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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-74 (1. März 1902 - 29.März 1902)
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und übertrifst den Februar des günstigen Fahres 1869
noch um ruud 400 OtX) M. Auch in sachsen ist eine
Besserung zu bcrzeichuelu dic sächsischen Staatsbahiren
weisen eine Mehreinnahmc von rund 200 000 Mark
auf, wovon allerdings nur 22 400 Mark auf den
Güterverkehr entfallen. Auch die Pfälzischen Bahnen
haben nanientlich infolge dcs gesleigerten .trohlenverkehrs
eine Mehreinnahme von rund 27 000 M. erzielt. So
vorsichlig wir iu der Bewertung derjenigcn Anzcichen
sein möchten. aus denen der Schlutz auf eine Wiederkehr
besserer wirtschaftlicher Zeiten gezogen werden kaniu so
glauben wir doch nicht fehl zu gehen, wenn wir die
allgcmeine Einnahinesteigerung der deutschen Bahnen
dahin dcuten, datz nicht nnr dcr Tiefpunkt der Krisis er-
reicht ist. sondern datz anch ein positive Aufwärtsbeweg-
ung bereitS eingesetzt hatz von der wir ohne Optimismus
wohl aunehmen dürf-^, datz sie sich weiter fortsetzen und
bald wieder den früheren Stand erreichen wird. Dann
steht wohl auch zu erwarten, datz die Reaierung, dem ein-
lnütigcn Wunsch der Budgctkoniinission der 2. Kanimec
entiprechend, den 2 Pfg.-Tarif fiir die 3. 5rlasse cinführt.

Ausland.

Ruhland.

P elersüurg , 25. März. Der „Regierungsbote"
veröffentticht einen Bericht über die Studente n u n-
r u h e n in Moskau. Das Blatt stcllt fest, datz seit Ende
1901 unter den Hörern der Hochschulen eine regierungs-
feindliche Bewegung ausgebrochen sei. Die Leiter der
Bewegung bcschränkteu sich nicht mehr wie früher darauf,
verschiedene Reformen in dcm Hochschulwesen zu ver-
langen, sondern bcmühten sich, in Reden auf verbotcnen
Bersannnlungen nnd geheimcn Aufrufen und Proklama-
tionen die studierende Jugend in einc politische Bewegung
hineinzuziehen, indem sie offen crklärten, datz die Form
der jetzigen Negierung gcändert werden müsse. Zugleich
machten die Leiter der Bewegung in der Gesellschaft unter
deu Arbeitern der großen iLtädte für dio Bewegung
Propaganda. Um diese Bestrebungcn kundzugeben, ver-
anstalteten die Agitatoren in verschiedenen Städten
Straßendeinonstrationen. Jn Moskau fanden am 22.
Februar und 2. Blärz .Kundgebungen statt. Vor und
währcnd der Kundgebungen wurden im ganzen 682 Per-
sonen verhaftet, wclche Kundgebungen vorbereitet hatten,
an ihnen teilnahnien, oder ihrer perjönlichen Gesinnung
wegen strafbar sind. Es war anfangs beabsichtigt,
alle in entfernte Gegenden des Reiches zu verschicken, wo
sie längere Zeit unter Polizciaufsicht leben sollten. Der
K a i s e r befahl jedoch, nur die Hauptschuldigen ins
Generalgouvernement Jrkutsk zu verbannen und die übri-
gen Tciluehmcr mit drei bis sechs Monaten Gefängnis
zu bestrafcn. Jns Generalgouvernement Jrkutsk wur-
den 35 Personen für die Dauer von zwei bis fünf Jahren
verbannt. 667 Personen wnrdcn mit drei bis sechs !
Monaten Gefängnis bestraft, sechs an Orten, wo die !
Eltern und Verwandte leben, für die Dauer eincs Iahres !
unter Poiizeiaufsicht gestcllt. Gegen vierzehn wurde das !
Verfahren eingestellt. Unter den Beteiligten befinden !
sich 537 Studenten der Moskauer Universität, 56 Stu-
dentcn vcrschiedener iMoskauer Hochschulcn und Jnstitute,
66 Hörerinnen verschiedener Kurse und 34 Personen ver-
schiedener Stände, darunter auch Frauen. Die meisten
werden die Gefängnisstrafe in Archangel verbützen.

