Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 101-124 (1. Mai 1902 - 31. Mai 1902)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.23860#0936

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Jo,es

king diene dazu, den dcn Botschaftern angewiesenen be-
fesligteir Stadtteil zu vcrteidigen. Koloniakpolitik sei
für die Monarchie unzweckniäßig, weil sie init der staats-
rechtlichen Strut'tur derselben nicht in Einklang gebracht
werden tönne. Andererseits hätten die Staaten der
ganzen Welt die zur Kolonisierung verwcndbaren Gc-
biete bercits so sehr besetzt, daß Oesterreichi-Ungarn heute
vcrspätet solchc nicht mehr erwerben könnte.

Jtalicn.

-- Dcr neue italienische Kr i e g s m i n i st e r
Ottolengki war der militärische Erzieher des setzi-
gen Königs von Jtalicn. I. Ottolengki, der zuletzt ein
Armeekorps kommandierte. ist I u d e. Er ist übrigens
wie die „Voss. Ztg." hervorhebt, nicht der erste Judc.
der Biitglied eines italienischen Bünisteriums wird, auch
Luzzatti und Wollembord sind Iuden. Die Zulassung
der Zuden zn den höchsten Staatsänckern Jtalicns ist
auch teine Errungeuschaft der jüngsten Zeit. Jn dem
Landc, dessen Vecfassung in ihrem ersten Artikel die
„katholische, apostolische und römische Religion" als ein-
zige Ltaatsreligion bezeichnet, währcnd andere Knlte
nur als toleriert gelten, hat schon vor mehr als vierzig
Jahren der Graf Cavour Juden von hervorragender
Tüchtigkeit in seine Nähe gezogen und ihnen Vcrtrauens-
ämtcr im Bereich des Biinisteriums des Auswärtigen
übertragen. Eiuer von ihnen war der spätere italienischc
Gesandte in Kopenhagen und Karlsruhe, Jsaac Artoni,
dcn Visconti Venosta später als Generalsekretär in dic
Consulata berief. Auch der gegenwärtige Jnhaber
dieses Posteus, der Senator Malvano, seit Jahrzehnten
die eigentliche Seele dcs Auswärtigen Amtes, ist jüdi-
schcn Glaubens.

Norwegen

— Zn Stockho l m st reiken sast alle Ge-
werbe. Es gicbt keine Droschken, Omnibusse, Tram-
wageu uud Dampffähren. Die Zghl der Strcikcndcn
in Stockholm ist über 2o OOtt. Die Provinzen sind im
Verhältnis ebenso vom Streik bctroffen. Das Brot ist
schon im Preise gestiegen und an vielen Orten giebt es
kein Brennmaterial. Bkassenvcrsammlungen wurden
gestern Abend abgehalten, anf- denen der Reichstag um
eine Stimmrcchtsreform ersucht Ivurde. Dcm „Exprctz"
wird aus Stockholm telegraphiert, daß gestern Abend
nur die Stratzenlatcrnen niit Gas brannten und in den
Häusern Kerzen und Lampen benutzt wurden. Das
Streikkomitee versucht auch Regierungsangestellte wie
Briefträgcr und Polizisten für den Streik zu gewin-
nen. Ta keine Zeitungen erscheinen, ist cs schwer, den
Uinsaiig des Streiks festzustellen. Das Regierüngsblatt
wird von Schreibern gedruckt. Allo Wirtshänscr sind
geschlossen, die Garnisouen verstärkt und das Parlaments-
gebäude wird doppelt bewacht.

Aus Stadt und Land.

Panoramas in jeglicher Bezichung verlohnt. Dcr Eintrills-
preis beträgt wie seither an allcn Tagen nur 50 Pfennig,
Vereine und Schulen genießen bei geschlossenem Besuche noch
cine Vergünstigung.

