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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 125-149 (2. Juni 1902 - 30. Juni 1902)
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Frcit^, 6. Juni 1902

GMes Blertt.

44. Jchrgang. — 129.

^ rscheint täglich Sonnlags ausgenomwen. Preis mit Fomilienblöttern monatlich SO Psg. in's Hans gebracht, bci dcr Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-

^ zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr. .

«nzeigenpreis: 10 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Ranm. Reklomezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschästs- und Privatanzeigcn ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an besümmt
borgeschriebenen Tagen wird keine Perantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattaseln der Heidelberger Zeitnng und den städt. Anschlagstellen. Fernsprech-Anschlnß Nr. 82

Aie Aeste in Warienöurg.

Marienburg, 5. Juni. Heuie Vormittag nahmen

hcrrlichem Wetlcr Kriegcrvcreine, Schulen und eine
überaus zahlreiche Menschenmenge in den Straßen Auf-
stellung, die vom Schloß nach der improvisierten Haltestelle
sühren. Dort stand eine Ehrenkompagnie dcs Grenadier-
^giments Nr. 5 mit Fahne und Musik, sowie eine Schwadron
bes ersten Leibhusarcnrcgtments. Zum Empfang fanden
Uch ein der Oberpräsident, der Landrat, dcr Oberbürger-
^eister, sowie von militärischer Seite der kommandierende
^eneral. Um 8 V, Uhr traf das Kaiserpaar mittels
Sonderzuges ein. Nach der Begrützung schritt der Kaiser
ble Front der Ehrenkommpagnie ab und lleß dieselbe an
stch vorbeidefilieren. Das Kaiserpaar fuhr dann im offenen
Vierspänner nach dem Schloß. Es trafcn ferner noch ein
Prinz Albrecht von Preußen, Graf von Bülow, Herzog
3ohann Albrecht von Mecklenburg und Herzog Nikolaus
don Württemberg.

Zur Feier der vollendetenWiederherstellung
°es Hochschlosses versammelten sich das Kaiser-
baar, der Großmeister des Johanniterordens Prinz
Albrecht von Preußen, die Prinzen aus den souve-
^änen Häusern, die Ehrenkommendatoren und die Kommen-
^>toren, sowie die ausländischen Deputationen in dem
Sommer- und Großremter. Die Kaiserin begab sich mit
chrcm Gefolge in die Schloßkirche, ebenso die Gäste. Jn-
Swischcn ordncte sich der Zug der Ritter. Dcr Kaiser
begab sich unter Vortriit des Herrenmeisters zum Portal
Und nahm dort Aufstellung, während Fansarenklänge
bom Kapilelturm herabtönten. Der Zug schritt am Kaiser
borbei, voran der Ordensmarschall, sodann über hundert
Pitter des Johanniter - Ordens; der zweite Mar-
tchall führte die Ehrenkommendatoren und Kommen-
batoren, es folgten die fremden Deputationen, weiter die
brinzlichen Mitglicder dcs Ordens, der Ordenshauptmann
wit dem Ordensschwert; hieran schloff-n sich der Groß-
weister Prinz Albrecht von Preußen und der Kaiser.
ffnter andauerndem Glockengeläute ging der Zug durch
rin Spalier von Mannschaften im Kostüm des Trosses
ber Deutsch-Ordensrittcr über die Zugbrücke zur Schloß-
^irche, aus der die Klänge des 84. Psalmes „Wie lieblich
stnd deine Wohnungen," gesungcn vom Berliner Domchor,
^rtönten. Der Zug bot ein farbenprächtiges Bild; Prinz
^tbrecht trug übcr der Uniform den langen schwarzen
Mantel. welchen Pagen hielten. Der Kaiser als Hoch-
weister trug den gleichen Mantel, der ebenfalls von Pagen
Lehalten wurde, darüber einen Kragen von Hermelin, auf
bern Haupte eincn mit weißen Federn verbrämten
schwarzcn Hut. Langsam und feierlich bewegte sich der
"Ug zur Kirche.

