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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-74 (1. März 1902 - 29.März 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23860#0594

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Erscheint täglich, Sonntags ansgenoninien. Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gedracht, bci d.r Expedition und dcn Zweigstcllen abgchott 40 Pfg. Durch die Post be-

zogen vierleljährlich 1.35 Mk. ausschließiich Zustellgcbiihr. _MiE

Anz ei g c nprei s: 20 Pfg. fnr die Ispsltige Petitzcile oder deren Ranm. Rellamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschafts- nnd Privatanzeigen erinäßigt. — Fiir die Anfnahme oon Anzcigcn an bestimmt
vorgcschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Ansch la g der Jnserate auf den Plakattaseln der Heidelderger Zcitung nnd Len städr. Anschlagsicllen. Fernspiecp-Anschluß Nr. 82.

Samclüsi, 29. März 1902.

b'vstes BlcLLt.

L-l. Iührgrrng. — -N 74.

Der Osterfeiertage wegen erscheint die
nächste Nummer am Dienstag.

ISülorv und Urinetti.

Zur Begegnung des Grafen Bülow mit dcm ita-
lienischen Minister des Acußern, Prinetli, schreibt die
Wicner „Neue Freie Presse": Die Erneuerung des
Dreibundes wäre nicht viel mehr als eine Förmlichkeit,
wenn der Dreibund nicht gegenüber der strafferen Solida-
Utät des Zweibundcs vor der Lockerung bewahrt
werden könnte, der die wachsende Entfremdung ihn aussetzen
würde. Gelänge es dem Grafen Bülow, dem italienischen
Staatsmann die Ueberzeugung beizubringen, daß Jtaliens
Jntercffen im Dreibunde bestcns gewahrt würden, so werde
cr aufrichtige Anerkennung auch dort eruten, wo man ihm
!ein Verhalten zu dcn heimischen Agraricrn verarge. An-
derseits gilt die Dreibundfrage im wesentlichen a!s geord-
net und vor der Berguickung mit dcn verschobenen Handels-
berträgen bewahrt.

Ebenso hebt eine offiziöse Zuschrift der„Polit.Korr."
aus Venedig hervor, daß die Mächte über die Er-
Ueuerung des Dreibundes im Wesentlichcn
bereits einig waren. Um Schlußförmlichkeiten
könne es stch übrigens in Venedig nicht handeln, da
Ministerpräsident Zanardelli nicht dabei sei, wie denn die
Zusammenkunst des Grafen Bülow mit Prinetti keinerlei
öesonderen politischen Zweck verfolge. Doch habe
we Besprechung dcr wichtigsten schwebenden Fragen jeden-
lalls einen po litisch en Wert. Man dürfe einen Ein-
kiang dcr Auffassung in jedcr Richtung crhoffen, da auch
"ieHandelsvertragsschwierigkeiten nicht beträcht-
iiche seien und deren Ueberwindung mit Sicherheit zu
K'warten sei.

Ueber das Zusammentreffen der beiden Staatsmänner
iiegen bis jetzt folgende Nachrichten vor:

Venedig, 27. März. Der Mmister des Acußern,
^rinctti, ist heute Vormittag hier eingetroffen.

, Graf Bülow gab um 11 Uhr seine Karten im Grand-
Hotel ab, wo Prinetti abgestiegen war. Um 12 Uhr be-
wchte Prinetti den Kanzler. Die Unterhaltung dauerte
kilie Stunde. Darauf nahm Prinetti mit Frau das Früh-
iiück bei der Familie Bülow ein. Abends 7 Uhr erfolgte
^ne neue Unterredung im Grand-Hotel, wo um 8 Uhr
Vrinetti der Familie Bülow ein Diner gab. Die Römische
"Tribuna" berichtet, daß Prinetti nach der Unterredung
^Uten Hnmors gewcscn sei. Das Blatt fügt hinzu:
Teutschland und Oesterreich dächten nicht daran, den Drci-
°undvertrag zu kündigen, aber Jtalien habe auch keinen
^rund, anders zu handeln.

