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Großherzoglich Badische privilegirte Heidelberger Tageblätter für Verkündigung, Politik und Unterhaltung (35) — 1841

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No. 191 - No. 200 (18. August - 28. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42548#0797

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TD ageblätter

für Verkündigung, Politik und Unterhaltung.



No. 196.



Dinstag, den 24. Auguſt

1841.

V



Heidelberg, 21. Auguſt. Der Einsender eines Artikels
über Verbeſſerung der hiesigen prot. Volkſchulen in Ihrem Blatte
No. 192 vom 19. d. rühmt mit großer Freigebigkeit Alles,
was in einer Reihe von Jahren von Seiten der Stadt für hö-
here Unterrichtsanſtalten geſchehen iſt, um darauf eine um so

hervortretendere Beſchuldigung gegen sie zu bauen, wenn der

Zuſtand der prot. Volkſchulen nicht gleich günſtig sich erweist.
Die Stadt, die mit gerühmtem Cifer jene höhere Anßalten
hervorgerufen und ausgerüſtet hat ~ sie, die mit gleicher
Liebe und in Eintracht mit dem kath. Schulvorſtande die Volks-
ſchulen dieser Conseſſion bedacht und in Gemäßheit des neuen
Schulgeſetzes regulirt hat – sie sollte den Verbesserungen hin-
dernd in den Weg treten, die von dem Schulvorſtande bei den
prot. Volkſchuien in Vorschlag gebracht worden wären ? Der
Herr Einsender hat mit dieser unwahrſcheinlichen Behauptung
sich eine Aufgabe gesetzt, die auf dem Wege der lautern Wahr-
heit nimmer erwieſen werden mag.

Wir kommen seinem Gedächtniſse vor Allem zu Hülfe, wenn
wir berichtigen, daß es nicht der Streit über Erhebung des
Schulgeldes war, der Jahre zu seiner Entscheidung erforderte
~ eine Eingabe an die h. Kreisregierung war genügend, ihn
zu beendigen —- ſondern es war ker Streit über einen Beitrag
der Lokaitirchenkaſſe, die großentheils nur zur Erhaltung der
beiden ehemals lutheriſchen Schulen beſtimmt war, und bei
ihrem großen liegenschaftlichen Besitze ſel b | ge g en die Ver-
„einbarung der Stadt mit der Majorität des prot.
Kirchengemeinderaths von jedem Beitrage befreit
werden ſollte. . Wir erinnern, daß nicht die Stadt die
Schuld trägt, wenn die Schulen ohne innern Zuſammenhang
in der Stadt zerſtreut liegen, weil sie bekanntlich die Schul-
baupflicht nicht über sich hat –~ und daß es eben so wenig
zunächſt ihr obgelegen, die Entscheidung der höhern Behörde
über die Stellung der Lehrer zu betreiben.

Dagegen wird die Stadt allerdings zugeben müſſen , daß
ſle dem einſeitigen Ansinnen des gegenwäitigen Hrn. Schulin-
ſpektors um einen weitern Unterlehrer, nachdem die Lehrerzahl
weit über das gesetzliche Maas rechtskräftig feſtgeſtellt war, bis
dahin keine Folge gegeben D nicht, weil sie dadurch mit wei-
tern 195 fl. belaſtet worden wäre, sondern weil ihr aus der
Mitte des prot. Kirchengemeinderaths selbſt von
kundiger H and nachgewiesen worden iſt, daß mit tem
achten Lehrer in der bezeichneten Weise der Zweck nicht einmal
erreicht werde, daß vielmehr auch ohne Vermehrung des Per-
ſonals die gewohnte Stundenzahl für den Unterricht der Kin-
der gewonnen werden könne. Wer das widerspricht, macht
sich einer schweren Anklage gegen das Gesetz schuldig, nnd
hâtte wenigſtens nicht unterlaſſen sollen, wahrheitsgetreu zu
berichten, daß die von einer Seite hartnäckig verfolgte Lehrer-
vermehrung, die das Einkommen der Uebrigen natürlich ver-
mindern müßte, niemals Beſchluß der Majorität des Schul-

vorſtandes geworden, und in dieser einzig und allein
zur Berathung der ſtädtisſchen Behörden geeigne-

ten Form dahin gelangt is. Der Zweck muß die Mito

tel heiligen, wenn behauptet wird, die Beschränkung des Un-
terrichtse der Kinder auf drei Stunden sey eine Folge höhere
Anordnung , nachdem die Stadt das Mittel verweigert habe,
die Klasſeneintheilung in der gesetzlichen Schülerzahl zu be-
wirken. Scheint es nicht, als wenn man beabsichtige, Unzu-
friedenheit zu erwecken und überdieß durch einen Appell an die
Familienväter ihren gerechten Groll über diese Unterrichtsbe-
schränkung auf die Gemeindebehörden zu richten, damit auf
dieſem Wege erreicht werde, was man außerdem zu erreichen
verzweifelt ?

heut Geselz hat der Gemeinde gegen ſchwere Geldopfser, die
ihr bis dahin fremd waren, einen gewiß wohlthätigen Einfluß
auf die Schulen gewährt , der nicht überall gefällt. Die städtiſche
Verwaltung aber kennt ihre Bürgerſchaft, wenn sie den gesetz»
lich gewonnenen Boden entſchieden behauptet. Darin lag der
Grund, warum ſie in ihrer Vervilligung für die Stellen
ſich ſtreng auf das beschränkte, was das Geſselz von ihr fordert.

Cie verdient aber den Vorwurf der Greichgültigkeit gegen dle

Fundamentalanſtalten der Volkserziehung und unzeitiger Karg-
heit nicht, wenn sie bei jeder Gelegenheit unbenutzt
wiederholte, daß sie, wenn dem jahrelangen Streite, dee
endlich zu Gunſten der Stadt entschieden worden iſt, entsagt
werden wolle, nicht nur ſstets bereit sey, tüchtige
Lehrkräfte, die anderswo nicht gewonnen werden
könnten, oder ſchon vorhandene ausgezeichnete
Lehrer mit widerruflichen Personalzulagen anz u-
ziehen und feſtzuhalten, sondern auch sich der krä f-
tig ten Beihülfe unterziehe, wenn durch Verein-
barung mit der hohen Behörde, welche das sür 5
Schulen baupflichtige Kirchenärar zu vertreten
berufen iſt, ein allgemeines Schulhaus für die
Proteſtanten erworben werden wolle. Sie hat über-
dieß zu dieſem Zwecke seit Jahren das ſtädiiſche Spritzenhaus,
weil in der Mitte der Stadt ein genügender Bauplatz sonſt
nicht leicht gesunden werden dürfte, zurückgehalten und oft
genug beklagt, ihre Mitwirkung zu dieſem Zwecke nicht in An-
ſpruch genommen zu ſehen.

Statt aber nach dieser erſten Bedingung der Verbesserung
der Schulen zu trachten – ſtatt den prooisoriſchen Vertrag,
der bereits ~ doch wohl vorzüglich von der Vertretung der
Stadt D bei Gelegenheit des Verkaufes eines Schulhauses ab-
geſchloſſen worden iſt, zu verfolgen, sucht man von einer Seite
das ganze Heil in dem achten Lehrer, unbekümmert ob der
eigne Schulvorſtand dafür gewonnen werden könne oder nicht,
und schleudert Vorwürfe gegen die Stadt und ihre Verwaltung
oder was noch weit ſchlimmer iſt, ſtreut Verdächtigungen aus,
als läge ihr der höhere Unterricht, den die Gesammtheit na-
 
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