H a n n o v e r, 24. März.

Aie Keneral'versammtung des Meröandes für
volkstürntiche Knrse von Kochschukkehrern des
Aeutschen Weiches

fand am Blontag hier im Saale dcs „Hotel Royal" statt.
Nach Begrützung der Vcrsamlung, in der sich Vertretcr
der Volkshochschulbelvegung aus allen Teilen Deutsch-
lands vereinigten, durch den Vorsitzenden Geheimrat

Prof. Dr. Engler (Karlsruhe) wurde zunächst von
der Geschäftsführung der Jahresbericht des Verbandes
erstattet. Nachdem dann der Kasseubericht vorgelegt
war, der mit einem Ueberschuß von rund 1800 M. schloß,
wurde dem Kassenführer Entlastung erteilt. Darauf
Nnirde der Antrag des Müuchener Volkshochschulvereins,
die deutsch-österreichischen Volkshochschul-Vercinigungen
in den Verband aufzunehmen, in eingehender Debatte
erörtert. Von allen Seiten wurde dem Gedanken einer
näheren Beziehung zu den österreichischen Vereinigungen
für volkstümliche Hochschulkurse die lebhafteste Sympathic
cntgegengebracht und dcnigemäß die Anknüpfung weiterer
Verhandlungcn darüber durch eine zu dem Zwecke schou
bestehende Kornmission in Aussicht geuommen. Der Vor-
stand des Verbandcs wurde durch Akklamation wieder-
gewählt. Als Ort der nächstjährigcu Generalversamm-
lung und Konfercnz wurdc KarlSruhe bestinimt.

Im Anschlutz an dic Generalversaminlung begann
um 4 Uhr nachmittags in der Tierärztlichen Hochschule
die Konferenz. An derselbön nahmen zahlreiche auswär-
tige und hiesige Professoren, sowie einige Vertreter der
Arbeiterschaft teil. Ten ersten Punkt der Besprechung
bildete ein Referat des Hcrrn Brcdereck von der
Zentralstelle für Arbeiter-Wohlfahrtscinrichtungen in
Berlin über die Beteiligung von Vertretern der Arbeiter-
schaft an der Organisation von Volkshochschulkursen.
Der Referent besprach zuuächst die Verschiedenartigkeit
der Handhabung, mit welcher nian in den einzelnen
Städten die Volkshochschulkurse leitet und teilte mit, datz
znr Zeit in 20 deutschen Städteu Komitees für Volks-
hochschulkurse bestehen. Jn eiuzelnen Städten geschicht die
Veranstaltuug und Leitung der Kurse lediglich durch
Dozenten-Komitees, in den nieisten Städten hat man aber
Bürgerschaft und Arbeiterschaft zu den Komitees heran-
gezogen und damit überall die günstigsten Erfolge er-
zielt. Ter Refercnt wies darauf hin, daß die Knrse
überall f ü r die Arbeiter veranstaltet scien, cs werde zu
erwägen sein, inwiefern man am besten die Arbeiter
auch an der Organisation derselben bcteilige.

Geh. Rat Engler - Karlsruhe macht ausführliche
Mitteilungen über die Erfahrungen, die er im Karls-
ruher Verein für Volksbildung gemacht habe. Dort habe
man die Arbeiter in allen Abteilungen der Organisation
zur Mitarbeit herangezogen, und es ist besonders von
Wert gewesen, aus den Konferenzen die Stimmung der
Hörerschaft übcr die Kurse durch die Vertreter der Ar-
beitcr zu erfahren, wie andcrerseits die Arbeiter durch
ihre Beteiligung an den Vorbereitungen der Vortrags-
kurse auch eine gewisse Verantwortung mit übernehmen.
Redner svrach sich dahcr empfehlend sür die Heranziehimg
der Arbeiterschaft zu den Komitees aus.

Geh. Oberregierungsrat P o st - Berlin teilte mit,
daß in Berlin ein eigenes großes Komitee für Volks-
bochschulkursc nicht ins Leben gerufen sei, weil eine dort
bereits vorhandene ähnlichc Organisation aus Arbeiter-
kreisen die Sache der Volkshochschulkurse in Gemeinschaft
mit dcr in Berlin gegründete» Tozenten-Vereinigung in
die Hand genommen habe.

