. .
er jagte davon, daß ſein Tanges, herrliches Haar wie eine Mähne
hinter ihm herwehte. Ich blickte ihm nach, bis er verſchwand. Wirſt
hu des Feind étjagenr Wann ſehe ich dich wieder, du lieber, lieber
Die Railtroublers.
„Der Senat und das Haus der Abgeordneten der Vereinigten Staga-
. ken beſchließen:
!
|
|
]
!
|
|
1. Der Landſtrich, im Territorium um Wyoming liegend, nahe dem
Urſprung des Yellowſtone-River, iſt, hierdurch von jeder Beſitnahme,
Beſiedelung und jedem Verkauf unter den Gesetzen der Vereinigten
Staaten aufgenommen und ſoll als ein öffentlicher Park oder Luſtplatz
zum Wohl und Vergnügen des Volks betrachtet. werden. Tedermann,
der ſich dieſen Beſtimmungen zuwider dort niederläßt oder von irgend
einem Teil Besitz ergreift, ſoll als Uebertreter des Geſetzes angeſehn
und ausgewieſen werden.
2. Der Park ſoll unter die ausſchließliche Aussicht des Sekretärs des
Innern geſtellt werden, deſſen Aufgabe es ſein wird, ſo bald als
tunlich ſolche Vorſchriften und Anordnungen zu erlaſſen, wie er zur
Pflege und Erhaltung des Parks für notwendig erachtet.“
Als mir die Bekanntmachung dieſes Gesetzes in die Hände kam,
freute ich mich herzlich über die Hochherzigkeit der Beſchlußfaſſung des
Vereinigte Staaten-Kongreſſes, der damit dem Volt ein Geſchenk
machte. : : .
Tauſende werden diese Bekanntmachung geleſen haben, ohne zu
ahnen, was ihnen damit geboten wurde. Viele werden darüber ge-
lächelt haben, daß die Regierung der Vereinigten Staaten einen 8670
Geviertkilometer großen Park, eine im wilden, unzugänglichen Fel-
! ſengebirge liegende Landfläche als Luft- und Erholungsplatz der
j Untertanen bereitſtellt. Die Zukunft aber wird beweiſen und hat
i ſchon bewieſen, daß dieſe beiſpielloſe Handlung eine der dankenswer-
teſten Maßnahmen iſt, ein Schritt, den Millionen ſeiner Zeit noch-
t quer vezden. iſt nämlich ein Stück Wunderland, wie es auf Erden
wohl kaum zum zweitenmal gefunden werden dürfte. Die erſten mär-
<henhaften Nachrichten davon erhielt General Warren im Tahre 1858.
Er fühlte ſich dadurch v:ranlaßt, eine Expedition dahin auszurüſten,
/ . 1die leider aber ihr Ziel nicht erreichte. Erſt zehn Iahre später gelang es
andern, den Schleier teilweiſe zu lüften und die Welt eine reiche, nie
. geahnte Fülle der großartigsten Naturwunder ahnen zu können. Im
Sommer des Iahres 1871 drang Profeſſor Hayden erfolgreich vor, und
ſeine Berichte, ſo ſachlich und nüchtern ſie auch gehalten waren, begei-
' | ſterten den Kongreß zu dem Entſchluß, jenes außerordentliche Land
: dem gemeinen Schacher aus den Händen zu nehmen.
_ Ienſeits der weiten weſtlichen Prärien, fern noch hinter dem Höhen-
'zug der Blacthhills, ragen die rieſigen Mauern des Felſengebirges zum
Himmel empor. Man möchte ſagen, hier habe nicht die Hand, son-
| dern die Fauſt des Schöpfers gewaltet. Wo ſind die Zyklopen, die
ſJolche Baſteien zu türmen vermögen? Wo ſind die Titanen, die ſolche
Laſten bis über die Wolken treiben konnten? Wo iſt der Meiſter, der
ſjene Firnen mit ewigem Schnee und Eis krönte? Hier hat der
Schöpfer „ein Gedächtnis ſeiner Wunder“ errichtet, das nicht wir-
kungsvoller und ergreifender ſein könnte. H
Und hinter jenen rieſigen Mauern wallt und ſiedet, dampft und
_ brodelt es noch heut aus den kochenden Tiefen des Erdinnern hervor;
ida treibt die dünne Erdkruſte Blaſen, da ziſchen glühende Schwefel-
dämpfe empor, und mit einem Getöſe, das dem Kanonendonner gleicht,
ſprühen rieſige Geyſer ihre ſiedenden Waſſermassen in die zitternden
Lüfte. Plutoniſche und pulkaniſche Gewalten kämpfen gegen die Ge-
'ſtaltung des Lichts. Die Unterwelt öffnet von Minute zu Minute
den Rachen, um die Feuer der Tiefe emporzuſpeien und die Gebilde
des Tages in den toſenden Schlund hinabzuſaugen.
Hier iſt oft jeder Schritt mit Todesgefahren verbunden. Der Fuß
_ gcleann durch die trügeriſche Kruſte brechen, der dampfende Strudel den
[müden Wanderer erfaſſen, der unterhöhlte Felſen mit dem Ruhenden
_ in den gähnenden Abgrund stürzen. Aber dieſe Todesfelder werden
einſt Tauſende von Wallfahrern ſehn, die in den heißen Quellen und
ozonreichen Lüften Heilung ihrer Leiden ſuchen, und dann wird man
auch jene wunderbaren Schlüfte und Klüfte entdecken, in denen die
hyheizige Einſamkeit märchenhafte Schätze an Steinen und andern Wer-
ten aufgeſpeichert hat ö –] –~
Es rief mich eine kleine geſchäftliche Angelegenheit nach Hamburg,
wo ich einen Bekannten traf, deſſen Anblit alte Erinnerungen plötz-
_ lich aufleben ließ. Er war aus St. Louis, und wir hatten in den
Sümpfen des Missiſippi gar manches Stück Wild miteinander ge-
Jſc<choſſen. Er war reich, ſehr reich und bot mir freie Ueberfahrt an,
wenn ich ihm die Freude machen wollte, ihn nach St. Louis zu be-
leiten. Da ergriff mich die Präriekrankheit mit voller, ſiegreicher
ewalt; ich ſagte zu, drahtete nach Haus, um mir meine Gewehre und
nſti Ausrüſtungsſtücke ſchleunigſt kommen zu laſſen, und nur
e nach unſerm Wiederſehn ſchwamr dem
dienſtfertigen Rücken der Elbe dem deutſchen Meer und dem Ozean
n vertieften wir uns zunächst für einige Wochen in die Wäle
der des untern Missouri; dann mußte mein Gefährte zurückkehren,
während ich ſtromaufwärts nach Omaha City ging, um von da aus
auf der großen Pacific-Bahn weiter nach Weſten vorzudringen.