Griglisches Lieöesweröen um Itatten.

r Ueber die S t e l l u n g Jtaliens in den Ver-
ivndlnngen betrefsend die Erneuerung desDreibnn - r
s läßt sich der „Standard" von seinem Wiener Kor- z
??!bondenten einen längeren Artikel telegraphisch über- «
Prtteln, dessen Politische Prophezeinngen von Jnteresse j
wei! sie eine ziemlich nnverblümte Aufforderung zu ^
^wiii englisch-italienischen Bündnisse enthalten. „Die

Italiener", sagte der Korrespondent, „haben es mit der
Erneuerung des Bündnisses durchaus nicht eilig, viel-
leicht weil sie sich bewußt sind, daß den Bündnismächten
mehr an Jtalien gelegen ist, als Jtalien an dem Bünd-
nis (?). Allerdings sind sie bereit, den Vertrag auf weitere
süns Jahre zu erneuern, wenn ihre Bedingungen erfüllt
werden, woran sie nicht zweifeln, aber von Enthusias-
mus ist dabei nicht die Rede. Jm Gegenteil, wenn ich
die Ansichten der.Jtaliener richtig beurteile, würden
sie es durchaus nicht bedauern, wenn der Dreibund ein
plötzliches Ende nähme. Jn diesem Falle, der allerdings
die Wahrscheinlichkeit nicht sür sich hat, würde Jtalien
sicher nicht dem franko-russischeu Bündnis beitreten, weil
dadurch die Gefahr eines europäischen Krieges in un-
mittelbare Nähe gerückt würde und Jtalien hat nur sried-
liche Absichten. Andererseits kann Italien nicht wagen,
isoliert zu bleiben und die ist der Hauptgrund für die
Wahrlscheinlichkeit einer Erneüerung des Tjreibundes.

! Aber noch ein anderes Bündnis liegt im Bereiche der
! Möglichkeit — fährt der Korrespondent sort — und dies
! scheiut das Wesentlichste an dem ganzen Artikel zu sein
— eine Allianz zwischen Jtalien und England, offen aller
Welt verkündigt wie das englisch-japanische Abkommen.
Dieses Bündnis würde eine der stärksten Stützen des
Politischen Gleichgewichts in Europa bilden, da Jtalien
in Europa eine ähnliche Stellung einnimmt, wic Japan
im fernen Osten. E§ hat einb ausgedehnte Seeküste, die
seinen hauptsächlichsten Schutz bildet, und unterhält eine
Armee uud eine Flotte. Sollte Grotzbritannien auch nur
die geringste Neigung zu einem dem englisch-japanischen
Vertrage ähnlichen Bündnis mit Jtalien zeigen, so wäre
ein Plötzlicher Abbruch der Verhandlungen über die Er-
neuerung des Dreibundes kanm zweifelhast. Die Ita-
liener bezweiseln aber vorläusig, datz England die Ab-
sicht habe, mit ir.qend einer curopäischen Macht ein Bünd-
nis zu schließen." — Ini gewöhnlichen Leben würde man
solche Anspielnngen einen „Wink mit dem Zaunpfahl"
nennen: es sragt sich nur. ob und von welcher Seite der
Artikel des „Standard"-Korrcspondenten inspiriert wor-
den ist.

DeuMeK Reich.

— Die „Berl. Neuest. Nachr." bemerken, daß die
Blättermcldung, Staatssekretär Graf v. P o s a-
dowsky verhandle mit der sächsischen Regierung über
die Reichsfinanzreform, dahin zu ergänzen sei, daß Graf
Posadowsky im Auftrage des Reichskanzlers während der
Osterferien die Hauptstädte der großen Bundesstaaten be-
suche, um mit den Regierungen von Sachsen, Bayern,
Württemberg nnd Baden über gewisse Einzelfragen der
wirtschaftlichen Finanzpolitik zu beraten.

— Das R eichs-Versl chcru n gs amt hat über
stine Thätigkeit im Jahre 1901 einen Bericht erstattet.
Das sozi aldem okratisch e Zentralorgan giebt daraus
einige Zahlen wicder, die Hauvtsache, nämlich die an
die Arbeiter gezahlten Entschädigungen unterdrückt
cs. Das ist außerordentkich charakteristisch. Das „Bischen
Sozialreform". wovon die sonaldemokratische Presse spöttisch
ra sprechen pflegt, ist so beschaffen, daß d!e sozialdemokra-
nsche Presse stch fürchtet, es ihren Lesern ziffernmäßig mit-
wteilen, damit der Glaube an das sozialistische Evangelium
und die Scheußlichkeit dcr gegenwärtig herrschenden Zu-
stände nicht erschnttert wird.