Geheimer Regierungsrat Tirektor Tr. D a m m a n n
bestätigte, datz man auch in Hannover die günstigsten
Erfolge mit der" Heranziehnng der Arbeiter-Vertreter
zu dem Ausschusse erzielt habe, dergestalt, datz ein wirk-
licher Nutzen der Volkshochschulkurse ohnc ihre Blit-
wirkung kaum denkbar sei. Professor Titius - Kiel
Iprach seine besondere Befriedignug darüber aus, datz man
in Karlsruhe eine Volkslesehalle neben den Hochschul-
kursen errichtet habe und teilt mit, datz man in Kiel beäb-
sichtige, auch künstlerischc Beftrebungen mik in die Ziele
der Organisation aiifzunehmen. Ticser Bedner, wic
auch Prof. Tr. H a h n - München betonten, daß es trotz
des Nutzens der Beteiligung dcr Arbeiter an der Verwal-
tung uötig sei, den Tozenten für dic Besprechung per-
soneller und technischer Fragen einen eigenen Ausschutz
zu belassen. Prof. Hahn konnte aus München über gün-
stige Erfolge berichten, die der dortige Volkshygiene-

Verein damit erreicht habe, daß er in den eigenen Lw
kalen der Arbeiter-Organisationen Vorträgc abhielu
die somit ausschließlich dieseu zu Gute kamen, während
sonst vielfach die gebildeteren Stände den Arbeitcrn iin
Bcsuche der Kurse den Rang ablanfen. Geh'. ObÄ-
Negierungrat Post-Berlin bezeichnet diesen Gedankcn als
durchaus richtig und gut, aber auch als sehr kostspielig-
so daß man vorersr an eine weitere Verbreitung dieser
Fdee nicht denken könne. Was die von Professor Titins
angeregten Nebenbestrebungen, Volkslesehallen usw. anbe-
treffe, so seien dies Aufgaben dcs Vereins für Verbrei-
tung von Volksbildung", der gern mit Rat und Thm
helfe, wo cs gewünscht werde. In der weiteren Debatte,
an der sich Professor Lehmann-Marburg, Geh. Rat Diels-
Berlin und andere beteiligen, wurden Erfahrungen über
die Verbindung der Kurse mit Volksbibliotheken uiid
Lesthallcii ausgctauscht, ohne daß man hicrüber zu besoin
deren Resultatcn gelangte. Dagegen konnte es der Vor-
sitzende, Geh. Regierungsrat Engler-Karlsruhe, als das
Ergebnis der Beratungen über den ersten Punkt der
Tagesordnung feststellen, datz man im allgcmeinen der
Uebcrzeugung sei, datz die Heranziehung de.r Arbeitcr M
der Organisation dclj- Volkshochschulkurse .zweckmätzib
und wünschenswert erscheine. Ein zweiter Punkt dek
Tagesordniing „Prüfung und Aussteüung von Zeusi°
nisfen für die Teilnehmer an Volkshochfchulkursen" mutzte
wegen Erkrankung des Refcrenten von der Tagesordnunsi
abgesetzt werden.

Klcine Zeitung.

— Ein hiibschcr Zug dcs dcntschen Kronprinzcn. Äut

dem Programm, das während der Anwcsenheit des deut-
schen Kronprinzen in der alten Reichsstadt Rothenbursi
o. T. au.fgestellt war, stand auch eine Fahrt ins Taubeb-
thal. Wie überall bci solcheu uud anderen Gelege"-
heiten war die liebe Schuljugend in eincm grotze"
Schwarm hinter, neben und vor den Wagen. Da aber
die Fahrt ziemlich rasch und zu Thal ging, mutzte die
Mehrzahl der Schüler nach und nach immer weiter Z"-
rückbleiben und der Abstand zwischcu sten Wagen mit dest
hohen Herrschaften und der patriotischvergnügten
gend wurde immer größer. Eiuigen Dauerläufern ge-
lang es, trotz der raschen Fahrt dicht bei den Plagen M
bleiben, bis die Steigung an der sogenannten langeP
Steige kam; nun aber wollten dcn 'Schnelläufern dw
Llräfte versagen. Ta ließ dcr Krouprinz halten, hieß
zivei derselben auf den Kutscherbock zu dem in der höchsteu
Gala befindlichen Postillon sitzen, drei weitere wurde"
in dem zurückgeschlagenen Dache des zweiten Wage"-'
untergcbracht, und so ging es fl.ott durch die Stadt zuR
Bahnhof. Die kleincn Passagiere in dem Wagen des
Kronprinzen wurden nicht wenig voy dem Publikum ast-
gestaunt und nicht minder von ihren AltersgenosstN
beneidet.