Ich hatte meine guten Gründe, grad dieſen Weg einzuſchlagen. Ich
hatte das Felſengebirge von den Quellen des Fraſeefluſſes bis hin-
unter zur Wüſte Mapimi kennengelernt, aber keine Strecke hatte auf
mich einen ſolch nachhaltigen Eindruk gemacht wie die zwiſchen Hell-
gata und dem Nordpark. Denn grad hier ſind die merkwürdigsten -
Puntte des Felſengebirges zu ſuchen: die Teton Range, die Wind-
riverberge, der Südpaß und ganz besonders die Quellengebiete des
Yellon Stone, Schlangenfluſſes und Columbia.
Aus dieſem Grund zog es mich auch diesmal wieder in jenes von
mir ſchon wiederholt beſuchte Gebiet!). Dorthin kommt außer dem
ſchleichenden Indianer oder dem kühnen Trapper kein Menſch, und
die Verſuchung iſt faſt unwiderſtehlich, ſich dem Wagnis zu unterziehn,
in jene unwirtlichen, nach der Sage der Rothäute von böſen Geiſtern
belebten Schluchten und Canons einzudringen. ;
Freilich war das nicht ſo leicht, wie es ſich erzählen läßt. Welche
umſtändlichen und umfangreichen Vorbereitungen trifft der Schweizer-
reiſende, ehe er ſich anſchickt, einen der Alpenberge zu beſteigen! Und
was iſt ſein Unternehmen gegen das eines einſamen Weſtmannes,
der es wagt, im Vertrauen nur auf ſich allein und ſeine gute Büchſe
Gefahren entgegen zu gehn, von denen der zahme europäiſche Wan-
derer keine Ahnung hat! Aber grad dieſe Gefahren ſind es, die ihn
locken und bezaubern. Seine Muskeln ſind von Eiſen und ſeine Seh-
nen von Stahl; ſein Körper trotzt allen Anſtrengungen und Entbeh-
rungen, und alle Tätigkeiten ſeines Geiſtes haben durch unausgeſetzte
Uebung eine Ausdauer und Schärfe erlangt, die ihn ſelbſt noch in der
qrößten Not ein Rettungsmittel finden laſſen. Daher iſt ſeines
Bleibens nicht in ziviliſierten Gegenden, wo er ſeine Fähigkeiten
nicht üben und betätigen kann; er muß hinaus in die wilde Sa-
vanne, hinein in die todbringenden Abgründe des Gebirges, und je
drohender die Gefahren auf ihn einſtürmen, desto mehr fühlt er ſich
in ſeinem ureigenſten Bereich, deſto höher wächſt ſein Mut, deſto grö-
ßer wird ſein Selbſtvertrauen, und deſto inniger hält er die Uebere
zeugung feſt, daß er auch in der tiefſten Einſamkeit von einer Hand
geleitet wird, die stärker iſt als alle irdiſche Gewalt.
Ich war zu einem ſolchen Unternehmen wohl vorbereitet. Nur eins
fehlte mir, ohne das es gradezu unmögliches iſt, in den dark and bloody
grounds zu beſtehn — ein gutes, zuverlässiges Pferd; doch verursachte
mir dieſer Mangel keine Kopfschmerzen. Den alten Wallach, der mich
bis Omaha getragen hatte, verkaufte ich dort und ſetzte mich mit der
feſten Ueberzeugung in den Bahnwagen, daß ich ein gutes Pferd, ſo-
bald ich es brauchte, auch bekommen würde.
Es gab damals auf dieſer Bahn noch immer Strecken, die nur eben
erſt notdürftig befahrbar waren. Daher erblickte man während der
Fahrt an vielen Stellen noch Arbeiter, die beschäftigt waren, den
Bau von Brücken und Ueberführungen nachzuholen oder ſolche
Puntte, die bereits ſchadhaft geworden waren, wieder auszubeſſern.
Dieſe Leute hatten ſich, wenn ſie nicht in der Nähe einer der damals
wie Pilze aus der Erde ſchießenden Anſiedelungen arbeiteten, gewöhn- -
lich ein Camp, ein Lager errichtet, das mit einigen Befeſtigungen ver-
ſehn war. Das war notwendig der Indianer wegen, die den Bau der
Eiſenbahn als einen Eingriff in ihre Rechte betrachteten und auf alle
Weiſe zu verhindern und zu erſchweren ſuchten. :
Aber auch noch andre Feinde gab es, Feinde, die faſt noch mehr zu
fürchten waren als die Rothäute. : .
Es treibt ſich nämlich in der Prärie eine Menge Geſindel umher, das
ſich aus denjenigen Kreiſen zuſammenſett, die der ziviliſierte Oſten
ausgeſtoßen hat, Exiſtenzen, die auf alle Weiſe Schiffbruch er-
litten und nun vom Leben nichts mehr zu erwarten haben. Diese
Menſchen rotteten ſich bald zu dieſem, bald zu jenem verbrecheriichen
Zweck zuſammen und ſind gefährlicher, als ſelbſt die wildeſten In-
dianerhorden. Zur Zeit des Eiſenbabnbaus hatten ſie es beſonders
auf die jungen Ansiedlungen und auf die Camps abgesehn, die ent-
lang der Bahnſtrecke entſtanden, und es war daher nicht zu verwun-
dern, daß dieſe Camps Befeſtigungen erhielten, und daß ihre Bewohner
ſelbſt während der Arbeit Waſfen trugen. _
Wegen der Angriffe, die dieſe Räuber auf die Camps und einen
Wagenzüge unternahmen, wobei ſie gewöhnlich den Schienenweg zer-
ſtörten, um den Zug zum Stehn zu bringen, wurden ſie Railtroublers,
Schienenzerſtörer, genannt. Man hatte ein ſcharses Auge auf ſie, ſo
daß ſie ſchließlich ihre Ueberfälle nur noch unternehmen konnten, wenn
ſich mehrere Trupps vereinigt hatten, die ſich alſo zahlreich genug
wußten. Uebrigens herrſchte gegen ſie eine ſolche Erbitterung, daß
') Karl Ma „Weihnacht“ und „Unter Gei
jeder gefangne Railtroubler den ſichern Tod zu erwarten hatte. Dieſe_
deſte Luſt zu habe
konnte auch gegen ſie von keiner Gnade die Rede ſein. N
Es war Sonntag nachmittag, als wir mit dem Zug Omaha verlie-
hen. Unter den Reiſegefährten befand sich kein einziger, der meine
Beachtung mehr als vorübergehend in Anspruch nahm. Erſt am
nächſten Tag ſtieg in Fremont ein Mann ein, deſſen Aeußeres ſofort
meine Aufmerksamkeit auf ihn lenkte. Da er in meiner unmittelbaren
Nähe Platz nahm, hatte ich die beſte Gelegenheit, ihn zu beobachten.
