816 Julius. Sieben Gesänge von J. H. v. Wessenberg.
dienst anrechnen, besonders wenn man an die Natur seines
Gedichts denkt.
Zu einer Vergleichung mit der Luise von Vofs und
mit Göthe's Hermann und Dorothea wird weder der
Kunstbeurtheiler noch der Leser veranlafst. Auch sind
Vergieichungen dieser Art weder gerecht noch natüriich,
wo das neue Kunstwerk weder Nachahmung noch Rival
der andern seyn will. Jene unsterbiichen Idylien be-
schränken sich auf die Schiiderung einer Liebe, die im
erstem gar kein Hindernifs, im letztem ein nur in der
Einbiidung bestehendes vorfindet, das desto schöner sich
entfaltet und gehoben wird; wobei aber die grofsen An-
gelegenheiten der Menschheit bei Vofs nicht berührt,
von Göthe nur benützt werden, um die zwei Haupt-
personen in ihrem individuellen liebenswürdigen Lichte
aus der übrigen Weitverwirrung hervorzuheben. Der
Dichter des Juiius hat es vorgezogen, die Verbindung
dieses jungen Mannes mit der schweizerischen Luise, ehe
wir seinen weiblichen Genius nennen möchten, als den
schönen Lohn der unversehrten Bewahrung seines sittli-
chen Charakters bei allen Eindrücken der Welt, in die
er verHochten ward, darzustellen. Wesentlich aber ge-
hörte es zu seinem Plan, die bedeutendsten Erscheinungen
der neuesten Zeit, mit Rückblicken auf die Vorzeit und
auf das Eigentümliche verschiedener Völker in einem
treuen Spiegel zu zeigen. Sie sollten sich in der Seele
seines Julius so reüectiren, dals das wahrhaft Grolse,
Schöne und Edle von allem falschen Schein sich ablöse
und scheide. Es sollte mit möglichsterKlarheitaus einer
der Wahrheit und Tugend geweiheten Dichtung überall
dies hervorleuchten, dals der Mensch trotz allem Wirren
und Wechseln der Zeiten die Befriedigung seiner edlem
Natur erreichen könne, wenn er aufrichtig das Göttliche
verehrt, in dem Menschen seinen Bruder liebt, und un-
verriickte Treue in der Liebe bewahrt.
fPer BescMu/s
dienst anrechnen, besonders wenn man an die Natur seines
Gedichts denkt.
Zu einer Vergleichung mit der Luise von Vofs und
mit Göthe's Hermann und Dorothea wird weder der
Kunstbeurtheiler noch der Leser veranlafst. Auch sind
Vergieichungen dieser Art weder gerecht noch natüriich,
wo das neue Kunstwerk weder Nachahmung noch Rival
der andern seyn will. Jene unsterbiichen Idylien be-
schränken sich auf die Schiiderung einer Liebe, die im
erstem gar kein Hindernifs, im letztem ein nur in der
Einbiidung bestehendes vorfindet, das desto schöner sich
entfaltet und gehoben wird; wobei aber die grofsen An-
gelegenheiten der Menschheit bei Vofs nicht berührt,
von Göthe nur benützt werden, um die zwei Haupt-
personen in ihrem individuellen liebenswürdigen Lichte
aus der übrigen Weitverwirrung hervorzuheben. Der
Dichter des Juiius hat es vorgezogen, die Verbindung
dieses jungen Mannes mit der schweizerischen Luise, ehe
wir seinen weiblichen Genius nennen möchten, als den
schönen Lohn der unversehrten Bewahrung seines sittli-
chen Charakters bei allen Eindrücken der Welt, in die
er verHochten ward, darzustellen. Wesentlich aber ge-
hörte es zu seinem Plan, die bedeutendsten Erscheinungen
der neuesten Zeit, mit Rückblicken auf die Vorzeit und
auf das Eigentümliche verschiedener Völker in einem
treuen Spiegel zu zeigen. Sie sollten sich in der Seele
seines Julius so reüectiren, dals das wahrhaft Grolse,
Schöne und Edle von allem falschen Schein sich ablöse
und scheide. Es sollte mit möglichsterKlarheitaus einer
der Wahrheit und Tugend geweiheten Dichtung überall
dies hervorleuchten, dals der Mensch trotz allem Wirren
und Wechseln der Zeiten die Befriedigung seiner edlem
Natur erreichen könne, wenn er aufrichtig das Göttliche
verehrt, in dem Menschen seinen Bruder liebt, und un-
verriickte Treue in der Liebe bewahrt.
fPer BescMu/s