706 Fries, Handbuch der praktischen Philosophie, 2ter Thei!,
mit diesem piötziich auf den Boden des entschiedensten
Rationalismus versetzt sehen wird, mufs auch ihm, wie
dem einseitigen Rationalismus, die nur ästhetisch-sym-
bolische Bedeutung aller Dogmen durchaus zuwider seyn,
denn in den Dogmen glaubt ja der Supernaturalismus den
verständig ausgesprochenen tnhalt der geoffenbarten re-
ligiösen Wahrheit zu haben, ihm müssen also die Dogmen
durchaus ganz eigentliche Bedeutung haben. Und wenn
der Mysticismus sich vielleicht hauptsächlich gern an
die Ableitung der Religion aus dem Gefühl und an die
philosophische Rechtfertigung der Ahndung als religiöse
Ueberzeugungsweise anschliefst, da er in diesem Gefühl
und dieser Ahndung eine dunkle, geheimnifsvoüe Quelle
seiner höheren inneren Offenbarungen, Visionen, Erfah-
rungen und eine psychologische Bezeichnung für sein
inneres Licht zu haben wähnt, so mufs er sich doch
auch bald wieder davon abwenden, wenn er findet, dafs
dieses Friesische Gefühl in seiner näheren Erklärung
keine einzige dieser Erwartungen erfüllt, und er mufs
sogar eine feindliche Stellung dagegen annehmen, wenn
er sieht, wie diese Ahndung nur eine ästhetisch-sym-
bolische Bedeutung hat, mithin sein Anspruch an ein
unmittelbares Schauen Gottes, ein unmittelbares Verneh-
men der ewigen Wahrheit selbst, ein empirisches Ver-
hältnis des Menschen zu dem göttlichen Seyn, als etwas
ganz Unmögliches entschieden abgewiesen wird. Aber
ungeachtet dieses theilweise günstigen und theilweise
wieder ungünstigen Verhältnisses der religionsphilosophi-
schen Ansicht von Fries zu unseren theologischen Par-
theien, ist sie doch von nichts mehr entfernt, als von
einem schwankenden und schwächlichen Streben nach
blofser Vermittlung und Verdeckung der Gegensätze,
und von der Begünstigung eines principlosen, flachen
theologischen das, mit Hülfe künstlicher
dialektischer Spiele und gezwungener allegorischer Deu-
tungen, die Versöhnung zwischen historischer Tradition
und freiem Denken, zwischen positiver, altkirchlicher
Dogmatik und Philosophie bewerkstelligt zu haben sich
mit diesem piötziich auf den Boden des entschiedensten
Rationalismus versetzt sehen wird, mufs auch ihm, wie
dem einseitigen Rationalismus, die nur ästhetisch-sym-
bolische Bedeutung aller Dogmen durchaus zuwider seyn,
denn in den Dogmen glaubt ja der Supernaturalismus den
verständig ausgesprochenen tnhalt der geoffenbarten re-
ligiösen Wahrheit zu haben, ihm müssen also die Dogmen
durchaus ganz eigentliche Bedeutung haben. Und wenn
der Mysticismus sich vielleicht hauptsächlich gern an
die Ableitung der Religion aus dem Gefühl und an die
philosophische Rechtfertigung der Ahndung als religiöse
Ueberzeugungsweise anschliefst, da er in diesem Gefühl
und dieser Ahndung eine dunkle, geheimnifsvoüe Quelle
seiner höheren inneren Offenbarungen, Visionen, Erfah-
rungen und eine psychologische Bezeichnung für sein
inneres Licht zu haben wähnt, so mufs er sich doch
auch bald wieder davon abwenden, wenn er findet, dafs
dieses Friesische Gefühl in seiner näheren Erklärung
keine einzige dieser Erwartungen erfüllt, und er mufs
sogar eine feindliche Stellung dagegen annehmen, wenn
er sieht, wie diese Ahndung nur eine ästhetisch-sym-
bolische Bedeutung hat, mithin sein Anspruch an ein
unmittelbares Schauen Gottes, ein unmittelbares Verneh-
men der ewigen Wahrheit selbst, ein empirisches Ver-
hältnis des Menschen zu dem göttlichen Seyn, als etwas
ganz Unmögliches entschieden abgewiesen wird. Aber
ungeachtet dieses theilweise günstigen und theilweise
wieder ungünstigen Verhältnisses der religionsphilosophi-
schen Ansicht von Fries zu unseren theologischen Par-
theien, ist sie doch von nichts mehr entfernt, als von
einem schwankenden und schwächlichen Streben nach
blofser Vermittlung und Verdeckung der Gegensätze,
und von der Begünstigung eines principlosen, flachen
theologischen das, mit Hülfe künstlicher
dialektischer Spiele und gezwungener allegorischer Deu-
tungen, die Versöhnung zwischen historischer Tradition
und freiem Denken, zwischen positiver, altkirchlicher
Dogmatik und Philosophie bewerkstelligt zu haben sich