Sein Antlitz war eigentlich ſo ſpaßhaft, daß ein oberflächlicher Be-
obachter gewiß Mühe hatte, ein beluſtigtes Lächeln zu verbeißen; ich
aber war an derartige Erſcheinungen hinreichend gewöhnt, um mei-
nen vollen Ernſt bewahren zu können. Der Mann war von kleiner
+ . handen otdelen ohne Unterſhicd des Ylters-und Feſlelßts. darum
Geſtalt, dabei aber ſo dick, daß man ihn ohne große Mühe hätte kugeln
können. Er trug einen Schafpelz, deſſen rauhe Seite nach außen ge-
kehrt war. Dieſe rauhe Seite war früher einmal behaart gewesen,
jetzt aber war die Wolle verſchwunden, und nur hier und da erblickte
man ein kleines, einſames Flöckchen, das auf dem nackten Leder das
Ausſehn einer Oqse in der Wüſte hatte. Vor Zeiten mochte dieſer Pelz
ſeinem Beſitzer gepaßt haben, dann aber war er unter dem Einfluß/
von Schnee und Regen, von Hitze und Kälte so zuſammengeſchwunden,
daß ſein unterer Rand das Knie nicht mehr erreichte; er konnte nicht
mehr zugeknöpft werden, und die Aermel hatten ſich bis in die Gegend
des Ellbogens nach rückwärts Z’ezogen. Unter dieſem Pelz ſah man
eine rotflanellene Iacke und eine Lederhoſe, die jedenfalls einmal
ſchwarz gewesen war, jetzt aber in allen Regenbogenfarben funkelte
und ganz das Ausſehn hatte, als ob es ihre Beſtimmung ſei, dem Be-
ſizer als Wiſch-, Tiſch- und Taſchentuch zu dienen. Unterhalb dieser
vorsintflutlichen Hoſe erblickte man die nackten, blau gefrorenen Fuß-
knöchel des Mannes und dann ein Paar Schuhe, die eine ganze Ewig-
keit aushalten konnten. Sie waren aus rindsledernen Stiefeln ge-
ſchnitten und hatten Doppelsohlen, die mit ſo starken Nägeln beſchla-
gen waren, daß man mit ihnen ein Krokodil hätte tottreten können.
> Auf dem Kopf trug er einen Hut, der außer der Form auch einen Teil
der Krempe verloren hatte. Um jene Körpergegend, die vor Iahren
einmal Hüfte gewesen war, jetzt aber eine wahrhaft ſtaunenswerte
Ausdehnung erhalten hatte, ſchlang ſich ein alter Schal, deſſen Farbe
leider vollſtändig abhanden getommen war und in dem eine urahnen-
hafte Reiterpiſtole ſamt einem Bowiemeſſer ſtectte. Neben diesen bei-
den Waffen hing ein Kugel- und ein Tabakbeutel, ein kleiner Spie-
gel, wie man ihn auf deutſchen Jahrmärkten für zehn Pfennige kauft,
eine eingeſtrickte Feldflaſche und vier Patenthufeiſen, die dem Pferd
wie Schuhe angezogen und fesſtgeſchraubt werden können. Daneben
erblickte ich ein Behältnis, deſſen Inhalt mir jetzt noch verborgen war;
[päter erfuhr ich, daß es ein vollſtändiges Rafierzeug enthielt, in der
wilden Prärie höchſt unnütz, wie mir ſchteÊeen. + :
Das wunderlichſte aber an dieſem Mann war ſein Geſicht. Es war
[o vollſtändig glatt raſiert, als käme er ſoeben aus dem Laden eines
Barbiers. Die beinah roſenroten Wangen waren ſo dic und feſt, daß
das kleine, kurze Stumpfnäschen zwiſchen ihnen faſt verſchwand und
die zwei braunen lebhaften Augen Mühe hatten, über ſie hinwegzu-
lehn. Sobald die mehr als vollen Lippen ſich öffneten, erblickte man
zwei Reihen blendend weißer Zähne, die ich aber leider ſofort im
Verdacht Hatte, unecht zu ſein. An der linken Seite des Kinns hing
eine gurkenähnlich geſtaltete Verhärtung oder Wucherung, die das
Spaßhafte der Erſcheinung dieſes Mannes noch erhöhte, ihn aber
nicht im mindesten zu ſtören ſchien.
So ſaß er vor mir und Hielt zwiſchen den kurzen dicken Elefanten-
beinen ein Schießgewehr eingeklemmt, das der Flinte meines alten
Sam Hawtkens ähnelte wie ein Ei dem andern.