— Profcssor Rndolf Virchow machte am Sonntag
Blittag seine erste Ausfahrt nach dem schweren llnfalk
Sie galt dem pathologischen Museum. Seine Assistentcst
und einige Studenten erwarteten den greisen Gelehrte"
an der Anstalt und erfreuten ihn durch lleberreichustg
eines Rosenstraußes. Ter Wiederhergestellte sah gut aist
und ging wieder ganz rüstig. Er freute sich, scine Lieb-
lingsschöpfung wiederzusehen und empfand beim Rund'
gange eine hohe Befriedigung, datz die Arbeiten wäw
reitd seiner unfreiwilligen Abwesenheit nicht gcstockt hat-
ten.

— Aus wclchem Mctall besteht dcr Zahn dcr Zcst?

Tiese Frage löst cin Mitarbeiter der „Halleschcn Zc"
tung", indem er autz Osendorf (im Saalkreise) über eiucr'
Urnenfund schreibt: „Bei den Aufräumungsarbeitcu
der^ hiesigen Kiesgrube wurde eine gut crhaltene Urst^
blotzgelegt. sie ging leider in Schcrben. Als Iuhast
fand sich ein Reitersporn vor: der Zahn der Zeit hatte lei-
der schon den Gegenstand arg mitgcnommen und schicst
aus Bronze angefertigt zu sein. Die Reste befiiiden sm

„Tnnn musz ich mich zu mangclndem VcrständniS bekcnncn.
Jch wcitz nicht, Ivoranf Sie anspiclcn."

„Sie wollcn es nicht wisscn, Hcrr Doktor", erwidcrte Cäcilic
in cincm Anflug von llngeduld. „Sonst kann Jhncn doch
nicht vcrborgcn gcblicbcn scin, was alle Wclt wcitzk"

„Sok llnd was wärc das, wcnn ich fragcn darf?"

„Tatz die jnnge Fran von ihrcm Mann stark vcrnachlässigt
wird, seitdcm er wcitz, datz sie ihm das Vcrmögcn nicht zu-
gcbracht hat, auf das cr gcrechnct hatte."

„Da schcint mir allc Wclr in cincm schr einfältigcn
Jrrtum befangcn zn scin!" cntgcgncte Eberhardt trockcn.
„Sehcn Sic nnr hin!"

Paul und Anna warcn cbcn cingetreten und sprachen mit
Gerard. Paul hatte Annas Hand in dcr seinigcn nnd bei dcn
scherzhaftcn llcbcrtreibnngen Gcrards flog cin fröhliches Lächeln
nach dcm andcrcn übcr Annas blnhcnde Gesichtszügc. Cäcilic
mutzte sich gcstchcn, datz bcide nichts loenigcr als den Eindrnck
eincs unglücklichcn oder auch nnr glcichgiltigen Ehcpaares
machtcn.

„Man mutz cbcn dcn Schcin aufrecht erhaltcn," sagtc sie
achselzuckend. „Darauf kann mmi nicht biel geben."

„Sie sind im allcrentschiedensten, im allcrvollstättdigstcn
Jrrtum, Frau Gerard," erwidcrte Eberhardt. „llnd ich bin
zufällig in dcr Lage, zu wtssen, in welchem tiefcn unerschütter-
lichen Boden dic innige gegenseitige Liebe dieser beiden wur-
zelt."

„Wirklich?" fragte Cäcilic spöttisch. „Sollrc cs gar eine
Liebesheirat gcwescu scin? Das war mir neu!"