M»nnheim, 16. Mai. (Jch binderKaiservon
Rußland.) Aus der Untersuchungshaft wurde gestcrn vor
dem Schöffcngericht der Kohlenhändlcr Adam Leitncr vorge-
führt. Er sollte sich wegen Unterschlagung verantworten. Auf
allc Fragen, Ivclche der Vorsitzende an ihn richtete, antwortete
er: „Jch bin der Kaiser von Rußland, ich habe vierzig Hengste,
eine Gaisc und zwei Ziegen und regiere die ganze Weltl" Trotz-
dem das Auftreten des Leitncr nach „Simulation" roch, wurde
die Verhandlung vertagt, damit dcr Simulant auf seinen
Gcisteszustand untcrsucht wird. Er sitzt zur Zeit wegcn einer
Hühncrdiebstahlsaffäre in Untersuchung.

Ksnstanz, 15. Mai. (Konstanzer Hof.) Unstreitig
das schönste Besitztnm in unmirtelbarer Nähe der Stadt ist der
an dcr Seestraße gclegene Konstanzer Hof. Auf einer 17 Mor-
gcn großen Grundfläche, die in eincn prächtigen Park umge-
wandclt wnrdc, erhcbt sich das vor ctwa zwanzig Jahren
unter bem Namen Badhotcl erbaute Gcbäudc. Jn der lctzten
Zeit war darin die Heilanstalt dcs Hofrates Fischer. Derselbe
hat sich jetzt zurückgczogcn. Ein Versuch, die Anstalt an eine
Berliner Gescllschaft um einen jährlichcn PachtzinS von 30 000
Mark zu überlasscn, kam nicht zum Ilbschluß. Nun bildct der
Konstanzer Hof eincn wcscntlichen Teil eincs von einer Aktien-
gcscllschaft üetriebcncn Unternchmcns, zu dcm auch das Jnsel-
hotcl gehört. Beidc Besitzungen sind mit cinem Wert von an-
nahernd zwei Millionen gcbucht. Aus dem socben ausge-
gcbencn Bericht des Jnsclhotels ergicbt sich nun, daß aus
lctztcm Jahrc rund 3000 Mark zur Verteilung kommcn kön-
ncn, wozu noch 29 000 Mark Vortrag von letztjähriger Ab-
rcchnung kommen. Bei dieser wcnig crfreulichen Geschäfts-
lage wirb lant „Konstanzer Ztg." vorgeschlagen, den Kostan-
zcr Hof ganz oder tcilweisc abzustoßen. Für die Mainau-
straßc wärc damit eine bedeutende Anzahl von Bauplätzen
anf der Südseite gewonnen. Wahrscheinlich wird der Vorschlag
von der nahe bevorstehenden Gencralvcrsammlung angcnom-
mcn, da dic Hauptaktionäre dcs Jnsclhotcls zu eincm Verkaufc
dcs 5lonstanzcr Hofes schon scit längcrer Zeit gcneigt sind.

— Dienstnachrichten Versctznngen und Ernennungen aus
dem Beceiche dcs Schulwesens. Philipp Heinzerling, Unter-
lehrer, von Eberbach nach Mannheim. Nugust H e irmann.
Unterlehrer, ven Niederhausen nach Plankstadt. Karl Iäckle,
Schulverwalter, von Neckarelz nach Zimmern. Emma Kraus,
Unterlehrerin, vonReilingennach Söllingen. Anna von Pflum-
mern, Unicrlehrerin, von Oberkirch nack Steinbach. Aanes
von Reischach, Unterlehrerin, von Steißlinzen nach Rastatt.
Johann Trantz, Unterlehrer in Söllingen. als Schulvcrwalter
noch Neckarbischofsheim Paula Vogelmann als Hilfslehrerin
nach Heidelberg. Adolf Weber, Unterlehrer in Hockenheim,
als Schulverwalter nach Oestringen. Franziska Werner,
Unterlehrerin in Nußbach, als Hilfslehrerin nach Wiesloch.