Er hatte mit einem einfachen „Good day, Sir!“ bei mir Platz ge-
nommen und ſchien ſich dann nicht weiter um mich zu kümmern. Erſt
eine Stunde ſpäter bat er mich um die Erlaubnis, eine Pfeife rauchen
zu dürfen. Das fiel mir auf, denn ein echter, rechter Trapper oder
Fallenſteller fragt nicht danach, ob das, was ihm zu tun beliebt, von
andern gut geheißen wird. : :
„Naucht, ſoviel Ihr wollt, Master!“ antwortete ich. „Ich werde
Euch Geſellſchaft leiſten. Wollt Ihr Euch eine von meinen Zigarren
anſtecken?“
tt Sir!“ meinte er. „Diese Dinger, die man Zigarren nennt,
sind mir zu fein. Ich halte es mit meiner Pfeife.“
Er hatte nach Trapperart die kurze, ſchmierige Pfeife an einer
Schnur am Hals hängen. Als er ſie geſtopft hatte, beeilte ich mich,
ein Hölzchen hervorzulangen; er aber ſchüttelte abwehrend mit dem
Kopj, griff in die Taſche ſeines Pelzes und brachte eines jener Prärie-
Feuerzeuge zum Vorſchein, die Punks genannt werden und trocknen
Baummoder als Zunder enthalten. ;
„Auch ſo eine von den neuzeitlichen Erfindungen, diese Zündhölzer,
die nichts für die Savanne taugen,“ bemerkte er. „Man darf ſich
nicht verwöhnen.“
Damit war das kurze Geſpräch beendet, und er ſchien nicht die min-
deſſen Duft mich Waltnu
rauchte ein Kraut,
mete dabei der Gegend feine ganze Aufmerkſamkeit. €
wir die Station „Northplatte“ am Vereinigungspunkt des Nord- un
Südplatte-Stroms. Hier ſtieg er für kurze Zeit aus und machte ſich
an einem der vordern Wagen zu ſchaffen. Ich bemerkte, daß ſich ein
Pferd darin befand, das jedenfalls ihm gehörte. .. y
Als er wieder eingestiegen war und der Zug ſich in Bewegung gesetzt
hatte, beobachtete er weiter ſein bisheriges Schweigen, und erſt als
wir am Nachmittag in Cheyenne am Fuß der Laramie-Mountains
ielten, fragte er: j .
h iu. fact von hier aus vielleicht mit der Kolorado-Bahn nach
Denver zu, Sir?“ ; .
„Nein,“ antwortete ich. .
„Well, so bleiben wir Nachbarn.“ : ;
„Fahrt Ihr sehr weit mit der Pacific?“ fragte ich ihn.
„Hm! Ta und nein ~ wie es mir gefällt. Und Ihr?“
„Ich möchte am liebſten nach Ogden City.“
„Ah! Ihr wollt die Marmonen-Stadt ſehn?“ -
„Ein weniges, und dann hinauf nach den Windriverbergen und der
Teton Range.“ . '
Er muſterte mich mit einem ungläubigen Blick und meinte: .
„Da hinauf? Das bringt nur ein ſehr kühner Weſtmann fertig.
Habt Ihr Geſellſchaft?“ _ .
„Neinn. ...
Iettt blickten mich seine kleinen Aeuglein förmlich beluſtigt an.
Allein? Hinauf nach den drei Tetons? Mitten unter die Sioux
und grauen Bären? Pshaw! Habt Ihr vielleicht einmal gehört, was
ein Sioux oder ein grauer Bär zu bedeuten hat?é?". . ;
„Zch denkelse. : ;
1°90 hm! Darf ich fragen, was Ihr seid, Sir?Ö
„Ich bin Writerén. : .
„Writer? Schriftſteller? So! Ihr macht alſo Bücher ?“
„Ja.“ , -
Jetzt lachte er am ganzen Gesicht. Es gab ihm, ganz ſo wie früher
dem kleinen Sans-ear, gewaltigen Spaß, daß ein Schriftsteller den
Gedanken gefaßt hatte, ganz allein und nur auf ſich ſelber angewiesen,
den gefährlichſten Teil des Felſengebirges aufzuſu<en.
„Schön!“ ſagte er kichernd. „So wollt Ihr wohl über die drei
Tetons ein Buch ſchreiben, mein werter Maſter?“
„Vielleicht !“ ff. . .
„Und Ihr habt wohl einmal ein Buch geſehn, in dem ein Indianer
oder ein Bär abgebildet war?“ : :
„Verſteht ſich“, nickte ich ſehr ernsthaft.
„Und nun glaubt Ihr, daß Ihr da mitmachen könnt?“
„Allerdings.“ : . . U
„Und Ihr habt wohl gar auch eine Flinte mit, die da in Eure Decke
eingewickelt iſt ?“ .
„Ia.“ : t ' UE .
„So will ich Euch einen guten Rat geben, Sir! Steigt ſchleunigſt
aus und macht, daß Ihr wieder nach Haus kommt! Ihr seid zwar, wie
es ſcheint, ein ſtarker Kerl, aber Ihr ſeht mir gar nicht aus, als ob/
Ihr ein Eichhorn ſchießen könntet, viel weniger einen Bären. Das
Leſen hat Euch den Kopf benebelt. Es wäre jammerſchade um Euer
junges Leben, wenn Euch beim Anblick eines Wildkätzchens der
Häiles titten ſollte. Ihr habt gewiß einmal den Cooper geleſen ?“
„Ei freilich.“ ; : .
„Dachte es mir! Habt vielleicht auch von berühmten Prärilemännern
gehört?“. ; g : z
„Ja“, antwortete ich abermals im beſcheidenſten Ton. :
„Von Winnetou, von Old Firehand, von Old Shatterhand, vo
„Sharpeyes“t oder von der Tante Droll?“ .
vHLon allen“, nickte ich. : :
Das dicke Männchen ahnte nicht, daß er mir wenigstens ebensoviel
Spaß madthte, wie ich ihm. . .
„Ia“, meinte er, „solche Bücher und Geſchichten ſind gefährlich, denn
ſie ſtecen an. Das klingt ſo ſchön und leicht, aber Maſter, nehmt mirs
nicht übel, Ihr dauert mich. Dieser Winnetou iſt ein Apatſchen-Häupt-
ling, der mit tauſend Teufeln kämpfen würde; dieſer Old Firehand
ſchießt Euch jede einzelne Mücke aus dem Schwarm heraus, und Old
Shatterhand hat noch niemals einen Fehlſchuß getan und schlägt die
ſtärkſte Rothaut mit einem einzigen Hieb zu Brei. Wenn einer von
dieſen Kerls ſagt, daß er hinauf will zu den drei Tetons, so iſt das
zwar immer noch ein Wagnis, aber man denkt doch, daß er es beſtehn
kann; dagegen Ihr = ein Büchermacher? Pſhaw! Wo habt Ihr
denn Euer Pferzgds
„Ich habe keinsen. : : :
Tetzt konnte er ſich nicht länger halten ; er platte mit einem lauten
Gelächter heraueen. . . § i ;
„Hihihihi, kein Pferd, und hinauf nach den drei Tetons! Seid Ihr
verrückt, Sir ?“ . .