„Darin habcn Sie recht. Eine Liebesheirat war es nrcht,
wenigsterrs von Seiten dcs Herrrr Maubillon nicht. Das
weitz ja allc Welt, und ich wcitz es auch. Abcr ich weitz noch
mehr. Und das will ich Jhncn anvertrauen, damit auch Sic iu
Jhren Krcisen dazri beitragcn, den boshaften Klatsch über dreso
Ehc abzuschneidcn."

„Jch bin wirklich neugierigl"

„Nun sehcn Sic, was Herr Mauvillon an seiner vortrcff-
lichen Frarr hattc, das ist ihm damals klar geworden, als sic
crkrmrkte. llnd ich mntz zu sciner Ehre sagen, datz er aus
Besorgnis um sie nicht nnr schlaflose Nächte hatte, sondern
auch dreser Erkenntnis gcmätz handclte. Er ist gegen mein aus-
drückliches Verbot, gcgen alle Vernunft in ihr Zimmer gegan-
gen und nicht chcr bon rhrem Bette gewichen, als brs sic ge-
nesen war."

„Welche romantische Geschichte!"

„Ja, cinc von dcn romantischen Geschichren, dic doch immer
noch mal passiercn, und die uns Aerzte immer wiedcr mit
den Mcnschen ausföhncn, wenn uns über die Gcmeinheit nnd
das Elend dcs Alltaglebens cinmal ein Ekel ankommi. Aber,
romantisch odcr nicht, tvahr ist die Geschichte, und das ist
die Hauptsache. Zwci Leute, die solche Stunden miternander

durchgemacht haben, könnncn sich nie wreder entfrcmdet wcr-
den. Jch will Jhnen noch mehr berratcn. Jch habe damals
Frau Mauvillou aufgegebcn. Sic war so gewih dcm Todc vcr-
falleu, wie ich hier vor Jhnen stche: dic aufopfernde Pflege
ihrcs Gatten ist es cinzig nnd allcin, dic sic dcm Leben erhalten
hat."

„Welche llebertreibung I"

„Keinc Spur — das ist buchstäblich war. Fran Anna
Mauvillon würde hcute nicht so frisch nnd lcbenssroh vor
Jhncn srchen -— hörcn Sic nnr, Ivic echt und fröhlich ihr
Lache» klingt! — wenn nicht die auf ibrem Krankeiibett ihr
gcwordcne Gewitzheit, datz ihr Uiann sie doch lieb habe, aklen
Lcbcnsnrnt von neuem in ihr cntfacht hättc. So etwas webt
zwrschen zwei Menschen ein unzerrcihbares Bandl"

Er berbeugte sich uud wandte sich ab, um die beiden, von
dcncn er cben gesprochen hatte, zu bcgrühcn. llnzufricdcn nnd
mihmntig sah ihm Cäcilie nach. Sie cmpfand das Glück Pauls
wic em wciteres Glied in der Llctte widriger Vorgänge, die
allc Dinge anders gcstaltct, äls sie geplant und gewünscht
hatte. Juanita, die verhatzte, hatte das Glück an dcr Seite
des Mannes gefunden, dem sie selbst untreu gewordcu war;
Zaruow hatte sie in Juanitas Armen vergessen, das Werkzeug
das ihr zur Rache an Panl diencn sollte, war ihm zum Segen
geworden. Richts war ihr zum Guten ausgeschlagcn. Mitren
im Glück stand sic einsamcr und verlassener, als sie jcmals in
den Tagen der Armut gewesen war.

Nichts von alledcm, was sie frühcr zu den Erfordcrnisscn
einer idealen Gesralrung des Daseins gerechnet hattc, fehlte
ihr. Sie führte eine zufriedone Ehe, sie war frei von der
schäbigen Sorge um das tägliche Brot, sie konnte Reiscn machen,
wann und wohin sie wolltc, sie konnte Theatcr, Konzertc, Gc-
sellschaftcn bcsuchen, soviel ihr Herz wünschte, sie war rmbc-
strittcn eine Königin dcr Gesellschaft — und doch war sre
nicht zufrieden. Sie komrte sich einem vergleichen, dem zum
Gastmahle des Lebens die köstlichsten: Speisen Kufgetischt
wrrdcn und der alle Gerichtc anf der üppigen Tafel perachtet,
weil er vergeblich nach dem cinfachsten Gewürze, das ihm
fehltc, suchtc — dem Salz. Wenn sre grübelnd fragte, was
ihr fehlte, schwciften ihre Gedanken wohl über das Weltmcer
dahiir, wo unter wehenden Palmen Zarnow und Jumrita
cin an Arbeit, Mühsal und Entbehrungen, aber nicht mrnder
an Freuden reiches Leben führten. Waren sie mcht am Ende
doch beneidenswert?