sein, hicrfür dic nörigcn 120 000 Mark zu genehmigen, «l
die Regierung verhält sich wegen der ungünstigen Finanzlo
ablehnend. Selbst die hundert Mark sollen nichr sogleich, st
Lern crst am 1. Jauuar 1903 in Kraft treten. Der Ar«
beruft sich auf das gute Herz der Landstände und hofft, d
sie, cntsprecheud dcr ersten Absicht der Schulkommission, jedc
Hauptlchrcr 200 Mark Zulage bewilligen werden. Die Lehl
werden aufgefordert, Abordnungcn an den Großherzog
schicken, der stcts in entscheidungsvollcn Stunden das erlöseN
Wort gesundcn habe. Dicscr Artikcl gewährt cincn ties
Eiublick in dic Stimmungeu, dereu Beute man die Volksschs
lehrer hat wcrden lassen. Datz die cingchaltene Politik ci

richtige war, Ivird man nicht behaupten können. Jn einer A'

in der allcs cmpfängt, an den Volksschullehrern kargen zu we
len, die zu den verantwortungsvollsten und schlechtest bezahl»
Bcamten gehören, ist gcwiß vcrkehrt._

Aür die öadischen UoMsschuMHrer.

Ucbcr Winklers iniatomischcs Muscum schreibt dic „Brcmcr
Zeitung": Von dcn bedcutendsten Autoritätcn als crstes Jnsti-
tut dieser Art anerkanut, hat das Museum sich im Laufc dcr
Jahrc auf das Beste cingeführt. Auch dicses Jahr briugt
das Museum wieder verschiedene Neuanschaffungeu, huldigt cs
doch dcm Prinzip, daß Stillstaud Rückschritt bcdcutc. Schon
das ganze Acußere zeigt, daß das Museum bestrebt ist, dcu Än-
fordcruugeu, welche man an eine derartigc Ausstcllung stellt,
tn jcder Beziehnng gcrccht zn werden. Bei der grotzen Reich-
halrigkeit nnd dcr bekauntcn Gcdicgenhcit der im Musenm an-
gestellteu Natur- und Kuustpräparate ist jedermann rcichlich
Material gcbotcn, Studicu am meuschlicheu Körper uud dessen
Organen zu macheu, und, wie uotwendig und nützlich es für
jcdcn ist, dic clcmentarsten Kcnntnisse über dcn Bau des
mcnschlichcn Körpcrs und die Lagc und Thätigkeit dcr Organe
sich anzueignen, ist doch unzweifelhast. dlber nicht uur
durch die Nnschauung dcr Präparatc will das Muscum beleh-
rcnd ivirkcu, dcim das Hauptiuteresse des Besuchers wird in
crstcr Linie durch wisseuschaftlichc Vorträge an zcrlcgbaren
Präparaten ('Körpermüdcllen) gefesselt. !Das Museum bcsitzt
zur Zeit drci derartigc Präparate.

-p Panoranm Mannheim. Am Samstag, den 17. ds.
findei die Wiedcrcröffnnng dcs Panoramas, welchcs wcgen
Bildwechsel einige Wochen geschlossen war, statt. Das neuc
Ruudgemälde stcllt dic „Erstürmung vou Bazeilles-Scdan 1.
Septcmber 1870" dar, jeucs furchtbarcn Häuscr- uud Bari-
kadcnkampfcs, welchcn das erstc baycrische Armcckorps imter
von dcr Taun zu bestehen hatte. Das über 1000 Ouadratmcter
umfaneude Schlachtcubild wurdc vou dcn Münchner Künstlerii
L. Putz, F. Neumann, M. Z. Diemer, C. H. Frosch, H. Nicsle,
uud I. .Krieger nach dirckten Aufiiahmeii an Ort uud Stellc
uutcr Zugrundclegung des Geueratstabswerkes und unter Mit-
wirkung höherer Militärs gcschafscu. Die Aufstellung des
Kolossalrundgemäldes im Pauorama Mannheim beauspruchte
vier Wochen iuteiisivcr Arbeit. Es steht heute schon außer
Zweisel, datz das ircfflichc .Kunstwerk, ivelches die seitherigen
Äusstellimgsobjektc noch bci wcitem übcrragt, cinc Haupt-
schcnswürdigkeit Maiinhcims dargcstellt imd sich cin Bcsuch des

