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Heidelberger Beobachter. Herausgeber: Otto Wetzel.
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Nr. 18/2. Jahrgang

Freitag, den 22. Januar 1932

Freiverkanf 15 Pfg.


Mrdiqs Remtsm-StemMM
„Ein verwerflicher Vorgang" erklärt das Gericht

Ein politischer Prozeß förderte am Mitt-
woch vor dem Schwurgericht Frankenthal
eine Anzahl bedeutsamer Momente zutage,
die den Reemtsma-Skeuerskandal von einer
ganz neuen Seite beleuchten. Angeklagt war
der politische Schriftleiter der „NSZ." Pg.
Hünerfauth, wegen eines „NSZ."-Artikels
vom Mai 1931, der sich mit dem Fall Hilfer-
ding Reemtsma beschäftigte.
Als Entlastungszeuge Hilferdings vertei-
digte Ministerialdirektor Ernst vom Reichs-
finanzministerium Berlin seinen ehemaligen
Chef in dreiviertelstündigem Vortrag, der
weniger durch seine Ausdehnung als durch
neue bemerkenswerte Aufschlüsse über den
Reemtsma-Skandal höchst interessant war.
Abgesehen von einer mißlungenen Agitation
für dis Sozialdemokratie (er wollte behaup-
ten die SPD. sei kapitalistenfeindlich, also
könne Hilferding der Reemtsma schon aus
weltanschaulichen Gründen nicht persönlich
nahe gestanden sein) blieb der Ministerial-
direktor im allgemeinen ziemlich sachlich.
So sachlich sogar, daß seine „Entlastungsrede"
in der Gesamttendenz am Ende zu einer
neuen schweren Anklage gegen Hilferding
wurde. Aus seinen Ausführungen inter-
essiert, daß das Steuergeschenk von etwa
14 Millionen RM. entgegen allen sonstigen
Darstellungen nicht aus sachlichen volkswirt-
schaftlichen Gründen, sondern auf partei-
politischen Druck hin zustande gekommen ist.
Der Zeuge selbst gesteht als Fachreferent

dem damaligen Finanzminister Hilferding
gegenüber ein ausdrückliches Votum gegen
den Steuer-Erlaß ausgesprochen zu haben.
Trotzdem wurden die Steuern geschenkt und
zwar, wie der Zeuge zugibt, auf dringliche
Vorstellungen parteipolitischer Kreise hin.
Damals standen Neuwahlen in Baden vor
der Tür, man habe die Erhaltung des Ba-
den-Badener Batschari-Betriebs (um den es
sich hier handelt) politisch zu verwerten ge-
hofft.
Zahlreiche Reichskagsabgeordnele, o.
a. auch Genosse Adam Remmele, auch
Leute vom Zentrum, hatten sich um die
Sache lebhaft angenommen.
Die Hilferdingsche Steuer-Schenkung ent-
puppt sich damit als ein politischer Skandal,
als
ein Akt der Unterwerfung fiskalischer
Entschlüsse unter parteipolitische Ge-
sichtspunkte.
Die volkswirtschaftliche Betrachtung des
Vorgangs geriet daneben weit in den Hinter-
grund. Das bestätigt der Zeuge selbst, wenn
er zugibt, daß die Firma Reemtsma später
ihre eingegangenen Gegenverpflichtungen
nicht erfüllte. Es hatte sich um die Erhal-
tung der Arbeitsstätte für eine Belegschaft
von annähernd 1000 Köpfen gehandelt.
Reemtsma reduzierte jedoch diese Zahl durch
Abbau willkürlich bis auf etwa ein Fünftel,
ohne daß vom Reichsfinanzministerium da-
gegen das Geringste unternommen wurde.

Es wurden also einem Groh-Trust
14 Millionen Steuerschulden nachge-
lassen, aus politisch agitatorischen Er-
wägungen heraus, ohne daß eine
volkswirtschaftliche Notwendigkeit ab-
solut vorlag, noch ein nennenswerter
sozialer Vorteil erzielt wurde.
Aeußerst interessant sind aus der Ur-
teilsbegründung des Gerichts die Feststellun-
gen, daß der Angeklagte einen Vorgang
' kritisiert hak, der entschieden verwerflich ist,
daß der Steuernachlaß durch Hilferding nicht
sachlichen, sondern unsachlichen Motiven
entsprang, entgegen der Meinung der Fach-
berater des Reichsfinanzministeriums auf
politischen Drnck hin, daß einige Parteien
Wahleinbußen befürchtet hatten, daß man so
das Interesse des Reiches der Politik ge-
opfert habe. Diese gerichtlichen Feststellun-
gen genügen zur Bekräftigung unserer Be-
hauptung, daß von der Steuerschenkung an
Reemtsma nach wie vor als von einem po-
litischen Skandal großen Stils gesprochen
werden kann. Herr Hilferding hat sich mit
diesem Prozeß einen schlechten Dienst getan.
Der Fall Reemtsma-Hilferding bleibt weiter
der schärfsten Kritik der Öffentlichkeit aus-
gesetzt. Wir zumal werden nicht versäumen,
die durch den Prozeß gewonnenen Eindrücke
in unserem Kampf gegen eine unmoralische
nur auf eigenen Parkeiprofit abgestellke Herr-
schaft gebührend einzusetzen.

Deutsches Tabakmonopol als Pfand
für sranzösifche Anleihen?