. (Fortſetzung folgt.)
er jagte davon, daß ſein Tanges, herrliches Haar wie eine Mähne
hinter ihm herwehte. Ich blickte ihm nach, bis er verſchwand. Wirſt
hu des Feind étjagenr Wann ſehe ich dich wieder, du lieber, lieber
Die Railtroublers.
„Der Senat und das Haus der Abgeordneten der Vereinigten Staga-
. ken beſchließen:
!
|
|
]
!
|
|
1. Der Landſtrich, im Territorium um Wyoming liegend, nahe dem
Urſprung des Yellowſtone-River, iſt, hierdurch von jeder Beſitnahme,
Beſiedelung und jedem Verkauf unter den Gesetzen der Vereinigten
Staaten aufgenommen und ſoll als ein öffentlicher Park oder Luſtplatz
zum Wohl und Vergnügen des Volks betrachtet. werden. Tedermann,
der ſich dieſen Beſtimmungen zuwider dort niederläßt oder von irgend
einem Teil Besitz ergreift, ſoll als Uebertreter des Geſetzes angeſehn
und ausgewieſen werden.
2. Der Park ſoll unter die ausſchließliche Aussicht des Sekretärs des
Innern geſtellt werden, deſſen Aufgabe es ſein wird, ſo bald als
tunlich ſolche Vorſchriften und Anordnungen zu erlaſſen, wie er zur
Pflege und Erhaltung des Parks für notwendig erachtet.“
Als mir die Bekanntmachung dieſes Gesetzes in die Hände kam,
freute ich mich herzlich über die Hochherzigkeit der Beſchlußfaſſung des
Vereinigte Staaten-Kongreſſes, der damit dem Volt ein Geſchenk
machte. : : .
Tauſende werden diese Bekanntmachung geleſen haben, ohne zu
ahnen, was ihnen damit geboten wurde. Viele werden darüber ge-
lächelt haben, daß die Regierung der Vereinigten Staaten einen 8670
Geviertkilometer großen Park, eine im wilden, unzugänglichen Fel-
! ſengebirge liegende Landfläche als Luft- und Erholungsplatz der
j Untertanen bereitſtellt. Die Zukunft aber wird beweiſen und hat
i ſchon bewieſen, daß dieſe beiſpielloſe Handlung eine der dankenswer-
teſten Maßnahmen iſt, ein Schritt, den Millionen ſeiner Zeit noch-
t quer vezden. iſt nämlich ein Stück Wunderland, wie es auf Erden
wohl kaum zum zweitenmal gefunden werden dürfte. Die erſten mär-
<henhaften Nachrichten davon erhielt General Warren im Tahre 1858.
Er fühlte ſich dadurch v:ranlaßt, eine Expedition dahin auszurüſten,
/ . 1die leider aber ihr Ziel nicht erreichte. Erſt zehn Iahre später gelang es
andern, den Schleier teilweiſe zu lüften und die Welt eine reiche, nie
. geahnte Fülle der großartigsten Naturwunder ahnen zu können. Im
Sommer des Iahres 1871 drang Profeſſor Hayden erfolgreich vor, und
ſeine Berichte, ſo ſachlich und nüchtern ſie auch gehalten waren, begei-
' | ſterten den Kongreß zu dem Entſchluß, jenes außerordentliche Land
: dem gemeinen Schacher aus den Händen zu nehmen.
_ Ienſeits der weiten weſtlichen Prärien, fern noch hinter dem Höhen-
'zug der Blacthhills, ragen die rieſigen Mauern des Felſengebirges zum
Himmel empor. Man möchte ſagen, hier habe nicht die Hand, son-
| dern die Fauſt des Schöpfers gewaltet. Wo ſind die Zyklopen, die
ſJolche Baſteien zu türmen vermögen? Wo ſind die Titanen, die ſolche
Laſten bis über die Wolken treiben konnten? Wo iſt der Meiſter, der
ſjene Firnen mit ewigem Schnee und Eis krönte? Hier hat der
Schöpfer „ein Gedächtnis ſeiner Wunder“ errichtet, das nicht wir-
kungsvoller und ergreifender ſein könnte. H
Und hinter jenen rieſigen Mauern wallt und ſiedet, dampft und
_ brodelt es noch heut aus den kochenden Tiefen des Erdinnern hervor;
ida treibt die dünne Erdkruſte Blaſen, da ziſchen glühende Schwefel-
dämpfe empor, und mit einem Getöſe, das dem Kanonendonner gleicht,
ſprühen rieſige Geyſer ihre ſiedenden Waſſermassen in die zitternden
Lüfte. Plutoniſche und pulkaniſche Gewalten kämpfen gegen die Ge-
'ſtaltung des Lichts. Die Unterwelt öffnet von Minute zu Minute
den Rachen, um die Feuer der Tiefe emporzuſpeien und die Gebilde
des Tages in den toſenden Schlund hinabzuſaugen.
Hier iſt oft jeder Schritt mit Todesgefahren verbunden. Der Fuß
_ gcleann durch die trügeriſche Kruſte brechen, der dampfende Strudel den
[müden Wanderer erfaſſen, der unterhöhlte Felſen mit dem Ruhenden
_ in den gähnenden Abgrund stürzen. Aber dieſe Todesfelder werden
einſt Tauſende von Wallfahrern ſehn, die in den heißen Quellen und
ozonreichen Lüften Heilung ihrer Leiden ſuchen, und dann wird man
auch jene wunderbaren Schlüfte und Klüfte entdecken, in denen die
hyheizige Einſamkeit märchenhafte Schätze an Steinen und andern Wer-
ten aufgeſpeichert hat ö –] –~
Es rief mich eine kleine geſchäftliche Angelegenheit nach Hamburg,
wo ich einen Bekannten traf, deſſen Anblit alte Erinnerungen plötz-
_ lich aufleben ließ. Er war aus St. Louis, und wir hatten in den
Sümpfen des Missiſippi gar manches Stück Wild miteinander ge-
Jſc<choſſen. Er war reich, ſehr reich und bot mir freie Ueberfahrt an,
wenn ich ihm die Freude machen wollte, ihn nach St. Louis zu be-
leiten. Da ergriff mich die Präriekrankheit mit voller, ſiegreicher
ewalt; ich ſagte zu, drahtete nach Haus, um mir meine Gewehre und
nſti Ausrüſtungsſtücke ſchleunigſt kommen zu laſſen, und nur
e nach unſerm Wiederſehn ſchwamr dem
dienſtfertigen Rücken der Elbe dem deutſchen Meer und dem Ozean
n vertieften wir uns zunächst für einige Wochen in die Wäle
der des untern Missouri; dann mußte mein Gefährte zurückkehren,
während ich ſtromaufwärts nach Omaha City ging, um von da aus
auf der großen Pacific-Bahn weiter nach Weſten vorzudringen.
