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öeite I,

Montag, den 2S. Januar 1932.

2. Zahrg. / Nr. 20

Die Anschuld Dr. Heimerichs

Sie

1.

2.

3.

4.

ÜLnd- und Kopi-

Arbeiter!

Heinrerich Provoziert


Müde weg,«»«der LMmiwtei!

Zwiegespräch

wenn man im voraus weiß, daß die Wirt-

daß der NS.Antrag auf
der Gebühren für Müll-
und Kanalreinigung nicht
zugelassen werden könne.

mit Demagogie zu tun. Oder versuchten Sie
etwa nicht, etwas als wahr hinzustellen, von
dessen Unwahrheit Sie innerlich doch zwei-
fellos selbst überzeugt sein mußten?
Und dann haben Sie wieder einmal die
Nerven verloren und Ihre Geschäftsordnung
nicht gekannt bezw. Ihre Befugnisse über-
schätzt, wozu Sie vielleicht Ihre diktatorischen
Vollmachten (die aber auf anderem Gebiete
liegen!) verleitet haben. Parteigenosse Dr.
Orth erfaßte die Situation auf jeden Fall
besser als Sie. Und wir Nationalsozialisten
werden dafür sorgen, daß die Ohrfeige, die
Sie sich selbst gaben, noch recht lange in
Mannheim nachhallen wird. Zur Informa-
tion der Mannheimer Bürgerschaft, die von
der bürgerlichen und marxistischen Presse doch
ständig belogen, oder doch mindestens schief
unterrichtet wird, sei der Vorgang hier ge-
nau geschildert:

den, Ihren Genossen zu zeigen, daß
„Mut und Schneid" Haden?
Mit welchem Recht haben Sie unsern
Pg. Dr. Orth ausgewiesen?
Wollten Sie etwa die nationalsozialistische
Fraktion in ihrer Zahl schwächen?
Sollte das mit Ihren Genossen verab-
redet gewesen sein?
Sollte die Aussprache über die furcht-
bare jüdische Grausamkeit des zum Tode
Schindens der Tiere (Schächten) mit
allen Mitteln verhindert werden?

wir
ge-

Sie erklärten,
15'/°ige Senkung
abfuhr, Skraßen-
zur Abstimmung
weil
1. für den finanziellen Ausfall keine Dek-
kung nachgewiesen sei, und
2. die Argumente, die man bei den An-
trägen tags zuvor für die Deckung an-
geführt habe, auf den vorliegenden NS.
Antrag nicht zukreffen würden.
Sie gaben zu, daß diese Argumente Ihnen
selbst wenig stichhaltig erschienen. Es würde
bei dem vorliegenden NS. Antrag sicherlich
niemand behaupten, daß der finanzielle Aus-
fall durch den Verbrauch von mehr Müll
wieder ausgeglichen würde. Sie wollten
einen Witz machen, zum Witze machen ge-
hört aber Verstand, und Ihre Ausführungen
hatten damit nicht allzuviel, umsomehr aber

Hatten Sie Angst, die Nazi-Anträge ge-
gen das Schächten könnten angenommen
werden?
Haben Sie sich etwa nicht blamiert?
Wir haben das Gefühl, vaß Sie nach
solchen Vorkommnissen in Mannheim un-
möglich sind. ,
Werden Sie auf unsere Fragen Ant-
wort geben?
Wir warten darauf!

Anträge, über welche in der Sitzung
vom 18. Januar abgestimmt wurde:

