DOI Heft:
No. 49
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.37277#0153
N°. 49. HEIDELBERGER 1835.
JAHRBÜCHER HER LITERATUR.
PhillipsDeutsche Geschichte.
( Bes chlufs.)
Die angegebenen Gründe aber sind diese : i) weil kein Schrift-
steller jener Zeit sich mifsbilligend darüber ausgesprochen; 2) weil
der Major Domus als Lehnsherr des austräsischen Adels im un-
gestörten Besitz der königlichen Gewalten des Heer- und Ge-
richtbannes, und zwar ohne Usurpation, jedoch auch ohne den
Titel Rex zu führen gewesen; 3) weil die germanischen Reiche
erbliche Wahlreiche und der Majordomus mit dem Adel den Kö-
nig gewählt habe; 4) weil schon früher in Austrasien der Major-
domus dem neuslrasischen Könige gleich einem austrasischen Kö-
nige, wenn auch ohne den Titel Rex.gegenübergestanden; 5) weil
nur allein noch ein austrasischer Adel bestanden und dieser im
Falle des Aussterbens der Merovinger allein über die Wahl in
sämmtlichen fränkischen Reichen zu entscheiden gehabt und daher
nothwendig der Thron Pipin habe zufallen müssen; 6) weil der
Stamm der Merovinger entnervt, schwache Kinder immer auf
einander gefolgt seyen und damals nur noch ein blödsinniger
Spröfsling und sein Sohn vorhanden gewesen : es wäre daher der
schwache Freie in die Vormundschaft seines nächsten Erben ge-
sunken, nach der Regel: »der Todte erbt den Lebendigen,«
Pipin wäre der Lebendige gewesen, den der Adel sich zum Kö-
nig erwählte; 7) weil das Geschlecht des heil. Arnulph mächtiger
und angesehener gewesen, als das gesunkene Merovingische, und
daher die Bedeutung eines königlichen Geschlechts gewonnen,
und zwar ohne alle Usurpation, so sey nach germanischen Rechts-
ansichten Pipin, nicht Childerich RI. König gewesen, obwohl
Letzterer den Titel Rex führte ; 8) weil Pipin durch den Aus-
spruch des Pabstes auch das göttliche Recht für sich gehabt habe.
Es kann gewifs nicht bestritten werden, dafs es ein grofses
Glück für das fränkische Reich war, dafs die schwachen Mero-
vinger die Regierung verloren: auch scheint es der allgemeine
Wunsch der Nation gewesen zu seyn. Dafs aber die Merovinger
in solchen Verfall geriethen, veranlafsten die Majores Domus,
hauptsächlich aus des heil. Arnulphs Geschlecht und zwar durchaus
XXVIII. Jalirg. 8. Heft. 49
JAHRBÜCHER HER LITERATUR.
PhillipsDeutsche Geschichte.
( Bes chlufs.)
Die angegebenen Gründe aber sind diese : i) weil kein Schrift-
steller jener Zeit sich mifsbilligend darüber ausgesprochen; 2) weil
der Major Domus als Lehnsherr des austräsischen Adels im un-
gestörten Besitz der königlichen Gewalten des Heer- und Ge-
richtbannes, und zwar ohne Usurpation, jedoch auch ohne den
Titel Rex zu führen gewesen; 3) weil die germanischen Reiche
erbliche Wahlreiche und der Majordomus mit dem Adel den Kö-
nig gewählt habe; 4) weil schon früher in Austrasien der Major-
domus dem neuslrasischen Könige gleich einem austrasischen Kö-
nige, wenn auch ohne den Titel Rex.gegenübergestanden; 5) weil
nur allein noch ein austrasischer Adel bestanden und dieser im
Falle des Aussterbens der Merovinger allein über die Wahl in
sämmtlichen fränkischen Reichen zu entscheiden gehabt und daher
nothwendig der Thron Pipin habe zufallen müssen; 6) weil der
Stamm der Merovinger entnervt, schwache Kinder immer auf
einander gefolgt seyen und damals nur noch ein blödsinniger
Spröfsling und sein Sohn vorhanden gewesen : es wäre daher der
schwache Freie in die Vormundschaft seines nächsten Erben ge-
sunken, nach der Regel: »der Todte erbt den Lebendigen,«
Pipin wäre der Lebendige gewesen, den der Adel sich zum Kö-
nig erwählte; 7) weil das Geschlecht des heil. Arnulph mächtiger
und angesehener gewesen, als das gesunkene Merovingische, und
daher die Bedeutung eines königlichen Geschlechts gewonnen,
und zwar ohne alle Usurpation, so sey nach germanischen Rechts-
ansichten Pipin, nicht Childerich RI. König gewesen, obwohl
Letzterer den Titel Rex führte ; 8) weil Pipin durch den Aus-
spruch des Pabstes auch das göttliche Recht für sich gehabt habe.
Es kann gewifs nicht bestritten werden, dafs es ein grofses
Glück für das fränkische Reich war, dafs die schwachen Mero-
vinger die Regierung verloren: auch scheint es der allgemeine
Wunsch der Nation gewesen zu seyn. Dafs aber die Merovinger
in solchen Verfall geriethen, veranlafsten die Majores Domus,
hauptsächlich aus des heil. Arnulphs Geschlecht und zwar durchaus
XXVIII. Jalirg. 8. Heft. 49