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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 29.1913-1914

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Dreyfus, Albert: Vincent van Gogh: (1853-1890)
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13092#0128

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VINCENT VAN GOGH NACHTCAFE

GeradedieSelbstherrlichkeitdesTemperaments, im Gegenteil, ich finde es sogar fertig vor und
wie sie in dieser Formel impliziert ist, entsprach brauche es nur aus derNatur herauszuschälen."
van Gogh. Er hat versucht, sogar die Sonne Aber er geht dabei auf seine eigenste Weise
durch sein Temperament hindurch zu sehen, vor. Er konturiert mit abkürzenden energischen
Auch sein Hang zur Mystik trägt ihn über Linien, wuchtig oft wie die Bleifassungen in
den Naturalismus empor. In seinen Briefen den Kirchenfenstern, und Linien züngeln im
spintisiert er viel über biblische Malerei. Zwar Bilde wie Flammen oder laufen bündelweise
betet er, wie er sagt, nur das Wahre, Mögliche miteinander, Träger des stärksten Ausdrucks,
an, aber in seiner Ekstase sieht er Wunder in Aber doch wirkt ein van Goghsches Bild haupt-
allem, was ihm in der Natur begegnet. Als Pro- sächlich durch seine Farben. Immer mehr
testant weist er Legendenbilder von sich, aber kommt er im Verlauf seiner Entwicklung zu
er traut sich zu, Heiligengestalten, Männer und synthetisch angewandten, flach hingesetzten
Frauen, nach der Natur zu malen: „Es wären klaren Farben. Nicht die Nuance, den Tonwert
Menschen von heute gewesen und hätten doch heischt er, — die Farbe. Valeur bedeutet für
etwas von den ersten Christen gehabt." Eine ihn Verschleppung, Versickerung, die Farbe
ähnliche religiöse Ergriffenheit wirkt in ihm allein schöpferische Kraft. „Unmöglich Valeurs
wie in Millet. und Farben gleiche Bedeutung zu geben. Man
Nie hat van Gogh aus der Phantasie allein kann nicht gleichzeitig am Pol und am Aequa-
herausschaffen können, trotzdem ihn Gauguin tor sein." Dementsprechend seine Malweise:
gerade in diese Richtung drängen wollte. Er wie andere, um ihre Vision nicht abzuschwä-
kann nicht ohne Modell arbeiten, aber er läßt chen, mit der Spachtel malen, so drückt er,
es gleichsam nach seiner Pfeife tanzen. „Ich wie er einmal beschreibt, Wurzeln und Stämme
übertreibe wohl mal", schreibt er, „oder ändere direkt aus der Tube heraus und modelliert sie
am Motiv, aber ich erfinde nie das ganze Bild, dann nur ein wenig mit dem Pinsel.

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