Karlsriihc, 15. Mai. Dcm „Schwäbischen Mcrkur" schreibt
mau: Auch die wohlwollcudstc Bcurteilimg der badischeu Re-
gierungspolitik gegeuüber deu V o l t s s ch u l l e h r e r n kami
nicht darübcr hiuwcgkommen, datz bcdeutcude Fehler begangen
wordcn sind, uud daß man, statt sic gut zu machen, dieselben
in der iicuesten Zeit wiedcrholt hat. Man vcrfuhr, als ob
mau cs darauf augelegt habc, dcn Agitatorcn Stofs zu licfern
zu dcr Bchauptung, datz allc Bcamteu eincn größerem Wohl-
wollen bei der Regierung bcgeguen, als der Lehrer. Der vorige
Laudtag brachte dcu Staatsbcainten ciue Ausbesseruug von
rund eincr Mllion durch die Aufhebung der Witwcnkasseiibei-
träge, uud eine gleich hohe Vergünstigung wurde für den
jetzigcn Laudtag durch die Erhöhuug des Wohnungsgeldes ver-
sprochcu. Vor Bcgiun dcs Landtagcs wurde autzerdcm eiue
Million für die Volksschullehrer in Aussicht gestellt. Als abcr
dic betreffcndcn zwei Millionen vcrteilt wurdeu, ändcrte sich
das Verhältnis. Dcr Mchraufwaud für das zicmlich hoch ge-
griffcnc Wohmmgsgcld beträgt für sofort 1,6 Millioneu und
wird im Beharruiigszustande auf 2,3 Millioncn ansteigeu.
Dagcgen wurdc dcr Betrag für dic Lchrcraufbesserungen auf
626 860 Mart hcruutergestrichcn. An dieser Stelle ist sogleich
darauf aufmerksam gemacht wordcu, wclche unlicbsame Er-
örtcruiigcn sich an diese Verteilung dcr Staatsgelder knüpfen
würdcn, imd datz eine Erhöhung der Lehrcrbczüge auf ctwa
eiue Million unter entsprcchendcr Kürzung dcr Beamtenwoh-
iiungsgeldcr dem Bcdürfnisse bcsscr entsprechc; denn die Be-
amtcn sclbst hatten eine so bedeutcndc Erhöhung gar nicht er-
wartet. Dic Wohnungsgeldvorlagc wurde bewilligt und nuu
heitzt es bei deu Lchrern, die um Erhöhung einkommen: Rück-
sicht auf die Staatsfinanzen, Zuwarten, bis bessere Zeiten
eiukchrcii. Datz die ra d i k a l e n Lehrerzcituugcu die Sach-
lage als ein „gcmähtes Wiesle" betrachten, um dic Lehrer auf
dicscm Tummelplatz noch weiter zu vcrhetzeu, versteht sich
von sclbst. Abcr sclbst cin so regierungstrcucs Blatt ivie die
konscrvativc „Bädische Post" känn nicht umhin, der Mißstim-
mung dcr Lehrer Ausdruck zu geben, denn gerade die gutge-
simiten imd auspruchslosen Lehrcr siud jetzt mit ihrcm Ver-
traucn in die Regieruug blohgestellt. Einc Einsendung aus
Lehrcrkreiscii in dcr „Badischen Post" atmet getäuschte Erwar-
tung der bcscheidensten Hoffnungen und gestcht zu, „ein Sturm
dcr Entrüstuug gehe durch die Lehrerschaft in Stadt und
Land". Statt huudcrt Mark Zulage verlangt der Einsender
für jeden Haiiptlchrcr doch wcnigstens zweihundert Mark und
die Kommisiioii dcr Zwciten Kammer soll geneigt gewesen

Uadischer Landtag.

L.6. Karlsruhe, 16. Mai. (12. Sitzung d-
Ersten Kammer.) Prästdent Prinz Karl eröffnet d
Sitzung um 4 Uhr.

