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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 41.1925-1926

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Escherich, Mela: Otto Dix
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Schubring, Paul: Stendhal und die italienische Kunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14161#0129

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aus der Ausstellung der „Neuen Sachlichkeit"
erworbene Werk „Witwe", 1925, ist von ganz
eigenartigem Slimraungswert — um Gottes-
willen, man darf doch heutzutage noch (oder
wieder?) Stimmung sagen?—,es ist beinah pein-
lich, wie sich uns diese dürre, häßliche Frau, die
bis in die Schleierspitzen mit Fluidum geladen
ist, als Person aufdrängt. Diese Gestalt kehrt
als „Irrsinnige" wieder, hier gesteigert zu emi-
nentem Ausbruch. Ein Tobsuchtsanfall mit den
bezeichnenden Erscheinungen femininer Ent-
artung. Grauenvolle Wirklichkeit zum großen
Moment künstlerischen Schauens erhoben.
Oder das Bildnis „Uzarski", wo die veristische
Alaske sinkt. Diese meditierende Gestalt, von
deren lichtumsäumten Händen Funken in die
blaue Nacht hinaus zu knistern scheinen; diese
Fluchtlinie phantastisch gehäufter Architektur-
formen, dieinkorrespondierendenEmpfindungs-
wellen das magische Spiel der Hände, des ganzen,
seltsam akzentuierten Umrisses der Gestalt auf-

nimmt,— eine zwischen Persiflage undErhaben-
heit gaukelnde Vision!

Letzten Endes, wo hinaus? Wirdes immer bei der
Grimasse bleiben? Das Problem Dix ist kein aus-
schließlich künstlerisches, es ist das Problem der
Zeit. Eines Tages werden die Reflexe von Krieg,
Revolution und Inflation verlöschen und der
großeSpiegel wird andere Bilder zurückwerfen.
Daß Dix auch rein artistisch genommen, auch
da, wo er Ulenspiegels Geißel fallen läßt, ein
bedeutender Künstler ist, wissen wir. Er bedarf
derTendenz.die ihn hochgeschleudert hat,nicht,
um sich oben zu hallen. Das erfahren wir aus
einzelnen seiner Bildnisse: dem ernsten,ehrlichen
Doppelbildnis seiner Eltern mit dem Alltags-
geruch von Mühe und Arbeit oder etwa dem
Aquarell-Bildnis des Regierungsrates N., einer
seelisch ungemein vertieften Leistung, in der das
sehr sensitive und fast schmerzhaft empfindsame
Leben vergeistigter Züge mit taktvoller Behut-
samkeit bloßgelegt ist. Mela Escherich

STENDHAL UND DIE ITALIENISCHE KUNST*)

(2. TEIL)

Bei dem Kapitel Masaccio spürt man, wie oft „W äschetruhen" bemalt hätten. In der Tat,
Stendhal indieKirchederCarmeliterinFIo- das haben sie, namentlich Bartolommeo di Gio-
renz gepilgert ist; alles ist erlebt und geschaut. vanni und Jacopo del Sellaio. Diese Malereien
„Im Ausdruck liegt die ganze Kunst", heißt es sind durchaus nicht kunstgewerblich, sondern
da. Stendhal meint damit das, was Vasari terri- haben die volle Bildkraft und führen die Pro-
biltä nannte. Bei Fra Filippo werden uns tüch- fanmalerei, namentlich die mythologische, mit
tig Anekdoten aufgetischt, die meisten sind zartesten Reizen vor. Ein gewisser Paul Schub-
falsch, aber lustig; wichtig ist aber, daß Sten- ring hat 1000 Cassonebilder des Quattrocento
dhal die hervorragende malerische Begabung zusammengefunden und ein dickes Buch dar-
Fra Filippos durchaus begriffen hat. Nun kom- über geschrieben. — Ich übergehe das, was
men Jubelrufe über die Erfindung der Oltech- Stendhal über Verrocchio, die PolJaiuoli und
nik, wobei Stendhal nur leider vergißt, zu er- Signorelli sagt — alle diese Kleinmeister will
wähnen, daß ein Deutscher, nämlich Lessing, er vergessen, um in der Seele wieder Raum für
in Wolfenbüttel das Manuskript des Theophilus Leonardo zu schaffen. Da steht ein originel-
Presbyter wiedergefunden hat. Sehr kurz wird les Gleichnis: Ein Weib ging durch die Straßen
Botticeili behandelt, dieser Maler dringt nicht Alexandriens in Ägypten, barfüßig, mit wirren
in Stendhal ein. „Seine Figuren besitzen weder Haaren, eine Fackel in der einen, einen Wasser-
Anmut noch Schönheit", heißt es da. Das Ur- krug in der andern Hand tragend, und sprach:
teil stammt von Lanzi. Ob er die Primavera „Mit dieser Fackel will ich den Himmel ver-
und die Geburt der Venus gar nicht gekannt brennen und mit diesem Wasser die Hölle aus-
hat? In der Tat ist ja Botticeili erst von den löschen, damit der Mensch lerne, Gott um sei-
l'räraffaeliten wieder entdeckt worden. Da- ner selbst willen zu lieben." Und dann folgt ein
gegen wird Ghirlandajo als der Meister der prinzipielles Kapitel über den großen Künstler
Luftperspektive gefeiert. Besonders imponierte als Typus, mit köstlichen Bemerkungen, z. B.:
es Stendhal, daß Ghirlandajos Schüler sogar „Man kann ein großer Feldherr und Gesetz-
- geber sein und doch nicht das mindeste Fein-

•) Siehe auch das Dezemberheft dieser Zeitschrift, S. 80 ff. gefühl besitzen". Stendhal sagt, das südliche

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