— Iu der Darstellung der teilweise neugeregelten
Lausbahn der höheren Postbeamten sind die Post-
direktoren nicht erwähnt worden. Sie werden zwischen
die Oberpostinspektoren und Posträte einzureihen seiru
Aus Anlaß jener Aenderung Ler Beamtenverhältnisse
und Titelbezeichnungen bei der Reichspost- und Tele!--
graphenverwaltung ist ferner noch Folgendes bestimmt
wordeu:

1. Die aus dcr Klasse der Posteleven hervorgegangenen
Sekrctäre, die nach der Amtsblattvcrfügung vom 1. Januar
1900 die höhere Verwaltungsprüfung für Post und Telegraphig
noch ablegen oder wiederholen dürfen, haben die Amtsbezeich-
nung Postpraktikant zu führen. 2. Die Bcamten, welche dis
höhere Verwaltungsprüfung für Post und Telegraphie bestan-.
den haben, und jetzt als Sekretäre, Obersekretäre oder Burecru-
beamte erster Klasse etatsmätzig angestellt sind, haben die
Amtsbezeichnung Oberpostpraktikant zu führen. 3. Den Ober-.
postpraktianten wird bei der etatsmätzigenAnstellung inKassierer-
stellen bei Verkehrsämtern der Titel Postinspektor oder Tele--
grapheninspektor verliehen, je nachdem die Anstellung bei
einem Postamte oder einem Telegraphen- oder Fernsprechamte!
erfolgt. Den Titel Postinspektor oder Telegrapheninspektor
haben vom 1. April d. I. alle Beamten zu führen, welche
die höhere Verwaltungsprüfung sür Post und Telegraphie be-
standen haben und als Postkassierer /oder Telegraphenamts-
lassierer etatsmätzig angestellt sind. Das bisherige Rangver-
hältnis wird hiermit nicht geändert. 4. Die Beamten, die nach
borstehenden Bedingungen die Amtsbezeichnung Postpraktikant
zu führen haben und innerhalb der vorgeschriebenen Frist dis
Höhere Verwaltungsprüfung für Post und Telegraphie nicht
ablegen oder von der Ablcgung oder Wiederholung dieser Prü-
fung endgültig ausgeschlossen werden, scheiden aus der höherert
Laufbahn aus und erhalten vam 1. des laufenden Monats
ab dieselbe Amtsbezeichnung, welche die in einer gleichen etats-
mätzigen Stelle angestelltcn Beamtcn der mittleren Laufbahn
fiihren. 5. Die in Bureaubeamtenstellen erster Klasse etats-
mätzig angestellten Beamten, die nach den vorstehenden Bestim-
mungen die Amtsbezeichnung Oberpostpraktikant nicht erhalten.
haben statt der Amtsbezeichnung Oberpostdirektionssekretär die
Amtsbezeichnung Oberpostsekretär zu führen. 6. Die etatsmäßig
angestellten Beamten, die unter Verbleiben in ihrer bisherigen
Stellung vom 1. April 1902 ab eine cmdere Amtsbezeichnung
oder ciuen andercn Titel zu führen haben, erhalten aus diesem
Anlatz wedcr eine Bestallung noch eine kesondere Veriügung.

Bahcrn.

— ^II erner Ber,ammluiig des Vereins der n a ti o-
" Hlb e r aIenIugen d inPirmasens anr 24.
Marz sprach Dr. s ch n e r d er über das Thenra: „Eisen-
bahrrpolrtrk-Rerchspolrtrk". Die Richtnng, in der sich
serne AuÄsrihrringen bewegten, deuten neben der Resolu-
tion die Lrchlußworte an: „Meine Herren, nehnren Sie
das alte natronate Prinzip wieder auf nnd schreiben Sie
aus Ihre Fahnen: „Ein Reich — eine Bahn." Es wird
vielleicht ein langer, aber ein dankbarer Kamps sein,
Lrs das deutsche Reich seine deutschen Bahnen hat; aber
der Erfolg rst nns sicher." Der Versanrnrtung wohnten
Kommerzienrat Lernenweber, der jetzige Reichstagsab-
geordnete, Herr Keidel, der Landtagsabgeordnete, der
Eisenbahnausschuß der Stadt nnd eine groZe Zahl an°
derer Herren bei. Na-ch mehrstündiger, äußerst an-
regender Besprechung, an der sich die Abgeordneten wie-
derholt anfs lebhafteste beteilrgten, einigte nran sich auf
solgende Punkte: 1. Das Systenr der Privatbahnen ist
den Jntoressen der Bevölkerung in hohem Grade schädlich
nnd deshalb abzuschafsen. Die Konzession der Pfälzischen
Aktienbahn ist nicht zu erneuern. 2. Der Uebergang der
pfälzischen Bahnen an Bayern wird der geographrschen
Verhältnisse wegen nicht für zweckmäßig gehalten, son-

KeidelVerger H'l'audereien.