Zur Beratung steht zunächst der Gesetzentwurf betr. dd
Fahrnisversicherungsgesetz, über welchen
Rat Lewald Bericht erstattet.

Diese Fendcrungcn seien in matcriellcr Hinsicht ganz
wesenilich und gcben zu keinerlei Bedcnkeu Anlatz. Die
fürchtung dcr Ustmnheimer Handelskammer, datz die Sp^!
teurc und Lagerhalter wegen Doppelversicheruug leichl »>,
dem Gesetz iu Koiiflikt kommen können, halte er für »»»>
gründet. Der Entwurf werdc nach seiner UcberzeugU's
den lcgiiimcn Handelsverkehr ebeuso wenig gcnieren,
das bisherige Gesctz, er verdiene jcdenfalls nicht das Präd»»
„gcfährliches Gesetz", das ihm ein Zeitungsärtikel beilew,
Die Kommission stimmtc daher dem Entwurf ohne Bedenke» s»

Frcihcrr v. N e u b r o n n anertemit die Verbesserung^ ,
welchc dic Kommission vorgenommeu hat; doch enthalte d>
Entwurf immcr uoch Bcstimmuugcil, wclche zu Chikansi
führen könucu. Durch Abschafsung der Präventivkontrolle hnn
das Reichsgeseh lcdiglich eiuc uimötige Schreiberei bescir>?''
nun kommc der badische Gcsctzgeber mit dem alteu Zopf
dcr. Man hätte zum mindesten abwarten sollen, was ^
Reichsgesetz bringt. Wenn er nicht gegen das ncue ;
stimmc, so thuc er dics nur deshalb, weil der Paragraph

wirklich uützliche Bestimmung briugt; alle anderen
übcrflüssig. Die polizeiliche Kontrolle halte er an und

-- . .. - - .W

sich für statthaft, abcr für unnötig. Zu den meisten BedeE

.... ....

gcben die Strafbestimmungeu wegcn Üeberversicherung A»>0§

Jhm sci aus seiner gauzen staatsanwaltschaftlichen Praxis
Fall bekannt, wo eine Bestrafung wegen Ueber- oder DoppZ
versichcrung cingctretcn wäre; auch die Strafstatistik fü",-
keine derartigcn Fälle an. Er haltc älso die Strafbestimn»»,
gcn für umiötig. Der Gedanke in Paragraph 12, datz
Versicherungsgesellschaften zu Beiträgen für die Feuerlösch/P
richtuugen hcrangezogeu. werdcn könneu, sci ihm sehr
pathisch, lediglich aus diescm Grunde sei für ihn das Gsi j
annehmbar. Wenn das andere Haus den Entwurf noch »»!».
verbessere, und so wcit gehcu würde, daß nur noch der sä»'-,
Paragraph 12 übrig bleibt, so würde er das auch für »
Unglück halten. (Heiterkeit.)

Ministerialpräsideut Schenkel hebt die Vorzüge
badischenc Feuerversicherungsgesetzes hcrvor, das in einem ZA
raum vou sechzig Jahren keiner Abänderung bedurfte.
Kontrollc der Gcmcilidcbehördeli war nicht blotzes Schreib»»P
sondern sic gewährte den Behörden einen wertvollcn Ei»»,,-
in die Verhältnisse der Gemeindebürger. Mit dcm vorliE,,
den Entwurf wollte die Regierung lediglich von dem alten
sch crhalteu, was dcr iÄhaltung wert ist. Mit Rückl»,
auf das in Aussichi stehende Rcichsgesetz wcrde mäteriell >si
das Allernotweudigste geändert. Ncu ist nur die F»'',
Es sei allerdiugs verführcrisch, mit dcm alten Gesetz A,,
aufzuräumen, abcr man sollte sich doch nicht dazu hinrc>dsi
lassen, eine Lücke zu schaffen, die nur zu bald schmelsP
empfnnden würdc. Ein Bedürfnis für polizeiliche Kor»>"tzz
und Strafbestimmungen wegen Ueber- und Doppelversiche»».'
sci immer noch borhanden; jedenfalls müssen sie sür die Ü»
gangszcit beibehalten werden, um so mehr, als damit
Belästigung des Publikums verbunden ist. Er danke
Kommission und dcm Berichterstatter, datz sie auf dem
eincs Kompromisses die Annahme des Entwurfes erinög»
haben. ^