Ich hatte meine guten Gründe, grad dieſen Weg einzuſchlagen. Ich
hatte das Felſengebirge von den Quellen des Fraſeefluſſes bis hin-
unter zur Wüſte Mapimi kennengelernt, aber keine Strecke hatte auf
mich einen ſolch nachhaltigen Eindruk gemacht wie die zwiſchen Hell-
gata und dem Nordpark. Denn grad hier ſind die merkwürdigsten -
Puntte des Felſengebirges zu ſuchen: die Teton Range, die Wind-
riverberge, der Südpaß und ganz besonders die Quellengebiete des
Yellon Stone, Schlangenfluſſes und Columbia.
Aus dieſem Grund zog es mich auch diesmal wieder in jenes von
mir ſchon wiederholt beſuchte Gebiet!). Dorthin kommt außer dem
ſchleichenden Indianer oder dem kühnen Trapper kein Menſch, und
die Verſuchung iſt faſt unwiderſtehlich, ſich dem Wagnis zu unterziehn,
in jene unwirtlichen, nach der Sage der Rothäute von böſen Geiſtern
belebten Schluchten und Canons einzudringen. ;
Freilich war das nicht ſo leicht, wie es ſich erzählen läßt. Welche
umſtändlichen und umfangreichen Vorbereitungen trifft der Schweizer-
reiſende, ehe er ſich anſchickt, einen der Alpenberge zu beſteigen! Und
was iſt ſein Unternehmen gegen das eines einſamen Weſtmannes,
der es wagt, im Vertrauen nur auf ſich allein und ſeine gute Büchſe
Gefahren entgegen zu gehn, von denen der zahme europäiſche Wan-
derer keine Ahnung hat! Aber grad dieſe Gefahren ſind es, die ihn
locken und bezaubern. Seine Muskeln ſind von Eiſen und ſeine Seh-
nen von Stahl; ſein Körper trotzt allen Anſtrengungen und Entbeh-
rungen, und alle Tätigkeiten ſeines Geiſtes haben durch unausgeſetzte
Uebung eine Ausdauer und Schärfe erlangt, die ihn ſelbſt noch in der
qrößten Not ein Rettungsmittel finden laſſen. Daher iſt ſeines
Bleibens nicht in ziviliſierten Gegenden, wo er ſeine Fähigkeiten
nicht üben und betätigen kann; er muß hinaus in die wilde Sa-
vanne, hinein in die todbringenden Abgründe des Gebirges, und je
drohender die Gefahren auf ihn einſtürmen, desto mehr fühlt er ſich
in ſeinem ureigenſten Bereich, deſto höher wächſt ſein Mut, deſto grö-
ßer wird ſein Selbſtvertrauen, und deſto inniger hält er die Uebere
zeugung feſt, daß er auch in der tiefſten Einſamkeit von einer Hand
geleitet wird, die stärker iſt als alle irdiſche Gewalt.
Ich war zu einem ſolchen Unternehmen wohl vorbereitet. Nur eins
fehlte mir, ohne das es gradezu unmögliches iſt, in den dark and bloody
grounds zu beſtehn — ein gutes, zuverlässiges Pferd; doch verursachte
mir dieſer Mangel keine Kopfschmerzen. Den alten Wallach, der mich
bis Omaha getragen hatte, verkaufte ich dort und ſetzte mich mit der
feſten Ueberzeugung in den Bahnwagen, daß ich ein gutes Pferd, ſo-
bald ich es brauchte, auch bekommen würde.
Es gab damals auf dieſer Bahn noch immer Strecken, die nur eben
erſt notdürftig befahrbar waren. Daher erblickte man während der
Fahrt an vielen Stellen noch Arbeiter, die beschäftigt waren, den
Bau von Brücken und Ueberführungen nachzuholen oder ſolche
Puntte, die bereits ſchadhaft geworden waren, wieder auszubeſſern.
Dieſe Leute hatten ſich, wenn ſie nicht in der Nähe einer der damals
wie Pilze aus der Erde ſchießenden Anſiedelungen arbeiteten, gewöhn- -
lich ein Camp, ein Lager errichtet, das mit einigen Befeſtigungen ver-
ſehn war. Das war notwendig der Indianer wegen, die den Bau der
Eiſenbahn als einen Eingriff in ihre Rechte betrachteten und auf alle
Weiſe zu verhindern und zu erſchweren ſuchten. :
Aber auch noch andre Feinde gab es, Feinde, die faſt noch mehr zu
fürchten waren als die Rothäute. : .
Es treibt ſich nämlich in der Prärie eine Menge Geſindel umher, das
ſich aus denjenigen Kreiſen zuſammenſett, die der ziviliſierte Oſten
ausgeſtoßen hat, Exiſtenzen, die auf alle Weiſe Schiffbruch er-
litten und nun vom Leben nichts mehr zu erwarten haben. Diese
Menſchen rotteten ſich bald zu dieſem, bald zu jenem verbrecheriichen
Zweck zuſammen und ſind gefährlicher, als ſelbſt die wildeſten In-
dianerhorden. Zur Zeit des Eiſenbabnbaus hatten ſie es beſonders
auf die jungen Ansiedlungen und auf die Camps abgesehn, die ent-
lang der Bahnſtrecke entſtanden, und es war daher nicht zu verwun-
dern, daß dieſe Camps Befeſtigungen erhielten, und daß ihre Bewohner
ſelbſt während der Arbeit Waſfen trugen. _
Wegen der Angriffe, die dieſe Räuber auf die Camps und einen
Wagenzüge unternahmen, wobei ſie gewöhnlich den Schienenweg zer-
ſtörten, um den Zug zum Stehn zu bringen, wurden ſie Railtroublers,
Schienenzerſtörer, genannt. Man hatte ein ſcharses Auge auf ſie, ſo
daß ſie ſchließlich ihre Ueberfälle nur noch unternehmen konnten, wenn
ſich mehrere Trupps vereinigt hatten, die ſich alſo zahlreich genug
wußten. Uebrigens herrſchte gegen ſie eine ſolche Erbitterung, daß
') Karl Ma „Weihnacht“ und „Unter Gei
jeder gefangne Railtroubler den ſichern Tod zu erwarten hatte. Dieſe_
deſte Luſt zu habe
konnte auch gegen ſie von keiner Gnade die Rede ſein. N
Es war Sonntag nachmittag, als wir mit dem Zug Omaha verlie-
hen. Unter den Reiſegefährten befand sich kein einziger, der meine
Beachtung mehr als vorübergehend in Anspruch nahm. Erſt am
nächſten Tag ſtieg in Fremont ein Mann ein, deſſen Aeußeres ſofort
meine Aufmerksamkeit auf ihn lenkte. Da er in meiner unmittelbaren
Nähe Platz nahm, hatte ich die beſte Gelegenheit, ihn zu beobachten.