Vereinsamt fühlte srch Cäcilre in der glänzenden Gesellschaft,
zu deren anmutigsten Zierden sie gehörte; dort konnte sie
keinen Ersatz für die zerrissenen Fäden, die cm die Vergangen-
heit anknüpften, finden.

Denn auch mit Helene und Rudolf hatte sich kein Ver-
hältnis hergestellt, wie es den nahen vepwandtschaftlichen

Bcziehungen cntsprochen haben würde. Sie kamen noch st^
tener zu ihr als Paul und Anna, und Cäcilic wutztc den Grund-
Jhre Geschwistcr konmrtcu ihr den schmählichen Verrat, dc"
sic arr dcm Jugendfreunde geübt hattc, uicht verzeihen. ER
äntzeres Ereignis sollte diese Tremmng der Verwaudtcn bcsic^

gel"-

Eudlrch abcr lietz er srch doch nrcht mehr umgehcn; gceaff
als Hclenc sich crheben wollte, um ihre Vorbereituugen für ü'f
cinfaches Abendessen zu trcffen, hielt Rudolf sie noch cinnst
anf ihrem Sitze fest, nahm rhre Hand herzlich zwischen
seinigcir rmd sagte: ,

„Blcib noch crncn Augenblick, Helcnc, ich mutz dich ctwn^
fragcn. Du hast rreulich den Autrag des Herru Hegcmcistc
ausgeschlageu und ich glaube, datz ich weitz, warum. Jch
was dic Frauen anbelangt, ein sehr unerfahrener Mensch,-
deiu Hcrzensgeheimnis keune ich doch. Ah, wenu Zarnn'
uicht früher so bliud gelvescu wärc, cs hätte allcs andcn
mrd besser kommen können."

„Es ist auch so gut!" antwortcte Helene leise.

„Wie man's nimmt. Jndesscn, was für deu einen schstnst^
ist, brrngt dem andereu Vorteil. Wic wäre ich ohne d»N
fertig geworden, mein liebes Schwesterchcn?" Er zog HÄZtz
an sich mrd kühte sie liebevoll auf Stirn und Wangeu.
weitzt du schon, was ich sagen will — du gehst doch mit n» ^
Batavia?" ^

Helenc antwortete uicht gleich, und verwundert sah Rstdnst
sie au. „Wic — hält dich doch uoch etwas zurück?" frE
er. „Odcr kannst du drch von Hamburg uicht trenncn?"

Sie schüttelte euergisch den Kopf: nein, das war cs nnst^
Noch immcr zögerte sie mit der Autwort, und erst nachdcM D
die Bitte vorausgeschickt hattc, Rudolf sollc ihr nicht b
sein, kam sre mit der Sprache heraus. „

„Wie du mir vou deiner Uebersicdlung näch Batavia
zähltest, da meinte ich, es würde ganz Ivas anderes folE
sagte sie. „Warst du bloß wegeir Juauitas Vatcr in
lousc rmd nicht auch deüretwegeu? Jch hatte immer gcisttz/
— aber es ist wohl ein dummer Einfall von mrr gewcsen^^
ich meiute, du schwärmtest für Josephiue Dessoudre -
ich mich doch so geirrt?" , ,

Rudolf hielt den Kopf etwas abgewandt. Erst nach c
kleinen Pause antwortete er mit gedrückter Stimme: ^
„Du hast dich uicht geirrt. Jch war unversehrt von
louse wcggekommen, und als ich das zweitemal hinemnc
da hoffte ich, was du glaubst!"

„Nun, und ..."

„Und es ist mir merkwürdig ergangen.'

(Schlutz folgt.)
 
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