Gch. Komm.-Rat Krafft steht auf dcm Standpunkte
Freiherru von Neubronn. Er hätte gewüuscht, datz ma»
dcn vcraltcten Bcstimmuiigen aufgeräumt hätte, um so r»s
als bisher thatsächlich keine Kontrolle bestand, weil die
meindebehördcn in dcr Regel gar nicht imstande ware», !,§.
Wert dcr Polizei festzustellcii. Er stimme gegen das

Geh. Hofrat R ü m e l i n kann dem Gesetzeutwurf

falls nicht zustimmen, hauptsächlich wegcn der Bestini»'!',

in Paragraph 4, woruach die Versicherung den wahren,'^<
meincn) Wcrt der versicherten Vcrmögensteile niemals r»

steigen darf. ^

Der Entwurf wird iu namentlicher Abstimmung mit » ,
gegcn zwei Stimmen (Geh. Hofrat Rümeliu und Geh. Ko»>
Rat Kraffti angenommen.

Der Rest der TageZordmmg bctraf Petitionen. ji

Ucbcr die Bittc des Privatmanns Wilhelm Hoffma»>>.,,<
Würzburg um Rechtshilfe giug das Haus ohne Debatte ^
Tagesordnung über.


Wieder bcgann der lustige Kämpf, aber es ivar, -P
Laste Konstanzens Gegeuwart beklemmend auf allen.

dcr alie, lustigc Bursche biu. Pas; auf, es ivird jetzt ein
tustigcs Leben. So ciue Art Nachsommer, weitzt du? Wir
Allen' wollcn unseren Söhnen zeigen, datz man auch mit
graucm Haar uoch bergnügt sein kannl"

„Ja, ja! Wcnn Schuee und Eis die Erde bcdcckeu,
giebsis auch noch schöne heitere Tage. Warum sollte das
Altcr also der Winter, nicht cbcnfalls scine Freuden und Ge-
nüssc haben? Wir werdcn schon dafür sorgen, datz sie uns
nicht fchlen."

„So mcine ich auch. Doch nun ivollen wir das Gcschäft
abschlietzen." -

Man stellte dic Bediiigungen fest, unter welchen Gut Steiu-
bach in dcn Besitz dcs Obersten von Brachwitz übergehen sollte.

' Fn dcr Obcrförsterei wandelte Konstcmze unterdessen wie
ein Jrrgcist herum, bleich bis in die Lippen und mit roten
Flecken auf dcn Wangcn. Sie spähte beständig nach einer
Gelegenhcit, Herbcrt allein zu sprechen, doch dieser weilte im
Gartcn mit Regina und Mnrgot. Er und die bciden Mädchen
spieltcn Croquet. Endlich war sie auch hinab gegangen und
beobachtetc mit finsierer Micne, wie Fräuleiu von Brachwitz
das zicrliche Fützchcn anf die Bälle schte und mit sicherer,
geübtcr Hcmd den Hammer fuhrte. Margot war mit grotztem
Eifer bei der SaAe. Die Grübchen in ihrem anmutigen
Gesicht vertieften sich schalkhafl bei jedcm Siegc, den sie über
die andcren gewann.

Turch das grüne Laubdach dcs Gartens gliherten Son-
ncnstrahlcn, und ein bunter Schmctterling umgaukelte be-
ständig das helle Haar des jungen Mädchcns.

„Willst du mitspielcn, Konsine?" rief der junge Werther
herüber.

„Ncinl" lautcte die kurze Antwort.