)!( Hcidelderg, 29. März.

N, Tstern und Osterwoche, für das Glaubenslebcn der
^ "Lstenhcit Periode von weihcvoller Bedentung wie auf
nF andcren Seite im Volksleben als Frühlmgsfest die sroheste
M im ganzen Jahre, erwecken überall freudige Hoffmmgen.
h der Gegenwart schweift der Blick zurück in die Vergangen-
in dic Zeit christlichen Eifers und wciter zurück in die
si^crmanischc Vorzeit mit der Fülle schöner Gebräuche, die
i Lei uns in Deutschland znm Teil bis auf den heutigen
^^Zrhalten haben. Wer denkt nicht an den Osterhasen, der
q,, Tugend so viele angenchme^Ueberraschungen bereitet und
r-^,öas Osterci, von dem die Schaufenster unserer Kondito-
öäin! alljährlich die erfrcnlichstcn, angcnehmsten Dinge zu er-
ii wissen? Heute ist sogar aus mannigfachen Poftkarten
I,,, ^underbare Osterhase dcr Gegenstand dankbarcr Darstel-
fj, I gcwordc». Alles dies ist für uns lieb und wert und
immcr iwch gern frermdliche Beachtung, erweckt die
Ds^V^cht und die Begeistcrung der' ganzen Jugend. Die
die in mancheü Gegenden unsercs Vaterlandes am
mffwhen, liefern einen weiteren Beitrag.zur Erin-
Mi an den Kultus der Frühlingsgöttin.

werden wir an Ostern snr Wctrer habcn? Das ist die
d^^Arage, die Jung nnd Alt beschäftigt, nicht am wenigsten
MD^rtschaftsinhaber an den Ausflugspunkten, besondcrs der
llmgebnng. Größere Fußwanderungen werden vom
bijs^.lluni z„ Ostern erfahrungsgemäß nicht nnternommen, dafür
di„,jf schönem Wetter der Weizen an den naheren Ausflugs-
^>r So ein Spaziergang im Sonnenschein bel gutem Weg
bUeNp <im hinaus bis zu einer der nächsten Bier- oder Wein-
sihr „, wo ""ch !"r gnten Jmbiß gesorgt ist, das ist fnrwahr eins
Erquickung an diesen Festtagen des wiedergekehrten
!s>v '„ös. Wer denkt da nicht an Fanstens Osterspaziergang,
Mbn beschrieben ist, wie die Menge aus dem hohlen,
"i Thor dnrch die Felder nnd Gärten drängt.

Anch unsere Parlamentarier sind — zwar nicht aus dem engen
firisteren Thore — aber aus dem Rondellsaale heransgetreten,
um daheim frische Osterluft zn genießen. Sie haben bis jetzt im
Allgemeinen recht friedlich nud einträchtig gearbeitet. Hoffentlich
sammelt sich während der Ferien keine Gewitter- nnd Kampfluft
im Sitzungssaale an. Dem Wettcr anf der See und in Parla-
mentcn ist allerdings nie ganz zu trauen.

Für unS in Heidelberg bedenten die Feiertage noch eine
Gnadensrist. Sind sie vorüber, dann beginnt die große Bnddelei
in der Hauptstraße. Da wird sich inanches Scheltwort von zarten
Frauenlippen und von bärtigein Männermund lösen. Aber „nur
nicht brnmmen, es wird schon kummen!" Ehe die Saison be-
ginnt, fahren wir elektrisch nnd lanfen wir asphaltisch. „Dat
stuscht beter", sagten Blnchers Leute und so werden dann auch
die Heideiberger nnd die hoffentlich sehr zahlreichen Fremden
dieses Jahrcs sprechen dürfen.

