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1216 Bohtz, Geschichte der neuern deutschen Poesie u. s. w.

funden zu haben. Die Kritik war vortrefflich dazu ge-
macht, Vorurtheile wegzuräumen; konnte zerstören, aber
nicht aufbauen. Ein Gottsched oder eine französische
Academie konnte auf den hirnlosen Einfall kommen, nach
ihren Vorschriften und Mustern könne man Gedichte nach
Beheben machen, ahein ein Lessing wufste wohl zu
trennen, und Sulzer bekennt a!s den Hauptzweck seines
Werkes, den Künsten mehr Kenner oder wahre Liebhaber
zu verschaffen, weif er von einer regemTheiinahme eine
gröfsere Biüthe derselben erwartete. Man mufs aber nur
sehen, wie sich Göthe zu Suizer verhält in seinen Kritiken,
und wie er seibst Lessings Verdienste anzuerkennen am
langsamsten ist, um einzusehen, wieweitder ächteBichter
vom Kritiker entfernt ist; man mufs nur auf die vorsich-
tige Art zu arbeiten, und auf die Stehung Ramlers zu
allen Dichtern der kritischen Schuie achten, die nichts
von dem „kühnen Wurf und ersten Guts" woiiten, die
„ein talentvoller Mann in poetischer Prosa zu empfehlen,
in prosaischer Poesie auszuüben begannneben den Flufs
der Dichtung bei Göthe, wenn er einmal mit einem Ent-
wurf zu Ende gekommen war, neben der Dichte! gäbe, die
sich bei diesem in seinen Jugendjahren am reichlichsten
ungerufen einstellte, „unwillkührüch, ja wider Willen
hervortrat" und dann jene Poesien hervorbrachte, für die
er selbst die gröfste Ehrfurcht zu haben gesteht. Wenn
man dies erwägt, so wird man begreifen, dafsdieKritik
an den Werken der Kunst keinen unmittelbaren EinHufsübt.
Vielmehr wäre es eine Aufgabe des Historikers gewesen,
zu zeigen, wie die verschiedenartige Kritik der Schw eizer,
der Berliner, Lessings, Humboldts erst durch die ver-
schiedenartige vorausgegangene Poesie veranlafst war.
Dann würde er gefunden habe, dafs jene Hauptepoche der
Berliner z. B. eine ganz natürliche Folge der Klopstock-
schen Dichtung war. Neben dieser bestanden die Werke
der Rabener, Geliert, Gleim und Uz, die mehr auf eine
ernstere oder leichtere praktische Lebensphilosophie aus-
gingen, als auf religiöse Moral, an denen meist der Ver-
stand mehr Anthei! hatte, als die Einbildungskraft.
fZHe FortsetzMMg*
 
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