Am Eingang der Kirche empfing den Kaiser die Geist-
sschkeit, die Generalsupcrintendenten Dryander, Braun und
^oeblin, die den Kaiser auf den Hochmeistersitz geleiteten,
buf dem der Kaiscr und Prinz Albrecht Platz nahmen.
Ach Beethovens „Die Himmel rühmen" begann der
^ottesdicrst. Nach dcm Gemeindegesang und der Liturgie !
blelt Dryander die Weihcrede; daran schloffen sich der Weihe- !

und Gebet. Ten Schluß machte das niederländische '

Dankgebet. Der Zug bewegte sich dann nach dem Kapitel-
saal, wo die Mäntel abgelegt wurden, dann weiter nach
dem Hofe des Mittelschlosses und durch die Bartholomäus-
kapelle nach den Gartenkammern, wo den Ordensrittern
ihre Plätze angewiesen wurden.

Am Abend begann das Bankett. Bei dem Bankett
saß der Kaiser neben der Kaiserin. Gegenüber Prinz
Albrecht von Preußen zwischen dem österrcichisch-ungarischen
Botschafter und dcm kaiserlichen Statthalter Fürsten Hohenlohe-
Langenburg. Nach der Tafel wurde Ccrcle abgchaltcn,
dann erfolgte ein Rundgang durch die Räume des
Schlosses. Der Kaiser schenkte dem Orden sein Bildnis
in der Tracht als Protektor des Johanniterordens.

Deutsches Reich.

— Die Eisenacher Kirchenkonferenz vom 31. Mai hat
das Bedürfnis cines engeren Zusarnmenschlusses
der deutschen evangelischen Landeskirchen an-
erkannt und zur Ausarbeitung von Vorschlägen für eine
außerordentliche Kirchenkonferenz eine Kommission von 13
Mitgliedcrn eingesetzt.

Aeutscher Weichstag.

Berlin, 5. Juni.

Auf der Tagesordnung steht die erste eventuell zweite
Beratung des Uebereinkommens zum Schutze der für
die L andw ir tschast nützlichen Vögel.

Nuf Anregrmg Frankrcichs wurde das Abkommen vom
19. März in Paris vollzogen.

ÄLg. B e ck h-Koburg (freis. Ver.) begrüßt die Vorläge.
bedauert aber, daß Jtalien der Konvention nicht beigetreten
sei. Die dreijährige Frist, innerhalb welcher die einzelnen
Regierungen ihre Gesetzgebung dcm Jnhalt der Äonvention
anpasfcn sollcn, sei zu hoch bemessen.

Abg. Deinhardt snatl.) bedauert, daß Lie Vögel
nicht nnr gefangen genommen, sondern auch gegessen und
auf den Hut gesteckt werden. Redner verlangt einen hohen
Eingangszoll Jtalien gegenüber, damit dic dort gefangenen
Vögel in Deutschland keinen Absatz finden.

Abg. v. Salis (kons.) ist mit der Vorlage einverstan-

den.

Abg. v. Bernstorff (Welfe) bemängelt, daß man
den Storch unter die Zahl der nützlichen Vögel aufgenommen
habc. Derselbe sei ein schädliches Tier.

Staatssekretär Dr. Graf v. Posadowsky crklärt:
Das Verzcichnis der zu schützenden Vögel ist unter Mitwirk-
ung von Gelehrten aufgestellt. Der Anschluß Jtaliens
wird sich kaum erreichen lassen. Die Niederlande treten
nicht bei, da sie erklärten, daß die Bestimmungen der Kom-
mission mit ihrem Jagdgesetz unvereinbar seien. Wir wer-
den demnächst unser Gesetz im Sinne der Konvention revidie-
ren.

Das Uebereinkommcn wird hierauf in erster und zweiter
Lesung angcnommen.

Es folgt vie d'üte Ber luiift des Toleranzantraftes.

Jn dsr Generaldebatte erklärt Abg. Schrader (freis.
Vg.), seine Partei sei mit dem Antrag einvcrstanden.

Abg. Kunert (Soz.): Seine Partei stimme für die
Vorlage, da die für sie unannehmbaren Paragraphen 5—10
weggefallen und einzelne Bestimmungen des Gesctzes ver-
bessert seien.

Abg. Freiherr v. S ch e e l e - W u n st o r f '(Welfe)
bringt Beschwerdcn über Drangsalierung der Altlutheraner

vor. Der Reichskanzler wcrde hoffentlich Abhilfc schaffcn,
Mit dem Antragc seien seine Freunde einverstanden.