Za, wer nicht zurückblciben will, muß vorwärts gehen. Das
ist eimnal nicht anders in der Welt. Aber Geld kostet's. Die
Anfordernngen an die Bcquemlichkeit steigen. Wie bequeni ist
z. B. das moderne Wohnhaus: da niuß elektrisches Licht, elektri-
scher Anfzug vom Keller, Zentralheizung sein. Die Zcntralküche
ist vielleicht gar nicht mehr fern, so daß man möglicher-
weise schon in naher Zukunft lesen wird: „Herrschaftliche Woh-
nnng mit drei Gängen Diner nnd zwei Gängen Souper ist zu
vermieten."

Da wird dann die Hansfrau nicht mehr zn denken haben:
was koche ich auf die Feiertage? sondern das wird dann alles
im Mietskontrakt stehen und sie wird dieser Sorge überhoben
sein. Jnzwischen ist es noch nicht so weit. Auf dem Markt heüte
frllh war noch einmal großes Geschäft. Metzger, Fleisch- und
Fischwarenhändler haben vielfach einen starken Ansturm zn Le-
stehen gehabt. Manche sänmige Känfer werden erst heute Abend
kurz vor Ladenschluß erscheinen. Morgcn früb rnht dann alle
Arheit. Mögen nnsere verehrten Leser die Osterfeiertage mit
Herzensfrendigkeit und vollem Behagen genießen! Auch diejenigen,
die einen Umzng zum 1. April vorhaben. Sie treffens aller-
dings diesmal schlecht an. Jn den Feiertagen kann nicht wohl

anf den Umzug vorgearbeiiel werden. Gleich am Diensrag aber
heißt es, die Wohnnng räumen. Früher, als das bürgerliche
Gesetz noch nicht galt, war es hier in dieser Hinsicht gemütlicher.
Da mnßte Einer auf den Anderen Rücksicht nehmen. Konnte
man am ersten Tage nicht ziehen, so zog maii am zweiten. Jctzt
ist das anders. Der hohe Gesetzgeber hat sich an dem jungen
Gutsherrn v. Rambow in Fritz Renters Stromtid ein Beispiel
genommen. Dem gefiel die alte Mode, daß ein Erntewagen nach
dem andern in zeitlichen Abständen aufs Feld fuhr, nicht, und so
ordnete er an, daß alle miteinander gleichzeitig fortfnhren und
gleichzeikig ziirückkehrten. Die Lente schüttclten dazu mit Recht
die Köpfe. iinser sonst so schönes bürgerliches Gesetz bestimmt
hinsichtlich des Mietswechsels ähnliches. Da soll anch Alles gleich-
zeitig, statt nacheinander gemacht werden. Das wird schöne Zn-
sammenstöße geben, wenn eine Partie mit dem Familiensopha
die Treppe hernnterkencht nnd die audereZommt mit des Vaters
großem Sorgenstnhl schon die Treppe hinauf. Wcnn das auch nicht
solche Katastropkien herbeiführt, wie vor dreihnndert Jahren im
Sternbild des Persens, wo zwei Weltkörper so gegeneinander
fuhren, daß sie in Glut zerstoben — ein Vorgang, dcr erst dieser
Tage zu unseren Augen gedrungen ist iind alle Astronomen anfrcgt —
wird es doch für irdische Verhältnisse, speziell für die Verhältnisse
einer gebildetcn städtischen Bevölkernng, manchen starken Krach
geben.

Vielleicht findet sich Jemand, der Lnst hat, über seine Er-
fahruiigen beim diesjährigen April-Ziehtermin in der „Heitzelb.
Ztg." zn erzählen. Der Planderer ist gern erbötig, ihm dazn
das Wort zu lassen. _

— Monolog. Gefanpener (in seiner vergitterten Zelle): „Der
Frühling lst da! UebcraU iproßl und blüht > ? ! Ach! brächst
er doch -iiick mir uur ein eiustqes — Feilchen!"

— Heroische Wohlthätigkeit „Nun, Uebe nreundiu, mjx
baben Lie den Wmler verdrachl?" — .Din arkß'en Teit wid-
:iiete ich der Wohllhäkiqkeil!" — „O. Si- Gele! Dars man
fragen . . . ?" — ,.Jck — ick hode — e,n-.n Letw'eqersohn fiir
— meiiic Mama qciuchi."

Die heutige Nummev öesteht aus vier Btättern mit zusammen 16 Leiten.
 
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