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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 125-149 (2. Juni 1902 - 30. Juni 1902)
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niß; die meisten zeigten sich von der Mißachtung, die dsr
jugendliche Herrscher den Formeln und dem Hergebrach-
ten gegenüber an den Tag legt, erschreckt. Einige gingen
sogar soweit, anzudeuteiu daß Alfonso XIII. Kaiser
Wilhelm nachahme. Der Thatbestand ist solgender:
Am Donnerstag Morgen um 8P^ Uhr erhielten der
Prinz von Austrien und die beiden Adjutanteu des Kö-
nigs den Befehl, sich zum Ritt bereit zu halten und dem
König zu folgen. Eine halbe Stunde später waren die
vier zum Erstaunen der Offiziere und Mannschaften in
der Kaserne. Das Staunen nahm zu, als der König kurz
befahl, das Artillerieregiment zur Revue ausrücken zu
lassen. Eins Viertelstunde später konnte man den König
an der Spitze des Regiments durch die Straßen ziehen
sehen. Alsonso XIII. sah nie glücklicher aus als in
diesem Moment. Die königliche Familie stand auf dem
Balkon des Schlosses, und direkt unter dem Balkon nahm
der König seine Stellung ein und ließ das Regiment
Revue passieren. Dann befahl er, daß den Mannschasten
ein Ertrafrühstück gegeben wiirde und gab selbst einen
ansehnlichen Geldbetrag aus seiner Privatschatulle der
Kompagnie, die am schnellsten marschbereit war. Da-
rauf zog er sich zum Frühstück ins Schloß zurück. Die
Madrider und alle Spanier sind entzückt von dieser
Handluug des Königs, von seinem Geist und seiner Ent-
schlossenheit. Aber viele hohe Beamte, besonders der
Kriegsminister Weyler, der solche unerwarteten Besuche
als sein eigenes Vorrecht betrachtet, sind über diese un-
berufene Einmischung Alfonso's XIII. offen entsetzt . .

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Aus Stadt und Land.

— Obstversand. Der Staatssekretär des Reichspostamtes
hat eine zeitgemäße Einrichtung bezüglich des Obstversandes
getroffen. Durch Verfügung wird den Postanstalten schonende
Behandlung der Obst- und Traubensendungen zur Pslicht ge-
macht. Solche Sendungen sollen beim Umladen thunlichst von
Hand zu Hand' weitergehen und behutsam niedergelegt wer-
den. Jn Wagenräumen und Packkammern sind Obstfendun-
gen Lerartig zu lagern, daß sie keinem übermätzigen Druck
ausgesetzt sind. Empfohlen wird daher einFrecht auffälliger
Vermerk über den Jnhalt der Sendung, z. B. „Vorsicht!
Tafelobstl Bitte nicht werfenl"

— Viehhandel betr. Das Großh. Ministerium des Jnnern
hat eine wichtige, den gewerbsmäßigm Handel mtt Pferden und
Rindvieh betreffende Verordnung erlassen. Aufgrund derselben
ist jeder, der mit Pserdm und Rindvieh gewerbsmäßigen
Handel treibt, verpflichtet, etn Verzeichnts zu fiihrm, das eine
Reihe von Angaben enthalten muß. Das Verzeichnis muß in
Buchform angelegt, dauerhaft gebunden und mit fortlaufenden
Seitenzahlen versehen sein; die Vorschriftsmäßigkeit desselben
hat das Bezirksamt zu bestätigen. Die Einträge müssen spätestens
24 Stunden nach Erwerbuug oder Veräußerung eines Tieres
vorgenommen setn. Auch außerbadische Händler, die innerhalb
Badens Geschäfte betreiben, haben das Verzeichnis zu führen
und müssen cs bei Ausübung ihres Gewerbes im Großherzogtum
ständig bei sich haben. Die Verzeichnisse sind mindestens ein
Jahr lang aufzubewahren und den mit der Kontrolle betrauten
Beamten auf Verlangen jederzeit vorzulegen. Die Verordnung
tritt mit dem 1. Juli in Wirksamkeit.