Abg. Dr. Hieber (natlib.): Seine Freunde würden
gcgen den erstcn Teil des Antrages stimmen.

Abg. Dr. Bachem (Zentr.) ist erfreut über den ruhi--
gen und sachlichen Verlauf der Vcrhandlung und dankt allen,
die dem Zentrum zur Annahme des Antrages verholfen ha--
ben. Cr bitte auch diejenigen, mit denen das Zentrum dis-
kutieren mußte, iiberzeugt zu sein, daß er auch seinen Geg-
nern zugcstehe, was es selbst für sich in Anspruch nehme.
Das dem Zentrnm entgegengebrachte Mißtrauen werde hof-
fentlich rollkommen berschwunden sein und die Regierung
ihrerseits crneut erwägen, ob fie zustimmen könne.

Die Eencraldiskusiion wird gcschlossen.

Zu Parngraph l bemängelt Abg. Stolle (Svz.) den
letzten Satz. wonach die landespolizeilichen Vorschrifren über
das Vercins- rmd Vcrsammlungswesen von den Bestännun-
gen dieses Paragraphen unberührt bleiben.

Nach iveiiercn Bemerkungen verschiedener Redner wcr-
den die Paragraphen I o, 2 und 2 u, die Bestimmungen über
das rcligiöse Bekcnntnis dcr Kinder betreffend, angcnom-
mcn.

Tann wird der Nntrag in Gesamtabstimmung mit 162
gegcn 60 Stimmen bei 8 Stimmenthaltungen angenommen«

Samstagi Vogelschutzgesetz, Rechnungssachen, Aufhebung
dcS Diktaturparagraphen.

Baden.

Karlsruhe, 5. Juni. Dcr Abg. Wacker
ist wieder einmal erzürnt über den sozialdemokratischen
„Volksfreund", der ihn dieser Tage als Oberzensor
der zweiten Kammer ncckte und dazu bemerkte: „Es wäre
aber wirklich einmal an der Zeit, daß dem selbgefälligen
„Herrn von Zähringen" gelegentlich einmal eine kalte Dusche
verabreicht wird, die ihm die Lust zum Zensorieren benimmt".
Das scheint den „Löwen" empfindlich gejuckt zu haben, denn
er fährt heute im „Beob." gleich cine „Kilometer-Kanone"
gegen das Sozialistenblatt auf. Unter den Schüffen, die
er aus diesem Geschütz abgiebt, befindet sich u. A. die
Wiederholung scines an Minister Schenkel gerichteten Zn-
rufs: „Der Minister als Spottvogel" und die Wiederholung
der Bemerkung „es pressiert nicht". Diese Bemerkung fiel,
als der Abg. Geck versehentlich vom Staatsminister Schenkel
sprach, jener Zurus erfolgte, als der Minister auf eine Rede
des Abg. Heimburger erwiderte. Jn seinem Kilometer-
artikel hält Wacker nun dte Berechtigung zu seinem Zuruf
bezw. ffeiner Zwischenbemerkung aufrecht. Dabei widmet
er Herrn Minister Schenkel folgende liebenswürdige Aus-
führung: Es mußte die Schenkel'sche Jronie um so mehr
verletzen, als die Regierung allen Grund hätte, froh darüber
zu sein, wenn die antinationalliberale Kammer-Mehr-
heit in der politischen oder bürgerlichen Wahlrechtsfrage
nach den Grundsätzen praktischer Politik sich einstweilen
auch mit einem Teil begnügt, wo das Ganze nicht zu
haben ist. Das nicht zu übersehen, hätte Minister Schenkel
schon darum mehr Anlaß, als die übrigen Mitglieder der
Regierung, weil er als Minister des Jnnern am nächsten
und am meisten daran beteiligt ist. Es scheint ihm aber
schwer zu fallen, gewisse Schattcnseiten abzustreifen, die ihn
früher mehr als einmal in eine unangenehme Situation
gebracht haben, als cr noch als einfacher Rat in der Kammer
aufzutrcten hatte. Wenn man an aü' das denkt und dabei
weiß, daß Abg. Wacker in der Verfassungskommission ge-

^ie Iuöisäumskunstanssteü'ung in KarLsruhe.