Sein Antlitz war eigentlich ſo ſpaßhaft, daß ein oberflächlicher Be-
obachter gewiß Mühe hatte, ein beluſtigtes Lächeln zu verbeißen; ich
aber war an derartige Erſcheinungen hinreichend gewöhnt, um mei-
nen vollen Ernſt bewahren zu können. Der Mann war von kleiner
+ . handen otdelen ohne Unterſhicd des Ylters-und Feſlelßts. darum
Geſtalt, dabei aber ſo dick, daß man ihn ohne große Mühe hätte kugeln
können. Er trug einen Schafpelz, deſſen rauhe Seite nach außen ge-
kehrt war. Dieſe rauhe Seite war früher einmal behaart gewesen,
jetzt aber war die Wolle verſchwunden, und nur hier und da erblickte
man ein kleines, einſames Flöckchen, das auf dem nackten Leder das
Ausſehn einer Oqse in der Wüſte hatte. Vor Zeiten mochte dieſer Pelz
ſeinem Beſitzer gepaßt haben, dann aber war er unter dem Einfluß/
von Schnee und Regen, von Hitze und Kälte so zuſammengeſchwunden,
daß ſein unterer Rand das Knie nicht mehr erreichte; er konnte nicht
mehr zugeknöpft werden, und die Aermel hatten ſich bis in die Gegend
des Ellbogens nach rückwärts Z’ezogen. Unter dieſem Pelz ſah man
eine rotflanellene Iacke und eine Lederhoſe, die jedenfalls einmal
ſchwarz gewesen war, jetzt aber in allen Regenbogenfarben funkelte
und ganz das Ausſehn hatte, als ob es ihre Beſtimmung ſei, dem Be-
ſizer als Wiſch-, Tiſch- und Taſchentuch zu dienen. Unterhalb dieser
vorsintflutlichen Hoſe erblickte man die nackten, blau gefrorenen Fuß-
knöchel des Mannes und dann ein Paar Schuhe, die eine ganze Ewig-
keit aushalten konnten. Sie waren aus rindsledernen Stiefeln ge-
ſchnitten und hatten Doppelsohlen, die mit ſo starken Nägeln beſchla-
gen waren, daß man mit ihnen ein Krokodil hätte tottreten können.
> Auf dem Kopf trug er einen Hut, der außer der Form auch einen Teil
der Krempe verloren hatte. Um jene Körpergegend, die vor Iahren
einmal Hüfte gewesen war, jetzt aber eine wahrhaft ſtaunenswerte
Ausdehnung erhalten hatte, ſchlang ſich ein alter Schal, deſſen Farbe
leider vollſtändig abhanden getommen war und in dem eine urahnen-
hafte Reiterpiſtole ſamt einem Bowiemeſſer ſtectte. Neben diesen bei-
den Waffen hing ein Kugel- und ein Tabakbeutel, ein kleiner Spie-
gel, wie man ihn auf deutſchen Jahrmärkten für zehn Pfennige kauft,
eine eingeſtrickte Feldflaſche und vier Patenthufeiſen, die dem Pferd
wie Schuhe angezogen und fesſtgeſchraubt werden können. Daneben
erblickte ich ein Behältnis, deſſen Inhalt mir jetzt noch verborgen war;
[päter erfuhr ich, daß es ein vollſtändiges Rafierzeug enthielt, in der
wilden Prärie höchſt unnütz, wie mir ſchteÊeen. + :
Das wunderlichſte aber an dieſem Mann war ſein Geſicht. Es war
[o vollſtändig glatt raſiert, als käme er ſoeben aus dem Laden eines
Barbiers. Die beinah roſenroten Wangen waren ſo dic und feſt, daß
das kleine, kurze Stumpfnäschen zwiſchen ihnen faſt verſchwand und
die zwei braunen lebhaften Augen Mühe hatten, über ſie hinwegzu-
lehn. Sobald die mehr als vollen Lippen ſich öffneten, erblickte man
zwei Reihen blendend weißer Zähne, die ich aber leider ſofort im
Verdacht Hatte, unecht zu ſein. An der linken Seite des Kinns hing
eine gurkenähnlich geſtaltete Verhärtung oder Wucherung, die das
Spaßhafte der Erſcheinung dieſes Mannes noch erhöhte, ihn aber
nicht im mindesten zu ſtören ſchien.
So ſaß er vor mir und Hielt zwiſchen den kurzen dicken Elefanten-
beinen ein Schießgewehr eingeklemmt, das der Flinte meines alten
Sam Hawtkens ähnelte wie ein Ei dem andern.