Sinsheim, 10. Juni. (Zahlreiche Preise) er-
hielt in Mannheim der Verband der unterbadischen Pferdezucht-
Genossenschaften; an Einzelpreisen erhielt Hengsthalter Kopp
in Kirchardt einen zweiten Preis mit 800 Mark; Phil. Metzger
in Neckarbischofsheim einen zweiten Preis von 150 Mark;
die Gutsverwaltung Grombach desgleichen einen zweiten
Preis von 100 Mark; eine Anerkennung erhielt Gutspächter
Seitz in Babstadt.

Mamcheim, 12. Juni. (Unsere elektrische
Stratzenbahn) beförderte während der Landwirtschaft-

lichen Ausstellung (vom 5. bis inkl. 10. Juni) insgesamt
575 879 Personen und erzielte eine Einnahme von Mark
54 762,35.

8dl Rhcinau, 11. Juni. (Der Grotzherzog über
Rheinau.) Anlätzlich des gestrigen Besuchs des Grotz-
hcrzogs in der Gewerbeausstellung in Mannheim wurde der
Direktor der „Diamant, Deutsche Zündholzfabrik" in Rheinau,
Herr G. Hunold, vom Grotzherzog in Audienz empfangen.
Jn längerer U'nterredung gab der Grohherzog Herrn Direktor
Hunold gegenüber seiner Freude über die autzerordentliche Ent-
wicklung der Rheinau lebhaften Ausdruck und sagte, wie die
„Rheinauer Ztg." berichtet, er hpffe, datz Rheinau bald eine
der ersten Stellen in der Geschiihte der badischen Jndustrie
und des Handels einnchmen werde.

8L Karlsruhe, 11. Juni. (Eine Milchverteue-
r u n g) soll scitens der hiesigen Milchhändler in Erwügung
gezogen werden. Die Händlcr begründen den Aufschlag mit
dem Erlatz der ministeriellen Verordnung, den Verkehr mit
Milch betreffend, durch welche dem Milchhandcl Lasten auferlegt
wurden, die er auf die Konsumenten abzuwälzen genötigt sei.

LL. Karlsruhc, 11. Juni. (Wegen eines Ver-
gehens gegen das Nahrungsmittelgesetz)
stand am Montag der in Spöck wohnhafte Mackler Karl Lepp
aus Weingarten vor dem Schöffengericht in Karlsruhe. Jhm
wurde zur Last gelegt, in mehreren Fällen das Fleisch von
umgestandenem Vieh bei Nacht geholt und veräutzert zu ha-
ben. Die Anklage beschuldigte Lepp weiter, datz er erkrank-
tes Vieh, welches auf dcm Transport verendet war, erwarb
und das Fleisch dieser Tiere verkaufte. Der Angeklagte bestritt
jede Schuld und versicherte, nur einmal eine bereits verlochte
Kalbin zur Nachtzeit ausgegraben und das Fleisch seinen
Schweinen gefüttert zu haben. Nach dem Gange der Ver-
handlung, zu der 88 Zeugen geladen waren, Hielt das Ge-
richt den Angeklagten trotz seines Leugnens für schuldig und
verurteilte denselben zu sechs Monaten Gefängnis.

SL. Karlsruhe, 11. Juni. (D e r hiesige F eu e r-
b e sta t t u n gs v e r e i n) hielt gestern seine Jahresmit-
gliederversammlung ab. Am Schlusse seines Jahresberichts
konnte der Vorstand den Entwurf eines Vertrags mit der
Staötverwaltung verlesen, nach welchem dieselbe den Bau und
Betrieb eines Krematoriums mit einem Bauaufwand
von 50 000 Mark Lbernimmt, welcher von dem Verein solange
zu verzinsen ist, bis derselbe durch Einäscherungstaxen anwQ-
tisiert sein wird. Die Genehmigung durch den Stadtrat und
den Bürgerausschutz kann mit Sicherheit erwartet werden.

