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für MiiMlö

zur Zreiheit und Brot!

Sondernummer

Donnerstag, de» 28. Januar 1932

2. Jahrgang

8 iMk verboten!

Bekämpfung polMscher Ausschreitungen.

Gründe:

gez.: Maier

Demntworttich: Haupkschrifkleiter Dr. M. Katkermann.

Druckerei Winker, Heidelberg.


wieder von seiner Arbeit weg muß, weil draußen in der Welt irgend
etwas passiert, wozu Herr Brüning telegraphisch und auf Staatskosten
seine sanfte Meinung äußern zu mästen glaubt. Einmal ist es -ie
Ausschiffung eines französischen „Fricdenspolitikers", ein anderes
Mal stirb! in Chicago ein Jude oder der Kaiser von Japan bekommt
Familienzuwachs . . . Wir gewöhnlichen und nicht „gottbegnadeten"
Sterblichen haben ja keine Ahnung davon, wie schwer es ist, das
deutsche Volk zu regieren, wenn man dabei auch allen Pflichten zur
Repräsentation so getreulich nachkommen will, wie Herr Brüning!

Karlsruhe, den 27. Januar 1932.
Schloßplah 19.
Fernruf 7460/68.

«erlag: Heidelberger Beobachter. Herausgeber: Otto Wetzel.
Schriskleitung: Lutherstratze 55, Telephon 4048
Der Heidelberger Beobachter erscheint 6 mal wöchentlich und
«ostet monatlich 2.40 RM. Bei Postbezug zuzüglich 38 Pfg.
Bestellungen nehmen die Postämter und Briefträger entgegen,
gfi die Zeitung am Erscheinen (auch durch höher- Gewalt
»«hindert, besteht tein Anspruch auf Entschädigung.

Aufgrund des 8 12 in Verbindung mit 8 1 Abs. 1 Ziffer 2 der Ver-
ordnung des Herrn Reichspräsidenten zur Bekämpfung politischer Aus-
schreitungen vom 28. März 1931 (Reichsgesehblatt I S. 79) wird die in Hei-
delberg erscheinende Tageszeitung „Heidelberger Beobachter" mit Wirkung
vom 28. Januar 1932 auf die Dauer von 5 Tagen verboten.
Das Verbot umfaßt auch die in demselben Verlag erscheinenden Kopf-
blätter der Zeitung, sowie jede angeblich neue Druckschrift, die sich sachlich
als die alte darstellt oder als ihr Ersah anzusehen ist.
Gegen diese Anordnung ist nach 8 13 der Verordnung des Herrn
Reichspräsidenten vom 28. März 1931 die Beschwerde zulässig; sie hat
keine aufschiebende Wirkung.

Der Minister des Innern
Nr. 8761.

Die in Heidelberg täglich erscheinende Zeitung „Heidelberger Beob-
achter" bringt in Nr. 21 vom 26. Januar 1932 unter der Iteberschrift „Herr
Brüning ist überlastet" und mit den Schlagzeilenüberschriften: „Kein
Wunder" und „Verstehen Sie jetzt?" die Mitteilung, daß nach einer Mel-
dung des CV. der Reichskanzler Dr. Brüning zum Ableben des Groß-
kaufmanns Julius Rosenwald in Chicago sein Beileid ausgesprochen
habe. Es heißt dann weiter:
„Es ist anzunehmen, daß Herr Brüning seine Beileidskundgebung
telegraphisch erledigt hak . . . Der deutsche Staatsbürger, der sich
vielleicht darüber Gedanken macht, aus welchen Mitteln derartige
kostspielige Aufmerksamkeiten bezahlt werden, sei an jene Millionen-
posikionen im deutschen Haushaltsplan erinnert, die in den einzelnen
Ressorts „z. b. B." (z. - zu; b. - besonderer, nicht bodenloser; V. - Ver-
fügung, nicht Verschwendung!) stehen. Sollte aber einer trotz dieses
Hinweises, die Absicht haben, sich über diese Verwendung deutscher
Steuergroschen aufzuregen, dann erinnern wir ihn an diverse Not-
verordnungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und
Sicherheit. . ."
Im zweitfolgenden Absatz wird dann ausgeführt:
„Kein Mensch wird dem Herrn Brüning abstreiten, daß er am deut-
schen Wirtschaftsmotor ausgiebig und vor allem oft „gekurbelt" hat.
(Viele meinen sogar, es wäre besser gewesen, er hätte nie gekurbelt!)
Aber niemand wird auch behaupten können, daß der schwere Motor
der deutschen Wirtschaft durch Brünings Kurbeleien in Gang ge-
kommen sei. Vielleicht liegt das daran, daß der Kurbler immer

Anzeigen: Die 8 gespaltene MAtmeierzeile lll Pfg Die
4 gespaltene Millimeterzeile im Textteil 25 Pfg. Für kleine
Anzeigen: Die 8 gespaltene Millimeterzeile 5 Pfg. Bei Wieder-
holung Ravatt nach »»fliegendem Taris. Schiusj der Anzeigen-
Annahme: 18 Uhr. Anzeigen - Annahme: Lutherstrahe 55,
Tel. 4048; Marktplatz 3, Tel. 88. Zahlungs-und Erfüllungs-
ort: Heidelberg. Ausschliesslicher Gerichtsstand: Heidelberg.
Postscheckkonto: Heidelberger Beobachter, Karlsruhe 21834.

Verstehen Sie jetzt?
And wenn wir auch an diesem Teil der Veröffentlichungen des ko-
scheren Blättchens nicht achtlos vorübergingen, so geschah es in der
gewiß nicht verbotenen Absicht, unsere Leser darauf hinzuweisen, daß
Herr Brüning eben nicht nur zu „kurbeln", sondern auch-
telegraphische Beileidskundgebungen an die Hinterbliebenen ame-
kanischer Juden abzufassen hak.
Niemand kann zweierlei gleichzeitig tun. Wir erwarten aus diesem
Grund auch, daß sich im deutschen Volk kein ernstlicher Widerstand
regt, wenn Herr Brüning demnächst — man spricht schon ernstlich
davon — dem deutschen Wirtschaftsmotor eine allerletzte Nolverord-
nungssprihe verpaßt, bevor er wieder an die Kurbel geht."
Durch diese Stellen wird der Reichskanzler Dr. Brüning wiederholt
in böswilliger Meise verächtlich gemacht. Es wird dem Reichskanzler u. a.
in schlechtverhülller Weise vorgeworfen, er habe Millionenmittel aus dem
Aeichshaushalt zwecklos verschwendet und er könne seinen wichtigsten Re-
gierungsausgaben nicht mehr nachkommen, weil er sich überflüssigerweise
mit nebensächlichen Aeußerlichkeiten abgebe; 8 1 Abs. 1 Ziffer 2 der VO.
des Reichspräsidenten vom 28. März 1931 verletzt.
Da der „Heidelberger Beobachter" wiederholt schon verwarnt und ver-
boten werden mußte, erschien ein neuerliches Verbot auf die Dauer von
5 Tagen angezeigt, zumal durch diese Angriffe gegen den Reichskanzler im
gegenwärtigen Zeitpunkt in unverantwortlicher und unerträglicher Weise
auch die Interessen des deutschen Volkes gegenüber dem Ausland geschädigt
werden. - i
Von dem Verbot ist dem Verleger der Zeitung unter Anschluß der
anliegenden Doppelschrifk der Begründung Eröffnung zu machen.
 
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