Er hatte mit einem einfachen „Good day, Sir!“ bei mir Platz ge-
nommen und ſchien ſich dann nicht weiter um mich zu kümmern. Erſt
eine Stunde ſpäter bat er mich um die Erlaubnis, eine Pfeife rauchen
zu dürfen. Das fiel mir auf, denn ein echter, rechter Trapper oder
Fallenſteller fragt nicht danach, ob das, was ihm zu tun beliebt, von
andern gut geheißen wird. : :
„Naucht, ſoviel Ihr wollt, Master!“ antwortete ich. „Ich werde
Euch Geſellſchaft leiſten. Wollt Ihr Euch eine von meinen Zigarren
anſtecken?“
tt Sir!“ meinte er. „Diese Dinger, die man Zigarren nennt,
sind mir zu fein. Ich halte es mit meiner Pfeife.“
Er hatte nach Trapperart die kurze, ſchmierige Pfeife an einer
Schnur am Hals hängen. Als er ſie geſtopft hatte, beeilte ich mich,
ein Hölzchen hervorzulangen; er aber ſchüttelte abwehrend mit dem
Kopj, griff in die Taſche ſeines Pelzes und brachte eines jener Prärie-
Feuerzeuge zum Vorſchein, die Punks genannt werden und trocknen
Baummoder als Zunder enthalten. ;
„Auch ſo eine von den neuzeitlichen Erfindungen, diese Zündhölzer,
die nichts für die Savanne taugen,“ bemerkte er. „Man darf ſich
nicht verwöhnen.“
Damit war das kurze Geſpräch beendet, und er ſchien nicht die min-
deſſen Duft mich Waltnu
rauchte ein Kraut,
mete dabei der Gegend feine ganze Aufmerkſamkeit. €
wir die Station „Northplatte“ am Vereinigungspunkt des Nord- un
Südplatte-Stroms. Hier ſtieg er für kurze Zeit aus und machte ſich
an einem der vordern Wagen zu ſchaffen. Ich bemerkte, daß ſich ein
Pferd darin befand, das jedenfalls ihm gehörte. .. y
Als er wieder eingestiegen war und der Zug ſich in Bewegung gesetzt
hatte, beobachtete er weiter ſein bisheriges Schweigen, und erſt als
wir am Nachmittag in Cheyenne am Fuß der Laramie-Mountains
ielten, fragte er: j .
h iu. fact von hier aus vielleicht mit der Kolorado-Bahn nach
Denver zu, Sir?“ ; .
„Nein,“ antwortete ich. .
„Well, so bleiben wir Nachbarn.“ : ;
„Fahrt Ihr sehr weit mit der Pacific?“ fragte ich ihn.
„Hm! Ta und nein ~ wie es mir gefällt. Und Ihr?“
„Ich möchte am liebſten nach Ogden City.“
„Ah! Ihr wollt die Marmonen-Stadt ſehn?“ -
„Ein weniges, und dann hinauf nach den Windriverbergen und der
Teton Range.“ . '
Er muſterte mich mit einem ungläubigen Blick und meinte: .
„Da hinauf? Das bringt nur ein ſehr kühner Weſtmann fertig.
Habt Ihr Geſellſchaft?“ _ .
„Neinn. ...
Iettt blickten mich seine kleinen Aeuglein förmlich beluſtigt an.
Allein? Hinauf nach den drei Tetons? Mitten unter die Sioux
und grauen Bären? Pshaw! Habt Ihr vielleicht einmal gehört, was
ein Sioux oder ein grauer Bär zu bedeuten hat?é?". . ;
„Zch denkelse. : ;
1°90 hm! Darf ich fragen, was Ihr seid, Sir?Ö
„Ich bin Writerén. : .
„Writer? Schriftſteller? So! Ihr macht alſo Bücher ?“
„Ja.“ , -
Jetzt lachte er am ganzen Gesicht. Es gab ihm, ganz ſo wie früher
dem kleinen Sans-ear, gewaltigen Spaß, daß ein Schriftsteller den
Gedanken gefaßt hatte, ganz allein und nur auf ſich ſelber angewiesen,
den gefährlichſten Teil des Felſengebirges aufzuſu<en.
„Schön!“ ſagte er kichernd. „So wollt Ihr wohl über die drei
Tetons ein Buch ſchreiben, mein werter Maſter?“
„Vielleicht !“ ff. . .
„Und Ihr habt wohl einmal ein Buch geſehn, in dem ein Indianer
oder ein Bär abgebildet war?“ : :
„Verſteht ſich“, nickte ich ſehr ernsthaft.
„Und nun glaubt Ihr, daß Ihr da mitmachen könnt?“
„Allerdings.“ : . . U
„Und Ihr habt wohl gar auch eine Flinte mit, die da in Eure Decke
eingewickelt iſt ?“ .
„Ia.“ : t ' UE .
„So will ich Euch einen guten Rat geben, Sir! Steigt ſchleunigſt
aus und macht, daß Ihr wieder nach Haus kommt! Ihr seid zwar, wie
es ſcheint, ein ſtarker Kerl, aber Ihr ſeht mir gar nicht aus, als ob/
Ihr ein Eichhorn ſchießen könntet, viel weniger einen Bären. Das
Leſen hat Euch den Kopf benebelt. Es wäre jammerſchade um Euer
junges Leben, wenn Euch beim Anblick eines Wildkätzchens der
Häiles titten ſollte. Ihr habt gewiß einmal den Cooper geleſen ?“
„Ei freilich.“ ; : .
„Dachte es mir! Habt vielleicht auch von berühmten Prärilemännern
gehört?“. ; g : z
„Ja“, antwortete ich abermals im beſcheidenſten Ton. :
„Von Winnetou, von Old Firehand, von Old Shatterhand, vo
„Sharpeyes“t oder von der Tante Droll?“ .
vHLon allen“, nickte ich. : :
Das dicke Männchen ahnte nicht, daß er mir wenigstens ebensoviel
Spaß madthte, wie ich ihm. . .
„Ia“, meinte er, „solche Bücher und Geſchichten ſind gefährlich, denn
ſie ſtecen an. Das klingt ſo ſchön und leicht, aber Maſter, nehmt mirs
nicht übel, Ihr dauert mich. Dieser Winnetou iſt ein Apatſchen-Häupt-
ling, der mit tauſend Teufeln kämpfen würde; dieſer Old Firehand
ſchießt Euch jede einzelne Mücke aus dem Schwarm heraus, und Old
Shatterhand hat noch niemals einen Fehlſchuß getan und schlägt die
ſtärkſte Rothaut mit einem einzigen Hieb zu Brei. Wenn einer von
dieſen Kerls ſagt, daß er hinauf will zu den drei Tetons, so iſt das
zwar immer noch ein Wagnis, aber man denkt doch, daß er es beſtehn
kann; dagegen Ihr = ein Büchermacher? Pſhaw! Wo habt Ihr
denn Euer Pferzgds
„Ich habe keinsen. : : :
Tetzt konnte er ſich nicht länger halten ; er platte mit einem lauten
Gelächter heraueen. . . § i ;
„Hihihihi, kein Pferd, und hinauf nach den drei Tetons! Seid Ihr
verrückt, Sir ?“ . .
. (Fortſetzung folgt.)