Wie wir aus zuverlässiger Quelle erfah-
ren, besteht seitens der Regierung der Plan,
ein Tabakmonopol in Deutschland einzu-
führen. Das Monopol soll dann für eine
französische Anleihe die Pfand-
grundlage bilden. Das Bezeichnendste an
diesem Plan ist, daß man ihn getarnt hat
und unter der Flagge „holländischer" Kre-
dit starken will. Tatsächlich steht natürlich
das französische Kapital hinter diesen Ab-
sichten.
Wie wir hören, herrscht in den Kreisen
der Tabakindustrie eine begreifliche Erre-
gung über den Monopolplan. Dies ist umso
mehr zu verstehen, als man scheinbar sei-
tens des Reichswirkschafksministeriums die
Absicht hak, die betroffene Industrie vor
vollendete Tatsachen zu stellen.
Dieser Tage schon soll der Reichswirk-
fchafksrat mit dem Monopolplan befaßt
werden. Wenn sich die interessierten Kreise
nicht selbst mit genügender Energie zur

Mehr sehen, dann werden wir etwas nach-
helfen.
Es ist uns genau bekannt, daß die Herren
Laval und Poncet nicht nur Reichs-
bahn und Tabakmonopol schlucken wollen»
sondern daß sie darüber hinaus noch sehr
viel weikergehenden Appetit in Richtung
auf gewisse deutsche Produkkionsstäkten ent-
wickeln.
Wir möchten die deutsche Regierung se-
hen, die es wagen könnte, diesen Wünschen
Frankreichs nachzugeben. Sie hätte im glei-
chen Augenblick ihr politisches Leben aus-
gehaucht!
Bulgarien erklärt in Genf
seine Zahlungsunfähigkeit.
Genf, 20. Ian. Bulgariens Minister-
präsident Muschanoff und Finanzminister
Stefanoff trafen am Mittwoch in Genf ein.
Der Ministerpräsident erstattete dem Fi-

nanzausschuß des Völkerbundes einen aus.
führlichen Bericht über die Auswirkungen
der Weltwirtschaftskrise auf die bulgarische
Wirtschaft und wies darauf hin, daß Bul-
garien in Zukunft die durch Tributzahlun-
gen und den Zinsendienst auswärtiger An-
leihen entstandenen Devisenabgänge nicht
mehr tragen könne. Der bulgarische Fi-
nanzminister gab einen Ileberblick über den
Haushalt, die Kassenlage und die Zahlungs-
bilanz Bulgariens. Für die bulgarische
Regierung handele es sich gegenwärtig
hauptsächlich um die Einstellung des Zinsen-
dienstes für die beiden großen Ausländs-
anleihen, zu der Bulgarien jetzt gezwungen
sei.
Die Aussichten auf Gewährung einer
Ausländsanleihe werden auch in den Krei-
sen der bulgarischen Regierung keineswegs
günstig beurteilt. Der Finanzausschuß wird
dann dem am Montag zusammenkretenden
Völkerbundsrat Bericht erstatten.

ZeiLgedanken
eines Deutschen
G. — Zwei dunkle Mächte waren es,
gegen die im Innern von seiner Gründung
an das Bismarcksche Reich zu Kämpfen
hatte: der Sozialismus und der Ultra-
montanismus, ihm hielt die Steigbügel,
die im Freisinn verärgerte Demokratie
Eugen Richlerscher Prägung. Zwei
dunkle Mächte sind es, gegen die im In-
nern das heutige Reich zu Kämpfen hat:
der Sozialismus mit seinen verschiedenen
Schattierungen, die man einschließlich
des Kommunismus unter dem Begriff
Marxismus zusammenfaßt und der Ultra-
montanismus, das sog. Zentrum. Ihm
halten die Steigbügel gewisse sich bürger-
lich nennende Parteien, die froh sind,
wenn vom Tisch der zwei Machthaber
einige Bröckchen für sie abfallen, die auch
dabei sein wollen, wenn auch nur als
fünftes Aad. Der eine dieser Machtha-
ber, schwarz von Farbe, hat von jeher „die
heiligsten Güler", gleich Cherubim be-
schützt. Der Altramontanismus, also das
Zentrum, gibt wenigstens vor, der Hüter
und Paladin des katholischen Glaubens
und des Christentums überhaupt zu sein,
der andere, der Marxismus, ist ein erbit-
terter Feind jeder Religion, auch des
Christentums, wenn er auch zur Errei-
chung eines parteipolitischen Zweckes sich
gelegentlich taktische Zurückhaltung auf-
erlegt, oder im Gewände der „religiösen
Sozialisten" Sprengminen im Organis-
mus der Kirchen zu legen versucht. Wo-
hin dieser „religiöse Sozialismus" unbe-
dingt und folgerichtig ausmündet und
nach den Gesehen der Logik ausmünden
muß, zeigt mit erschreckender Deutlich-
keit der Fall Eckert; Tragödie dieses
Mannes ist, daß er über den Marxismus
hinweg und geschoben von ihm beim Bol-
schewismus gelandet ist. Betrachtet man
das Wesentliche dieser zwei Mächte, der
schwarzen und der roten, so sollte man
meinen, sie müßten sich todfeindlich ge-
genüber stehen. Hie Glaube, hie Reli-
gion — hie Unglaube, hie Gottlosigkeit!
Aber das allerchristlichste Zentrum ist der
treue Verbündete des Marxismus, der
treue Verbündete der Internationale, die
auch alle nationalen, alle vaterländischen
Regungen zu verlästern, zu unterdrücken
sucht. Diese schwarz-rote Liga hat auch
im Bismarckschen Reiche allerhand Pro-
ben von ihrer Leistungsfähigkeit abge-
legt- Historisch ist unter anderm das
Wahlbündnis, das Marxisten und Zen-
trum an den Kaisergrüften im Speyerer
Dom abschlossen. Was hielt, was hält
diese zwei Parteien so zusammen, daß sie
wie die Kletten gegenseitig verankert
sind? Man muß Rückschau halten, um
 
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