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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 41.1925-1926

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Wolf, Georg Jacob: Max Oppenheimer
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MAX OPPEXHEIMER

Man weiß nicht recht, wo man Max Oppen-
heimer (oder, wie er sich in charakteri-
stischer Abkürzung seines Namens gern nennt:
Mopp unterbringen soll. Es weht etwas Inter-
nationales um ihn. Wien und Paris sprechen her-
ein, und seine Kunst scheint mehr noch als die
seiner Zeit- und \\ eggenossen rasch wechseln-
den Entwicklungsgesetzen unterworfen. Sein
künstlerischer Charakter bewegt sich von Diszi-
plin und Selbstzucht, die etwas Gesetzmäßiges,
fast hätte ich gesagt: militärisch Unerbittliches
hat, bis zur ausschweifenden Unbesorgtheit. So
auch seine Technik — scheinbar wenigstens—:
ich weiß, daß er seinerzeit das Bildnis Heinrich
Manns in weniger als drei Stunden heruntermalte
und daß er an seinem großen „Konzert" jahre-
langsaß: nicht, als ob ihm Komposition, Aufbau,
AusfübrmigSchwierigkeiten bereitet hätten, son-
dern weil ihn technische, rein mallechnische Fra-
gen in einem Grade und in einem Ausmaße be-
schäftigten, daß ibm eine zügige Durchführung
und V ollendung dieses seines Hauptwerkes nicht
möglich war. Kurz: Mopp ist eine Erscheinung
nicht im Sinne der Unklarheit vor sich selbst,
aber als schwer durchschaubare künstlerische
Persönlichkeit für die Außenstehenden.
Indessen ziebt auch er und zieht seine Kunst,
wie alles, was problemartig ist, an und fordert
zur Auseinandersetzung heraus. Eine Zeit, wie
die unsere mag wohl zur Klarheit und Erkennt-
nis drängen, aber sie selbst ist nichts weniger als
durchsichtig in ihrem Wollen und Leisten. Aus
chaotischem Gewoge steigt viel Faszinierendes,
aber wenig Positives und Definitives auf. Ich weiß
nicht, ob die Mehrzahl der heutigen Künstler das
Wesen der Zeit erschöpft. Viele weichen thema-
tisch Problemen aus, die uns angehen, die uns in
unserem Interesse tiefer fassen könnten, als es
Blumensträuße und Gebirgsseen oder Hafen-
bilder vermögen. Man mag sagen, das sei eine
äußerliche Auffassung — es mag so scheinen.
Aber die Richtung, die die Kunstproduktion —
ich wähle dieses Wort mit aller Absicht— neuer-
dings einschlug, gibt dem recht, der der Meinung
ist, das Inhaltliche, Stoffliche, Thematische der
Kunst werde einer neuen künstlerischen Gene-
ration, der, die jetzt heraufzieht, nicht so gleich-
gültig und nebensächlich sein wie der gegen-
wärtigen. Das Wort und der BegrilF „Neue

Sachlichkeit", dieden Expressionismus und seine
V erzögerungen und Nebenerscheinungen ab-
lösten, deuten darauf hin. und man hat schon
wieder eine Gruppe solcher oft mehr als naiv
sich gebärdenden, die Gebilde wie aus der Spiel-
zeugschachtel herausholenden Neorealisten bei-
sammen, die sich nun als Gonfalonieri des
„Neuesten vom Neuen" in der Kunst fühlen.
Man muß diese Strömungen und Strebungen,
IrrungenundYN irrungeneinenAugenblicküber-
denken, muß dies alles: den französischen Im-
pressionismus und den von deutschen Ideali-
sten mit Inbrunst hochgezogenen Expressionis-
mus, die rührend-ergreifende Gestalt des alten,
gebrochenen und doch malerisch noch so leben-
digen Corinth, den L bergang zum neuen Realis-
mus und die geistigen und sozialen Voraus-
setzungen für diese Flucht der Erscheinungen,
sich zu einem Ganzen bilden, und hat dann
den Hinlergrund, vor dem sich Oppenheimers
Schaffen abspielt und ohne den es sich nicht
abspielen könnte. Das rasende Tempo und die
Mannigfaltigkeit und Buntheit dieser Entwick-
lung ist auch in seinem Schallen. Aber es ist
das Außerordentliche, daß er bei dieser Ent-
wicklung nicht einer der Genießenden ist. nicht
einer, der nur Nutzen ziehen will. Er hat sich
nicht in ein gemachtes Belt gelegt und ver-
zehrt nicht die Früchte mit dem Behagen des
Erben. Sondern er gehört seit mehr als zwei
Jahrzehnten zur „Spitzengruppe"; er ist immer
vorne dran und bahnt Y\ ege. Im Grunde ist er
einsam und stellt sich auf sich selbst, und was
er malt, zeichnet und radiert, das geschieht
nicht um der anderen, sondern um seinetwillen:
nicht aus Egozentrik im ethischen Sinne, sondern
aus der Erkenntnis, daß nur jene Leistung WTert
hat und die Gewähr der Dauer in sich birgt, die
mit Persönlichkeil, mit Individualität, mit dem
Ego förmlich geladen ist.

Also: Im großen und ganzen den Verlauf der
Kunstentwicklung unserer Zeit in seinem Schaf-
fen spiegelnd, stets aber an der Spitze, gleichsam
witternd, was dem Geist der Zeit entspricht,
Stoffe von Bedeutung wählend und gestaltend, in
technischen Dingen heute von großer Peinlich-
keit, dies alles auf den Nenner einer aparten, sehr
zarten, aber um ihrer Eigenart willen dennoch
markanten Eigenart bringend — so erscheint

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