deshalb nicht Garten-
künstler, weil sie bildende Künstler sind, wie dieser. Alles
zu sein ist nicht möglich, daraus wird Verflachung ge-
boren, aus der Verflachung aber entsteht Vergehen der
Kunst.

Also wozu das Rühmen von der „frei bildenden Kunst",
das nur Verwirrung schafft und ein gesundes und ernstes
Streben zur Erfassung der wirklichen und wahren Grund-
sätze einer Kunst hindert!

Das Kunstgewerbe ganz Europas würde nie zu seiner
gegenwärtigen hohen Blüte gekommen sein, wenn es den
Ratschlägen des Artikelschreibers im „Kunstwart" gefolgt
wäre. Nein, es ist zu dieser hohen und künstlerischen
Blüte nur allein dadurch gelangt, dafs es die verschiedenen
Kunstzweige, einen jeden an seinen Platz in ihren Dienst
gestellt hat. Deshalb sagt der Artikel ~wohl sehr richtig:
„dem Eingreifen der Künstler verdanken wir den Auf-
schwung in allen angewandten Künsten, wo überhaupt
einer zu sehen ist". Die Folgerung daraus ist nur falsch,
dafs dieser durch ein willkürliches, gesetzloses Schaffen
gekommen sei. Die grofsen Erfolge sind vielmehr erst
dann gekommen, als man anfing, für das Kunstgewerbe
die Kunst zu formen und zu bilden. Man gehe nur einmal
in die Kunstinstitute hinein und man wird dies bestätigt
finden; auch wird man sehen, dafs der einzelne heut nicht
diesen, morgen jenen Zweig erlernen kann, dafs ich heut
nicht dieser, morgen jener Künstler sein kann — etwa wie
bei einem Automat, den ich auf den Knopf drücke und da-
bei auf dieser Seite dieses, auf jener jenes heraus bekomme.

Wer nur einen kleinen Einblick in das Kunstgewerbe
gewonnen hat, der weifs auch, dafs der ausübenden
Kunst das Material oft ungeahnte Schwierigkeiten bietet
und deshalb genau gekannt sein mufs, auch alle künst-
lerischen Formen im Bilden diesem angepafst sein müssen,
dafs sich also die verschiedenen Künste, die daran be-
teiligt sind, erst diese Kenntnis verschaffen mussten.

Selbst in derselben Kunst teilen sich die ausübenden
Künstler in verschiedene Zweige. So wird aus einem Porträt-
maler über Nacht kein Landschaftsmaler, aus einem Bild-
hauer kein Architekt. Es läge eine Anmafsung darin, das
zu wollen, und ebenso ist es eine Anmafsung, über Nacht
ein Gartenkünstler werden zu wollen.

In dem Artikel ist dann weiter zu lesen:

„Die Landschaftsgärtnerei in Ehren, aber freie
Luft von aufserhalb her könnte ihre Kunst schon
brauchen," während es in dem Absatz vorher heifst:
„. . . . dafs die hoch entwickelte deutsche Land-
schaftsgärtnerei beweisen wird, selbständig
schaffen zu können". In einem Atemzug wird also ge-
sagt: sie wird beweisen, dafs sie selbständig schaffen kann,
um sofort hinterher zu sagen, sie mufs frische Luft von
aufserhalb haben, — welcher Widerspruch! Erklären läfst
 
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