V. »Unsere AIIschaIInngen von deNI, was das Weseil und
^ufgabe der Knnst ist, haben sich im Laufe eines Menschen-
Zsers vDN Grund ans nmgestaltet. Die Zeiten der
Mtorstn- und Genremalerei mit ihrer halb gelehrten, halb lite
Leischeii Tendenz sind vornber. Eine abgeklärtere nnd tiefere
-jusfassung vom Bcgriff des rein Künstlerischen hat sich Bahn ge-
^uchen: Nicht das Snjet macht die Bedeutnng des Kunst-
sondern die künstlerische Darstelluiig und
nn At der Verstand, sondern die Sinne sind das
^Zvinm eines kllnstlerischen Genusses. Ein Kunstwerk ist uns
H. Offenbarnng in Formen und Farben, wie sich in einer
H.Uuststrsxe^ die tausend Gestalten der Wirklichkeit spiegeln. Die
ls^ude an der sichtbaren Schönheit dieser Welt hat die Künstler
dän ^chuffen getrieben, und diese Freude sollen wir mitgenießen:

'Uu haben wir den Künstler nnd sein Werk verstanden.
x..Wer also eine moderne Knnstausstellnng betritt, dcr crwarte
tz 'U e gemalten oder gemeißelten Vorträge über welthistorische
vd? uenheiten mit gelehrten Exkurscu über antikes Kriegswesen
bisi juittelalterliche Kostümkunde. anch keine Jllnstrationen zu
sti, lischen Romanen oder rührseligen Banernnovellen. Er öffne
DjZ Augen und mache slch bereit zn schanen nnd zu genießen.

Formen und Farben eincs Bildes oder einer Statue wollen
tzbAenonmien ßiu wie der Nhythmns nnd die Töne eincr Musik.
tz» uiesem Sinne änßert sich in einem Werk dcr bildenden
siir '!i Eine Weltanschauung: nicht als eine vom Verstand nnd
<Uz i" Verstand ausgedachte Synibolik abstrakter Jdecn, sondern
tzj./.sue aus dem Gefühl fließende und nnr für das
verständliche Ansdrucksform eincs persönlichen
K»,stU«nisses znr Natur und zmn Menschenleben. Denn jedcs
tzU)erk jst das Resultat eineS inneren Erlebnisses. Und so
Nidii^^ verschieden, wie die Alenschen untereinander sind, so un-
^en'ch "icmnigfaltig cinch pje Art, wie der Etnzelne den
»uj, Ütznd seiner Kunst erlebt. Hnndert Künstler mögen vor ein
hjgj dusselbe Stück Ratur, vor cinen nnd denselben Meuschen
"en, jeder wird seinen Gcgenstand anders sehen und in seiner

Weise wicdergeben. Es entstehen hundert selbständige Kunstwerke
imd auch nicht zweimal dasselbe. Darin liegt eben das Wesen
des Kiinstlerischen und die ncbensächliche Bedentung des rcin
Gegenständlichen: Die P ersö n li ch ke it macht das Kunst-
werk. Und je eigenartiger sie sich ausspricht, je frischer nnd
unmittelbarer sie sich äußert, desto höher steht es ims. Nichts ist
uns verhaßter, als die pedantischc Trockenhcit des akademisch
Korrekten, der die promethcische Gabe fehlt, der Form den
lebendigen Atem der Seele einznhauchen oder das leerc Virtnosen-
tum, das mit der Technik um ihrer selbst willen prunkt. Aber
auch dle elegante Verlogenheit des konventionell Schönen hat mit
der Kunst nichts zu thun. Deun zwei Abwege fiihren abseits
vom Ziel: der eine ist der platte Natnralisnms einer getstlos
sklavischen Naturimitation, der die Kunst im Handwerk nntergehen
läßt, der andere ist der Charlatanismns, der seine Jdeale fremden
Göttern opfert. Nur die leidenschaftliche und selbstlose Liebe und
Begeisterung hält den Künstler anf der Höhe seiner Anfgabe D i e
Knnst ist Selbstzweck und kennt keine Gesetze als
ihre eigenen. —

Hier liegen die Grenzen dessen, was die Answahl einer nach
künstlerischen Grundsätzen geleiteten Aiisstellimg zu bestimmen hat:
je strenger sie diese Grenzen einhält, dcsto vollkommener wird sie
ihre Kultnrmission erfüllen: den Genuß echter Knnst z n
vermitteln unddas Verständnis nndden Sinn dafür
zu fördern Denn das ist die eigentlichste imd vornchmste
Aufgabe aller K un stan s st e l l nng e n."