Pforzheim, 11. Juni. (Die Stadtverordne-
tenwahlen) sind nun zu Cnde, nachdem noch gestern die
erste Steuerklasse ihre Abgeordneten gewählt haben. Wenn
man schon bei den beiden ersten Klassen von einer nicht un-
bedenklichen Wahlfaulheit sprechen konnte, so trat diese Er-
scheinung erst recht bei den Wahlberechtigten der ersten
Klasse hervor. Jm Ganzen waren über 550 Bürger wahlbe-
rechtigt und nur 279 — also etwa nur die Hälfte — hat von
ihrem Rechte Gebrauch gemacht. Auch hier hat die vorge-
schlagene Liste nicht allgcmeine Billigung gefunden, denn es
entfielen auf nicht weniger als 86 Personen vereinzelte Stim-
men, darunter sehr viele, die mit einer oder zwei Stimmen
bedacht waren. Betrachtet man sich nun das Resultat der
Wahlen aller drei Klassen zusammen, so mutz man sich mit der
„Landeszeitung" allerdings fragen, War denn ein Kompro-
mitz der sogenannten Bürgerlichen Parteien nötig? Eine rein
nationalliberale Liste hätte in der ersten und zweiten Klasse
den gleichen Crfolg gehabt, denn die dritte ging ja doch ver-
loren. Ferner darf auch die Frage anfgeworsen werden,
warum haben sich nicht auch noch andere Jnteressensphärcn zu-
sammengethan, um gleichfalls sich einige Sitze damit zu er-
obern? Hoffentlich merkt man sich die Lehren der dies-
jährigen Wahlen l

-i- Baden-Baden, 12. Juni. (D e r Südwestdeuts ch e
Bund für vereinfachteStenographie), Eini-
gungsshstem Stolze-Schrey, hielt vom 7. bis 6. Juni seine
fünfte Jahresversammlung im Konversationshause hierselbst ab.
Die Verhandlungcn am'Samstag waren geschäftlichen An-
gelegenheitcn gewidmet. Nach dem Thätigkeitsbericht des
Vorstandes gehören dem Bunde 80 Vereine mit über 1000
Mitgliedern an. Daneben bcsteht eine grotze Anzahl von
Schülervereinen. — Zum 1. Bnndesvorsitzenden wnrde Land-
tagsstenograph Heinrich Dröse-Karlsruhe gewählt. — Am
Sonntag morgcn fand ein öffentliches Wettschreibcn statt. Jn
Gegenivart einer grotzen Zuschauermenge nahmcn die beiden
Landtagsstenographen Dröse und Mager ein Diktat nach un-
bekanntcm Stoff in der no«h niemals erreichten Schnelligkeit
von 860 Silben pro Minute auf, um es daranf jeder für sich
sofort wiederzugeben. Die beste Arbeit in der Schnelligkeit
von 280 Silben lieferte Oberprimaner Merk-Karlsruhe, bei
240 Silben I. B. Koller-Ludwigshafen und Hans Eichel-
Lndwigshafen, bei 220 Silben Frl. Sophie Frep-Baden, bei
200 Silben Fritz Gille-Ludwigshafen und Frl. Anna Hilde-
brand-Mannheim. Ju der öffentlichen Festversammlung hielt
Landtagsstenograph Freh-Karlsruhe einen fehr beifällig aufge-
nommencn Vortrag über das Thema: Rückschan und Um-
schau auf stenographischem Gebiete. Der Nachmittag und
Abend sowie der Montag waren geselligen Veranstaltungen ge-
widmet.

Aus Baden. Lebhafte Klagen wegen unerhörter
U e b e r f o r d e r u n g e n rc. seitens der Mannheimer

Droschkenkutscher während der verflossenen Festtäge sind derl
dortigen Polizei zur Kenntnis gekommen.

Kleine Zeitung.