„Abcr Ivarum deim nicht?" sragte Regma. „Da liegen
Hämmer und Bälle. Diese Partie ist zn Ende. Die nächste
wollen wir beidc gegcn Herbert und Fraulein bon Brachwitz
halten. Jst es dir recht?"

„Jch sagte sa schon cinmal neinl"

„Du hast also kcine Lust?"

„Nicht die germgste, wic du sichst!"

„Und ich wüßte kaum ein andercs Vergnügen, das
ich diesem zur Seite stellen würde."

„Das ist Geschmacksache."

„Aber das Zusehen amüsicrt dich doch?"

„Es schcint so." ,

„Konstanze ist heutc mit dem link«n Fuß zuerst aufge-
standcn", scherzte der Referendar, der sich bemühte, sein see-
lischcs Unbchagen zu vcrbergen.

„Wohl möglich. Das passicrt ja andern mitunter auch.
Latzt Euch in Eurcr Fröhlichkeit durch mich nicht stören.
Spätcr habe ich dir etwas zu sagen, Vetter, wenn du mir
ein paar Augenblicke schenken kaimst."

„Jch stehe bir sofort zu Diensten. Die Damen werden
entschuldigen —"

„Ja, gewißl Machen wir eine kleine Ruhepause", stimmte
Margot bei.

„O ncin, so eilig ist es nicht," entgegnete Fränlein von
Felsing schroff.. „Das hat später noch Zeit. Es handelt
sich nur nm etwas, das du mir in der Stadt besorgen sollst
— eine Ueberraschung für Mama."

„Mit größtem Vergnügen übernehmc ich deinen Aüf-

^"^.Schönl Also bitte, fpielt weiter."

„Wie sie nur hente wiedcr ist!" flüsterte Regina dem Bru-
der zn. „Man wird gar nicht klug aus ihr."

„Ach Gott, cs ist auch ganz unnötig, sich über Kon-
stanzens Lannen den Kopf zerbrechen", gab er nervös und
etwas gereizt zurück. „Also die beiden Damen gegen mich!"

„Ncin, bei einem so ungleichen Kampfe würde wenig Ehre
einzulegen sein", entgegncte Margot.

„Wie Sie befehlen, gnädiges Fräulein."

finstere Gesicht mit dem ironischen Lächeln um die fest »jk
schlossenen Lippen wirkte merkwürdig verstimmend a»f
jungen Leute.

Margot konnte ihre früherc übersprndelnde Laune
nicht wieder finden, verstummte allmählich und erklärte e»>"

„Jch bin müde, der Arm thut mir wehl" F

„Hören wir also auf," bceilte sich der junge Baro»
sagen. ..A

„Ja, das Glitzern der Sonne blendet und veru»!
Kopfschmerzen. Fräulein von Felsing hat ein präch»"
schattigcs Plätzchen gefunden. Erlauben Sie?"

Sie nahm einen Stuhl und rückte ihn zögernd nebe» ?
stanze. Nicht, datz sie Sympathie für des Oberförsters iR» §>'

gehabt hätte, aber ihr warmes, weiches Herz sagte ihr-^F

ist eine, die sich unglücklich fühlt, zu ihr mußt du do
freundlich sein."

Konstanzens Antwort bestand in einem kühlen, hoch»
gen Kopfnicken. . F

„Es ist wunderschön hier in G . . nicht wahr? ,
das sunge Mädchen mit unverkennbarer Befangenheit ei»
spräch anzuknüpfen.

„O ia!" lilutete die lakonische Antwort.

„Vrelleicht kauft Papa Gut Steinbach. Das
HLbschl 'Jch würde mich sehr darüber freuen, denn ich,^t
nichts köstlichercs als das Landleben. Papa hat mir »I^>
von seinem alten Freund vorgeschwärmt. Der Herr
förster rst auch ein herrlicher Mann."

„Gewitzl"

„Und Reginal Wie lieb und gut sie mir entgegenko'
Wir sin^ auch bereits gute Freundinnen."

„Das ging ja ziemlich schnelll"

(Fortsetzung folgt.)
 
Annotationen