Es wäre nicht leicht, einem Bericht über die Jiibiläuniskimst-
ansstellnng eine besser einführende, Zweck und Ziele des Unter-
nehmens klarer vor die Augen führende Einleitung zu geben, als
das aus der Feder Professor Karl Widmer stammende Vorwort
zum offiziellen Katalog. Was hier ausgesprochen ist, hat man in
der Hanptsache anch gehalten, so daß einzelne Abweichnngen, die
stch ans dem Beiwort „Jubiläums"-Knnstausstellung erklären
lasien, nnschwer überwnnden werden nnd nicht in's Gewicht fallen.
Es ist wirklich eine Elite-Ausstellnng, nicht dnrch die Zahl der
Kanfwerke oder besonders viele neue Sterne am Kimsthimmel be-
dentend, sondern sic wirkt, indem sie uns gruppenweise Persön-

lichkeiten zeigt, ungemein belehread nnd anregend. Die große
Masse der Büder, welche lediglich Ware sind und die Ausstellnngen
der Kunstmetropolen fttr den Beschauer so ermüdend machen, fehlt
fast völlig. Es ist daher eine Reise nach Karlsruhe sicher lohnend,
wenn auch der Kenner der letzten Miinchner Glaspalastaus-
stellungeii viel altc Bekamite trcffen wird. Diese sind aber hier
so nngemein verständnisvoll gruppiert, daß sie, die ohnehin schon
Persönlichkeit atmen, in dieser Znsammenstellimg diese Persönlich-
keit noch schärfer zum Ansdrnck kommen lassen und darum stets
anfs Nene rcizcn werden.

Wir betreten das Ansstellimgsgebände und stehen in einem
Kuppelsaal znnüchst vor deni letzten Werk Segantini's.

Werden, Sein und Vergehen des Menschengeschlechts bringen
drei große Gemälde mit dcr Majestät des Hochgebirgcs in Kon-
trast. Jm kalten Frühmorgm: das Werdcn! Die Höhe des
Lebens wird aus dem Grat überschritten, die Soime steht hoch:
das Sein! Jm bläulichen Schneelicht: dasVergehen! Klein
und vergänglich ist der Mensch; erhaben die ewige Kraft der
Natur! Das fprechen Segantmi's Bilder zu dem Beschaner.

Bei einer Jnbilünmsknnstcmsstellimg in der badischen Residenz
hat man begreiflicherweise der heimatlichen Malerei, sei sie ur-
wnchsig oder erst badisch geworden, einen verhältnismäßig be-
deutenderen Ranm zubemessen. Wir wollen nicht von der Thoma-
Kollektion reden. Wir haben ja in Heidelberg schon zweimal
Gelegenheit gehabt, sogar reichhaltigere Thoma-Aiisstellnngeii zu
sehen. Doch immer ist man wieder von der kräftigen, kindlich
rcinen Anffassimg des Künstlers entzückt, ein Gefühl. das einzelne
Bedenken völlig verschwinden läßt.

Von älteren, schon verstorbenen Künstlern bcgegnen wlr An-
selm Feuerbach, von dem mehrere wirknngsvolle Frauenköpfe
da sind. Wir findeN weiter meyrere Bilder von W Volz und
W. Dürr. Die hentige Generation ist mit Werken von B ie s e,
Conz, Danr, Eichrodt, Göhler, Hein, Hellwag,
Jnncker, Kampmann, Matthaei, Nagel, Pelzet n.
a. m. vertreten, die nnsgeprägte Jndividnalitüt eigentlich nicht
vcrraten; eindrncksvoller sind die Schönleber- und Volk-
mann-Bilder; auch Viktor Weishanp't hat eine sehr un-
 
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