— Friedberg (Hessen), 30. Mai. Die Zahl der die hiesig«
Gewerbcakademie besuchenden Techniker ist in der letzten Zeit
ganz rapid gestiegen, sodatz die bisher in Gebrauch befindlichen
Räunilichkeit des alteu Augustinerklosters bei weitem nicht mehr
ausreichen. Jn der gestrigen Stadtverordnetensitzung wurde
daher beschlossen, als Nvtbehelf bis zur Fertigstellung des pro-
jektierten grotzen nenen Akademie-Gebäudes auf dem S«chul-
hofe einige Barackeu als Zeichensäle zu errichten und entspre-
chende Beträge für Hcrstellung und Einrichtung bewilligt.

-— Lcipzig, 12. Juni. Heute Nacht ist hier, 63 Jahre
alt, der Geh. Oberschulrat a. D. P r o f e s s o r Her -
m a n n Schi11er gestorben. Der Konslikt, in den
er durch seine Kritik des hessischen Lchulmesens 1899,
die an die Affaire Dettweiler anknüpfte, mit der hessi-
schen Regierung gerist, wird wohl noch in frischer Er-
innernng sein. Schiller stand ehedem eine-Zeit lang
auch in badischen Diensten.

— IlltrA, illuros I Eine neue Encyklika, nicht wahr?
Rorrra loonta . . . Weit gefehlt: Die Behörden der größtett
deutschen Universität haben es geprägt, dieses schöne Wort.
So wandeln sich die Zeiten! Wer entsinnt sich nicht, wie
vor Herrn von Stumm einst der Kathedersoziaiismus itt
die Oeffentlichkeit sich flüchten mußte? Ach, Herr v. StumV
ist tot, und der einflußreichste der Kathedersozialisten will
unbehelligt sein von der Oeffentlichkeit. Mauern um die
deutschen Hochschulen, wie um ein römisches Priesterseminar;
Gitter v§r die Fenster; Schlösser vor die Lippen der Jüng-
linge; Ketzergerichte wider alle, die nicht schweigen mögen:
und fröhliche Feste nur zur höheren Ehre des Ministerial»
direktors! Jhr wollt unter euch sein? — o ihr Kurzsich-
tigen! Fiir die deutsche Kultur hättet ihr mit diesem Iiitr»
inuros euer eigenes Oousiliimi aliöuiiäi unterschriebett-
Eingemauerte Wissenschaft — das ist die neueste Phast
im Sturmlauf des Berliner Geistes. Verzeichnet sie,
Chronisten! (Jugend.)

— Die ältcsten Schifse sind in letzter Zeit in Aegyp*
ten aufgefunden worden. Jn einstr unterirdischen
Krypta von Dahshur ist man aus füns alte ischiffe g^
stoßen, die ganz vom Wüstensande bedeckt waren und un-
ter seinem Schutze sich 41/2 Jahrtausende gehalten haben-
Eines dieser Schiffe ist besonders merkwürdig, es ist
wahrscheinlich eines der ältesten Beispiele der Slchiffsbam
kunst, das auf unsere Zeit gekonnnen ist. Es bezeichnet
den Beginn der Geschichte der Seefahrt. Die Knnst des
Seefahrens steckte zu der Zeit, als dieses Schiff gebauf
wnrde, noch in ihren Anfängen, aber ste war doch ber
den Aegyptern viel weiter vorgeschritten, als bei manchett
ursprünglichen Menschenr-assen der Gegenwart. Das
Schiff ist aus Zedernholz gebant, das sorgfältig mit einertt
Breitbeil bearbeitet ist, Die Zeichen davon sind stellett'
weise noch deutlich sichtbar. Es ift dagegen kein Ätt-
zeichen vorhanden, daß auch eine Säge gebraucht wurde-
Die Balken sind miteinander verzatzft, und wo sie zU^
sammengehalten werden mnßten, sind in die entgegett'
ftehenden Stücke Osffnungen gebohrt, durch die Riemett,
wahrscheinlich aus Leder, gezogen wurden, und die Platt-
ken wurden dann znsammengebunden. Die Fugen uno
Verbindungsstellen wurden mit Erdpech ausgefüllt, urU
das Fahrzeug wasserdicht zu machen. Die Seiten wareu
über der Wasserlinie weiß bemalt und oben und nnteU
durch doppelte schwarze Linien abgesetzt. Das Bopl
ist 30 Fuß lang,, 8 Fnß breit und etwa füns Fuß ties-
Es war teiliveife mit einem Deck versehen und die Bord'
wände des Decks und die stützenden Querbalken siub
noch vorhanden. Dabei fand sich ein kurzer Mast, d^r
anzeigt, daß ein Segel gebraucht wurde, dessen ForrU
man allerdings nur erraten kann. Bei dem Schiff stiesi
man nuch auf Ueberbleibsel von Rndern, die beweistU-
daß diese Art der Fortbewegung angewandt wurde-
Die Linien sind anmutig und daranf berechnet, Schnell
ligkeit zu entwickeln; Bug und Heck steigen in Kurv.eU
auf nnd laufen spitz zu. Die Schandecke mittschistif
sind niedriger als Bug und Heck und weichen in diessU'
Hinsicht nicht von den Linien der Schiffe ab, die itt
allen Jahrhunderten seit der Zeit der Erbauung diests
Schiffes gebaut worden sind. Ein Keil ist nicht vorhaUs
den, und die Kunst, gegen den Wind zu segeln, ist niaU
veranschaulicht; möglicherweiss war sie noch nicht E
deckt. Ueber das Älter dieses ehrwürdigen Denkmal^
des Altertums sei erwähnt, daß Brugsch Bey es mittd^
stens auf das Jahr 2500 v. Chr. zurückstellt.