Die bürgerlichen Gazetten weinen und
wehklagen wieder einmal über die Verant-
wortungslosigkeit, die jetzt auch im Mann-
heimer Rathausparlamentchen herrscht. Wehe,
dreimal wehe, daß das bisher so unbefleckte
Ansehen der „Lebendigen Stadt" dahin ist.
Verflucht sei der Radikalismus (damit mei-
nen sie die Nazis!), der diese unwürdigen
Zustände im Bürgerausschuß verschuldet
hat, wo bisher verantwortungstriefende, „ge-
wichtige" Persönlichkeiten so erfolgreich
zum Wohle der Bürgerschaft arbeiteten.
Der „bloo Aff" vergießt Krokodilstränen und
weint wie die Vorfahren seiner Mitarbeiter
an den Wassern Babylons: „Werden sich
noch Männer und Frauen künftig finden,
die dieses dornenvolle Amt (diäkenvolle?)
bekleiden wollen?" Wahrhaftig, eine bange
Frage, die da aus dem noch viel bangeren
Herzen eines Libanontirolers kommt. Gott
der Gerächte! Werd' sich noch finde ä Iüdd,
wo sich opfert for das daitsche Volk? Des
Mauschelns will kein Ende werden und
des schleimigen Geseires. Die „Rotations-
synagoge in Nr. 3" macht in Unschuld, wobei
sie es sich doch nicht verkneifen kann, die
deplazierte Behauptung aufzustellen, die
Nazis hätten fürchterliche Prügel bezogen.
Abgesehen davon, daß die „Blecherne
Front" erst nach Ausweisung dreier Nazis
den kühnen Mut fand, mit ihrem „kleinen
Häuflein" von rund 30 tapferen Bonzen,
darunter rund „10 Zweizentner-Bullen ge-
gen die furchtbare Uebermacht von 13 Hitler-
Lausbuben" anzurennen, zogen sie noch den
kürzeren dabei. Allerdings, wo sie zu vieren
an einem Nazi hingen, da benahmen sie sich
wie Helden und „arbeiteten" mit Stiefel-
absätzen und Fußtritten. Wo es aber Mann
gegen Mann ging, da mußten sie an den
Fäusten der Nazi erfahren, daß sie Ar-
beiter vor sich hakten. Nur einer blutete,
wie das so leicht geschieht, wenn der Esel

ließen. Und dann sagen Eie uns bitte, wo
bei diesen Anträgen die Deckung nach-
gewiesen ist, und wo insbesondere die Dek-
kung für den einkretenden Einnahmeausfall
durch einen Mehrverbrauch herbeigeführt
wird, oder doch wenigstens erzielt werden
könnte. Und wenn Sie uns auf unsere höf-
liche Anfrage keine Antwort geben können,
dann müssen Sie es sich auch als „Diktator
von Mannheim" gefallen lasten, daß
Ihnen vorwerfen, daß Sie Demagogie
trieben haben!

Beim
sei
Pg-
vor-
die
eine

Die Herren von der „Christlich-nationalen
Bauern- und Landvolkpartei fühlen sich
immer stark beleidigt und getroffen, wenn
sie von uns Nationalsozialisten als „Inter-
essentenhaufen" bezeichnet werden. Sie
werfen sich oann tu die Brutt und betonen,
wenn sie die Interessen des Bauern ver-
treten, so trieben sie eben wahre Volks-
und Staatspolitik und wir Nationalsozia-
listen, die wir angeblich meist städtischer Her-
kunft seien, könnten so etwas eben nicht be-
greifen.
Zunächst sei festgestellk, -aß diese Herren
vom „Landvolk" noch vollkommen im libe-
raliskischen — ja marxistischen Klassen- und
Interessenstandpunkt befangen sind. Sie
sollten sich einmal der Mühe unkerziehen,
den Nationalsozialismus in der ganzen Tiefe
seiner Gedankenwelt zu erfasten.
Gerade wir Nationalsozialisten und am
meisten unser Führer Adolf Hitler ist durch-
drungen von der Notwendigkeit eines rassisch,
wirtschaftlich gesunden, blühenden, wehr-
kräftigen Bauerntums als Bluts- und sitt-
licher Erneuerungsqueli der Nation. Noch
immer waren die besten Männer in unserer
Geschichte, ganz gleich ob aus Stadt oder
Land, von bestem Bauernblut. Wir wissey,
auch, daß es in unserer Bewegung keine
„städtischen" oder „ländlichen" Nationalsozia-
listen gibt, sondern eben nur Nationalsozia-
listen. In unserer Weltanschauung kennen
wir nur einen Interessenstandpunkt, nämlich
den des gesamten deutschen Volkes.
Das ist unser Bauernstolz, der sich sehr
wesentlich unterscheidet vom Bauerndumm-
stolz. Wir versprechen dem einzelnen Stande
nicht die Erfüllung von Sonderwünschen,
aber wir versprechen allen einen sauberen
Staat, mit Boden und Heimat verbunden,
in dem wieder deutsche Art wohnt, deutsches
Recht herrscht und der Nationalsozialismus
die Geister festigt und bildet.

