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N°. 45. HEIDELBERGER 1835.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Korallen von Franz Freiherrn Gaudy.
( B e s chluf s.)
Im meisterlich geschilderten Kampfe mit diesen Unthieren
erreicht der Reisende glücklich die hüttenartige Wohnung eines
polnischen Edelmanns, der ihm Schutz und Obdach gewährt. Die
Schilderung dieses Mannes ist ächte Poesie :
Stumm schauend , wie in dem Kamin
Die Funken tanzend aufwärts fliehn,
Sitzt an der Gluth ein edler Greis.
Das kurze Haar, wie Silber weifs,
Fällt über die Schläfe glatt und schlicht,
Doch deckt’s der Stirne Runzeln nicht;
Im Auge, beschattet von buschichten Brau’n,
Ist ungezähmte Gluth zu sehaun,
Als verspotte sein jugendlicher Glanz
Der spärlichen Haare silbernen Kranz.
Siehst du des Auges keckes Schimmern,
In kummergefurchtem Angesicht
Lebendig glühend , wer dächte nicht
An Marius auf Karthago’« Trümmern? (S. 61.)
Es ist ein Mann der lang entschwundenen Zeit, der streng nach
der Väter Weise altpolnisches Kleid und Herz bewahrt hat. Mit
ritterlicher Courtoisie begrüfst er den Franzosen, und leicht
schlingt sich der Rede trauliches Rand um die Männer, deren
Vaterland sich stets verwandt war. (Schöne Ausführung, S. 63.)
Gastfreiheit hat den Fremdling bald erwärmt; der Greis (er heifst
Sroginsky) beweint mit ihm Polens Loos und die Gegenwart;
dann aber kehrt er sich zur Vergangenheit, und erzählt ihm eine
Sage voller Weh aus vergangener Zeit. Die Schönheit der pol-
nischen Frauen wird geschildert, und dies Gemälde bildet den
Eingang der Haupterzählung :
Geheiinnifsvoller Zauber umwallt
Der schlanken Folin biegsame Gestalt.
Geheimnifsvoller Zauber wiegt
Sich in der bliihnder Glieder Regung,
Wenn unbewufst sich jede Bewegung
Der Anmuth zartem Gesetze fügt.
XXVIII. Jahrg. 7. Heft.

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