aber wir können uns trotzdem nahe stehen und einander in
treuer Pflichterfüllung unterstützen. Jhre Lebensausgabe mutz
es jetzt sein, Konstanze — auf deren Weg so mcmcher finstere
Schatten fällt — das grotze, ungetrübte Glück zu geben,
das sie ersehnt und erwartet.

„Wie soll ich, der ich selbst unglücklich bin, dazu imstande
tein?"

„Mnn mutz sich selbst bezwingen lernen," erwiderte sie
init thränenfeuchtem Blick, aber unendlich lieblichem Lächeln.
„Auch bei mir gab es Stunden— sie sind noch gar nicht lange
verstrichen — wo mir so unsagbar traurig zu Mute war, als
hätte sich die gauze Welt in einen Friedhof vcrwandelt. Aber,
rch gewann es dipnnoch über mich, dem Vater ein heiteres Ge-
sicht zu zeigen und ihm jeden Kummer fern zu halten. Was
ein unerfahrenes Mädchen fertig bringt, das muß doch dem
festen, ehrlichen Willen eiues Maimes erst recht gelingen. —
Diese offene Ausspräche hat uns beiden wohlgethan, es soll
aber auch die letzte gewesen sein. .Künftig begrützen wir uns
als gute Freunde, als nahe Verwandte nnd lassen die Ver-
gangenheit für immer ruhen. Nicht wahr?"

„Jch vevspreche es."

Er zog ihre kleine Hand an dic Lippen und kützte sie ehr-
surchtsvoll. „O Margot, welches Glück habe ich dnrch meinen
Leichtsinn für ewig verloren!"

Siebzehntes Kapitel.

Nach Breuers Mörder wurde eisrig geforscht. Cs wurden
rnehrere Personen verhaftet, sie mutzten jedoch wieder frei ge-
lassen werden. Die Eigentümer verschiedener wertvoller Gegen-
stände meldeten sich und lösten die Pfandobjekte ein; aber
das Dunkel, das über dem furchtbaren Verbrechen schwebte,
blieb ungelichtet.

Auch in dem kleinen G. fehlte es an Aufregungen nicht.
Die Wilderer hausten wieder arg im Forst, und der Herzog
sprach sich sehr ungnädig über die Nachlässigkeit seiner Beam-
ten aus.

„J-ch fürchte, diesmal ist Just auch mit dabei," sagte der
Oberförster eines Tages zu seinem Sohn. „Mir thut's leid,
schon meiner seligen Regina wegen, die den Jungen so gern
hatte. Aber hier heitzt eF scharf auf dem Posten seinl Der
Dachswirt, der Marburg und Reiner müssen sorgfältig be-
obachtet werden — nätürlich so, datz sie nichts merken, denn
es sind schlaue Füchse. Die Polizei ist verständigt. Du hältst
heute uoch Haussuchung bei Veit Diehl und Just Reiner."