Die Abgabe von Gas und Strom erfolgt
an Verbraucher, deren Einkommen
3000.— RM. im Jahr nicht übersteigt,
zum Selbstkostenpreis.
Die Abgabe von Gas und Strom erfolgt
an alle Kleingewerbetreibende und Klein-
bauern zum Selbstkostenpreis.
Sofortige Abschaffung aller Gasmesser-
und Stromzählermieten.
Erwerbslose, Wohlfahrksunkerstühungs-
empfänger. Sozial- und Kleinrentner, so-
wie Kurzarbeiter erhalten auf allen
Strecken freie Fahrt. (Agitationsanträge
der KPD.)
Mo, Herr Oberbürgermeister ist hier die
Deckung für den Einnahmeausfall nach-
gewiesen? lieber vorstehende Anträge —
wir könnten die Beispiele noch um einige
vermehren, haben Sie abstimmen lasten.
Und jetzt einige Fragen, deren Beant-
wortung Ihnen sehr viel Kopfzerbrechen
machen wird:
Sind Sie etwa kein Demagoge?
Haben Sie sich etwa nicht blamiert?
Haben Sie die Nazis etwa nicht provo-
ziert durch Ihr vorstehend geschildertes Ver-
halten?
Warum kennen Sie heute Ihre Ge-
schäftsordnung noch nicht?
Tragen Sie damit etwa nicht ein gerüttelt
Maß moralischer Schuld an den Zusammen-
stößen?
Sollten Sie Ihre demagogischen Aus-
führungen zu dem nationalsozialistischen
Antrag etwa in der Absicht gemacht Ha-

Alwin Uber.
Wenn dieses die Herren vom „Landvolk"
begriffen haben, dann müssen sie endlich
merken, daß sie den Gaul am Schwänze auf-
zäumen, wenn sie immer noch des Glaubens
sind, sie könnten den Bauer mit diesem Sy-
stem retten. Ganz abgesehen davon, daß
dieses System eben nicht deutsch, also anti-
deutsch ist. So sollten sich dre Herren vom
Landvolk noch einmal überlegen, ob ein ein-
zelner Stand aus dem Gesamtelend heraus-
gehoben werden kann. Nur durch eine völlig
reue geistige Umwälzung -es Ganzen ist die
Freiheit zu erringen.
Wir sind doch alle auf Gedeih und Ver-
derb miteinander verbunden, und solange die
Ursachen des Elends, Tribute, Zinswucher
und die Verschwendungssucht in diesem Sy-
stem, das unsoziale Verhalten der Spitzen
der Wirtschaft nicht beseitigt sind, ist an eine
Besserung unserer Lage nicht zu denken.
Wenn die Kaufkraft der Masse in Verbin-
dung mit der Arbeitslosigkeit als Auswir-
kung dieser Ursachen, immer mehr sinkt,
kann auch die Landwirtschaft ihre Produkte
nie angemessen verwerten. Es ist auch für
die Landwirtschaft richtunggebend, wenn nicht
Einer ein Gehalt von Hunderktausenden ein-
steckt, sondern sich dieses auf hundert Mägen
verteilst den der Eine kann höchstens Luxus
damit treiben und das erfolgt in der Regel
noch mit Auslandsware, während die Er-
zeugnisse der Ackerscholle verfaulen. Ein
„Landvolkbauer" hak kein Recht, über
schlechte Zeiten und seine Not zu Klagen,
wenn er auch in Zukunft seinen kurzfristigen
„Führern" nachlaufen will. Vor allem aber:
Warum weinen diese „Führer" immer Kro-
kodilkränen über Bauernnot, wenn sie sich
immer und immer wieder vor klaren Ent-
scheidungen über Sein oder Nichtsein dieses
Systems drücken? Einem Mihtrauensankrag
gegen Brüning kann man ja zuskimmen.

blinein in die
NLriON3.l302iZ.Ii§ti8Ck6N
Kstr-iebLLSlIen!

auf das Eis geht. Der erste Märtyrer der
„Blechernen Front"! Seine blutüberström-
ten Kleider, ob er sie wohl ungewaschen
läßt zum ewigen Angedenken an den Tag
seiner ersten Heldentaten?! Vielleicht be-
schafft Herr Sklarek neue? Unser herz-
lichstes Beileid, Genosse Hetlinger, wir
schlagen Sie vor zum „Blechernen Palmen-
wedel I. Klasse". Das mag Ihnen Balsam
auf Ihre Wunde sein. Doch das nächste
Mai etwas vorsichtiger und ein so kostbares
Leben nicht wieder so frivol auf's Spiel
setzen!
Und auch Sie, Herr sozialdemokratischer
Oberbürgermeister Dr. Heimerich! Denn
Vorsicht ist bekanntlich die Mutter der
„Frankenthaler Porzellankiste" (Wie hak
Ihnen übrigens letzthin der Kaffee bei Herrn
Baer geschmeckt? Sie waren doch einge-
laden!) und es schadet Ihrem Ansehen, daß
man sich in Mannheim bereits erzählt, daß
Sie von Ihren Genossen, Iud Hirschler,
Zimmermann und Trumpfheller am Montag
abend noch den Kopf gewaschen bekommen
haben sollen, weil die Genossen so gar nicht
mit Ihrer korrekten Geschäftsführung an
diesem Tage einverstanden waren. Die Ge-
nossen sollen nämlich von Ihnen „mehr Mut
und Schneid" gegenüber den Nazis ver-
langt haben. Stimmt das? Der Eindruck,
den wir selbst am Dienstag von der Art
Ihres Auftretens bekommen haben, läßt
auf allerlei schließen.
„Mut und Schneid" haben Sie allerdings
weniger bewiesen, als . . . Demagogie und
wir kommen nicht darum herum, Ihnen den
Vorwurf zu machen, daß Ihr Benehmen
gegenüber unserem Parteigenossen Str. Dr.
Orth, den Sie ja ganz besonders in Ihr
Herz geschloßen haben, eine ausgezeichnete
Stimmung für die späteren Ereignisse ge-
schaffen hat.

Ort der Handlung: Bürgerausschutzsaal.
Zeit: IS. Januar 1932, 18 Uhr.
Perifonen: Ein Oberbürgermeister und ein
Sbadkrot.
Dr. Heimerich „begründet" die Nichtzulassung
des NS.-Antrags (s. o.).
Pg. Dr. Orth: „Zur Geschäftsordnung!"
Dr. H.: „Herr Orlh zur Geschäftsordnung!"
Pg. Dr. O.: „Ich will einmal genau so de-
magogisch sein, wie Sie, Herr Oberbürger-
meister! ."
Dr. H. trinkerdrechend): „Herr Orth, ich rufe
Eie zur Ordnung!"
Pg. Dr. O. (in aller Ruhe): „Ich wiederhole,
ich will ein-mat genau so demagogisch sein wie
Sie . . . ."
Dr. H. (wütend): „Herr Orth, ich rufe Sie
erneut zur Ordnung!"
Pg. Dr. O. (mit Nachdruck): ,Zch wiederhole
nochmals: Ich will einmal genau so demagogisch
sein wie Sie und . . . ."
Dr. H. (mit puterrotem Kopf und in höchster
Erregung unterbrechend): „Herr Orth, ich rufe
Sie zum dritten Malle zur Ordnung, ich schließe
Sie von der Sitzung aus. Sie haben sofort das
Lokal zu verlassen!"
Pg. Dr. O. (laut aber ruhig): „Ich denke
gar nicht daran! Der Oberbürgermeister will
den nat.-isoz. Antrag."
Dr. H. (aufs höchste empört, auf einen Knopf
drückend): . S . . . t . . . ä . . . t . . .
ä . . . t. . . ä . . . t" ('/- Minute). Dann fort-
fahrend: „Herr Orth, Sie Haden nicht mehr das

so viel Müll etc. wie bisher produzieren
werden, so daß der finanzielle Ausfall durch
einen eintretenden Minderaufwand der Stadt
ausgeglichen werden würde. Und jetzt?
Herr Heimerich reiben wir Ihnen
einige Anträge unter die Nase,
über welche Sie am Montag abstimmen

Recht zu reden. Sie haben sofort den Saal zu
verlassen!"
Pg. Dr. O. (mit der Faust auf den Tisch
schlagend): ,Zch denke gar nicht daran! (fortfah-
rend). Genau so wie der Oberbürgermeister . . ."
Dr. H.: T . . . ä . . . t. . . ü . . . t. . .
ä . . . t. . ." (1 Minute) dann, La Dr. Orth
immer noch an feinem Platz steht, bereit, 'beim
Aufhören des Buschhorns weiterzusprechen: „Die
Sitzung ist aufgehoben!"
Pg. Dr. O. packt fein« Sachen zusammen,
begibt sich zu dem Fraktionsführer der Stadt-
verordneten, Pg. Nother, spricht mit ihm und
verläßt dann mit Aitlergruß den Sitzungssaal.

And jetzt ihre Demagogie
Herr Heimerich
Sie behaupteten, daß man die Anträge
des Vortrages deshalb zur Abstimmung zu-
lassen konnte, weil man immerhin die Frage
nach der Deckung damit abtun konnte, daß
man sagte, der infolge der Tarifsenkung zu
erwartende Mehrverbrauch werde den Ein-
nahmeausfall wieder ausgleichen,
nationalsozialistischen Antrag dagegen
ein Mehrverbrauch nicht zu erwarten.
Dr. Orth wollte genau so demagogisch
gehen wie Sie und ausführen, daß
Mieter und Hausbesitzer, gerührt durch
15°/«ige Senkung der Gebühren, nicht mehr

Von Landwirt
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