„Wie du befiehlst, Papa!"

Der Dachswirt sah den unerwarteten Gästen, die so plötz-
lich in scine Wirtschaft traten, erstcmnt und verlegen entgegen
und mutzte es sicy gefallen lassen, datz sie alles durch-
stöberten.

Mand fand frisch geschossenes Wild, das sorgfältig zu-
gedeckt in einem Winkel versteckt lag. Während seine Ge-
fährten den Keller und die Ställe durchsuchten, stieg Herbert
die Bodentreppe hinaüf nnd entdeckte in einer schmalen Kam-
mer das Fell eines Rehbocks. Weiter suchend fand er uuter
Stroh und altem Gerümpel einen Beutel mit Geld und in
diefem, zwischen Goldstücken und Banknoten, einen funkelnden
Gegenftand: das vermitzte Diamcmtkreuz.

„Wie kommt Jhr zu diesem alten Familienerbstück, das
Fräulein von Felsing verloren hat?" fragte Werther den
Dachswirt.

„Davon weiß ich nichts", liersetzje dieser. „Die Boden-
kammer gehört dem Marburg — er ivird das Kreuz wohl
gefunden haben."

„Warum lieferte er es denn nicht ab? Dem Wieder-
brmger war doch eine hohe Belohnung zugesichert."

„Was weitz ich? Fragen Sie ihn doch selbst!"

„Ganz reHt! Das werde ich auch sofort thun!" stimmte
der junge Mann bei und stürmte die holprige Treppe hinctb.

Aber Mathias Marburg iriar nirgends zu finden. Es
war ihm nnterdessen gelungen, die Wachsamkeit der Prlizei
zu täuschen nnd die Flucht zu ergreifen.

„Sie haben ihm fortgeholfen!" Lonnerte Herbert den rl-
schrockenen Wirt an.

„Jch — Herr Baron?" stotterte Veit. „Jch —- ich bs'
ja nicht mit Jhncn oben gewefen. Nein, gewiß und wahrhaM
nichtl Was das Wild betrifft — Herr Jesus — der MarbulS

Wenn

ek

wollte es in der Stadt billig angekauft haben.
mich aRgelogen hat —" ,

„Ja, ja, schon gutl Bringt mir diesen da aufs RathaU^'
Awei bleiben zurück und bewachen die Wirtschaftl" ..

„Wir kriegen den Hallunken doch noch, Herr Baronl" saE
der eine Polizist. „Ueberall sind Wachen aufgestellt.
kann er nicht kommenl"

„Gut, bleibt nurl Jetzt zu Just Reiner." „

Von zwei Gefährten begleitet, legte Herbert von Werty^''
in rasender Eile den weiten Weg zurück.

Der Gesuchte war nicht däheim. >,

„Er ist über Laud — wegen Arbeit", sagte Gertrud, u'si
hie alte Lore lieferte bereitwilligst alle Schlüssel aus, ja, l-
öffnete selbst die Ställe und die Scheune.'

Ohne etwas Verdächtiges bemerkt zu haben, kehrte
bert in ^ die Oberfösterei zurück. Das Diamantkreuz ha^
er an sich genommen und wollte es Konstanze sofort übKf
geben, ba er glaubte, sie trauere um den Verlust desselm '
Daheim angelangt, !«ir es ihm aber nicht möglich, seine Bra"
sogleich aufzusuchen. ' ,

Er fühlte sich immer mehr und mehr von dem Mavwt,
abgestotzen, das — wenn auch nur aus Liebe — sein GUs
zcrstört hatte. Er beschlotz, zunächst dem Vater Bericht °
erstatten. „

Aber der Oberförster weilte auf Gut Steinbach. So
sich der Assessor auf sein Zimmer zurück.

(Forffetzung folgt.)
 
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